Herr Marino wird mit Gewichtsverlust und Panzytopenie aufgenommen. Die Ärzte vermuten zunächst eine Komplikation seiner rheumatoiden Arthritis – Fehlanzeige. Es beginnt eine lange Suche mit überraschendem Ende.
Herr Marino ist 50 Jahre alt. Er hat über viele Jahre ungesund gelebt und hat ein metabolisches Syndrom mit Insulinresistenz, Übergewicht, Dyslipidämie, arterieller Hypertonie und einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung mit erhöhten Transaminasen. Vor zwei Jahren wurde bei ihm zudem eine rheumatoide Arthritis diagnostiziert. Nachdem sich die Symptome seiner RA unter Methotrexat (15 mg/Woche) nur unzureichend besserten, erhielt er zusätzlich Abatacept (150 mg/Woche). Unter der Therapie ging es Herrn Marino jedoch schleichend schlechter: Er verlor zunehmend an Gewicht (insgesamt 10 kg), fühlte sich abgeschlagen und hatte subfebrile Temperaturen – sowohl tagsüber als auch nachts – und einen Sklerenikterus. Im Labor waren Bilirubin, AST, ALT und GGT deutlich erhöht. Seine Ärzte beenden die Therapie mit Abatacept – das unter anderem Transaminasenanstiege verursachen kann – und weisen ihn ins Krankenhaus ein.
Im August 2021 wird Herr Marino im Krankenhaus in Tarent (Italien) nahe seines Wohnorts aufgenommen. Die Laborwerte zeigen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Neben erhöhter AST (109 U/L), ALT (84 U/L) und GGT (128 U/L) finden die Ärzte eine Panzytopenie:
Dazu waren die Entzündungswerte erhöht (CRP 5,56 mg/dl, Blutsenkung 60 mm/h, Ferritin 2,859 ng/ml, PCT 0,718 ng/ml) und es fiel eine monoklonale Gammopathie (2 Komponenten: IgG-Kappa und IgG-lambda) auf, während die Urin-Immunfixation unauffällig war.
Auf der Suche nach einem Infektionsfokus und Erreger führen die Ärzte verschiedene mikrobiologische Tests durch, die zunächst unauffällig sind – Blutkulturen werden eingeschickt. Das Röntgen-Thorax ist ebenfalls blande – im Ganzkörper-CT fallen jedoch eine Hepatosplenomegalie (Milzdurchmesser 16 cm), ein hepatisches Angiom, vergrößerte periaortale Lymphknoten und Aszites auf. In der ÖGD entdecken die Untersucher beginnende ösophageale Varizen und in der Echokardiographie sehen sie eine Hypertrophie des linken Ventrikels, jedoch ohne funktionelle Auswirkung. Die Ärzte ermitteln in verschiedene Richtungen und suchen neben Infektionen nach hämatologischen Erkrankungen, einem Felty-Syndrom (s. Infobox) im Rahmen der rheumatoiden Arthritis und einer Amyloidose – jedoch ohne eindeutiges Ergebnis.
Weiterhin besteht ein erhöhtes Malignomrisiko (v. a. Non-Hodgkin-Lymphome).
Am linken Bein hat Herr Marino schon seit einiger Zeit eine ulzeröse Läsion (s. Abb. 1), die im Krankenhaus mittels Kürettage abgetragen wird. Die Histopathologie ist uneindeutig, die Ärzte vermuten eine Pyoderma gangraenosum. Abb. 1: Ulzeröse Läsion am linken Unterschenkel vor und nach Kürettage. Quelle: Shahini et al.
Bei unklarem Infektfokus erhält Herr Marino eine empirische Antibiotikatherapie mit Cefotaxim über 7 Tage, während auf die Ergebnisse der Blutkulturen gewartet wird. Da das Fieber nicht verschwinden will und sogar stärker wird, eskalieren die Ärzte die Antibiose auf Piperacillin/Tazobactam. Die Behandler beginnen zudem eine intravenöse Therapie mit Methylprednisolon (0,75 mg/kg/d), die sie über 5 Tage steigern. Über einen Zeitraum von 4 Wochen erhält er wöchentlich Filgrastim (G-CSF). Nach knapp drei Wochen sind sowohl die Panzytopenie als auch die Wunde am Bein deutlich gebessert und Herr Marino wird nach Hause entlassen. Woher die Beschwerden kamen, ist weiter unklar. Eine Woche nach Entlassung wird das Glukokortikoid langsam auf eine Erhaltungsdosis reduziert.
Die Leberwerte bleiben in den Kontrolluntersuchungen jedoch fast unverändert hoch. Der Rheumatologe weist Herrn Marino schließlich – etwa 3 Monate nach der Entlassung – erneut ins Krankenhaus ein. Im Ultraschall sehen die Ärzte die bekannte und unveränderte Hepatosplenomegalie. Es fällt aber noch etwas anderes auf: Neben dem bekannten Angiom aus der CT finden sich weitere hyperechogene Läsionen. Da die Laborwerte sich weiter verschlechtern, entscheiden die Ärzte sich letztlich zu einer Leberpunktion, die einen überraschenden Befund liefert: Histologisch werden amastigote Leishmanien (s. Infobox) in den Makrophagen festgestellt.
Auch serologisch werde Leishmanien-IgG gefunden. Der Nachweis von IgM kann nicht erbracht werden, da der notwendige Test nicht verfügbar ist. Mit dieser neuen Information sehen die Behandler den Fall aus einem anderen Blickwinkel und stellen letztlich die Diagnose einer disseminierten Leishmaniose. Die Glukokortikoid-Therapie wird daraufhin beendet und Herr Marino bekommt Amphotericin B. Unter der Therapie verbessert sich sein klinischer Zustand schnell – ebenso die Panzytopenie und die monoklonale Gammopathie.
Leishmanien sind begeißelte einzellige Parasiten der Ordnung der Trypanosomatida. Sie befallen speziesabhängig bestimmte Wirbeltiere bzw. den Menschen sowie bestimmte Sandmückenspezies der Gattungen Phlebotomus (Europa, Asien, Afrika) und Lutzomyia (Amerika). Die Sandmücken wirken als Vektoren bei der Infektion der Wirbeltiere bzw. des Menschen.
Die Autoren des Case Reports ziehen aus dem Fall vor allem eine Lehre: die Diagnostik von Infektionserkrankungen – insbesondere von seltenen – bei gleichzeitig bestehenden Autoimmunerkrankungen ist schwierig.
Die Symptome, die zur Aufnahme führten (u. a. Hepatosplenomegalie, subfebrile Temperatur und Panzytopenie) können sowohl von der letztlich ursächlichen Leishmaniose als auch von rheumatoider Arthritis – im Rahmen eines Felty-Syndroms – verursacht werden. Eine ausführliche Diagnostik ist daher besonders wichtig. Apulien, die Region, in der der Patient lebt, ist Endemiegebiet für Leishmanien, die hier vor allem in Hunden und Ratten ein Reservoir gefunden haben. Die Panzytopenie und monoklonale Gammopathie des Patienten sind zwar kein typisches Symptom einer disseminierten Leishmaniose, aber in der Literatur beschrieben.
Es gibt mehrere Berichte von disseminierter Leishmaniose bei Patienten unter Immunsuppression mit Methotrexat, Kortikosteroiden und TNF-alpha-Inhibitoren. Bei Abatacept, was der Patient im vorliegenden Fall erhielt, gibt es jedoch Hinweise, dass es die Immunantwort auf Leishmanien in einer Weise moduliert, dass die Parasitenlast reduziert wird – was die Diagnostik zusätzlich erschwert haben dürfte. Die zwischenzeitliche klinische Besserung unter Antibiotika- und Glukokortikoidtherapie erscheint dennoch ungewöhnlich, zumal die Abatacept-Therapie zuvor beendet wurde. Hierzu finden sich in der Publikation jedoch keine Erklärungsansätze.
Bildquelle: Finan Akbar, Unsplash