Der Trisomietest ist ungewollt zur bezahlten Screeningmethode geworden. Doch auch okkulte Krebserkrankungen der Mutter lassen sich damit aufdecken. Was das für die Früherkennung bedeutet, lest ihr hier.
In Konstanz wurde 2012 der erste nicht-invasive Pränataltest (NIPT), auch vereinfacht als Trisomietest bezeichnet, auf den europäischen Markt gebracht. Seit dem 1. Juli 2022 ist er bedingt zur Kassenleistung geworden. Die Einschlusskriterien der mütterlichen Blutuntersuchung auf fetale Trisomien 21, 13 und 18 sind uneindeutig formuliert, sodass kaum eine Untersuchung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen abgelehnt werden kann. Das führt aus verschiedenen Gründen zu Verunsicherungen und steigenden Kosten. Er war explizit vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht als Screeningmethode geplant und sollte die Anzahl invasiver Folgeuntersuchen (Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie) reduzieren.
Eine retrospektive Kohortenstudie mit Abrechnungsdaten der BARMER hat diese ursprünglichen Ziele nun widerlegt. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich zwischen 01.01.2014 und 31.03.2024 und umfasste Patientinnen, die sich in der ärztlichen Schwangerenvorsorge befanden. Es wurden 766.245 Schwangerschaften analysiert, davon wurde in 30.365 Fällen ein NIPT, bei 166.841 Fällen eine allgemeine Beratung zum NIPT und in 629 Fällen eine Beratung bei positivem Befund abgerechnet. Das erste Quartal 2024 ließ erkennen, dass von 1.000 Schwangerschaften 784 Frauen zu einem NIPT beraten wurden, bei 482 Frauen wurde er anschließend durchgeführt, 302 Frauen entschieden sich dagegen. Bei acht von 1.000 Fällen folgte eine invasive Untersuchung.
Auffällig war, dass nach Kostenübernahme des NIPT die Inanspruchnahmeraten bei den 36- bis 39-jährigen Schwangeren zeitnah die 50 %-Marke erreicht hatten und bei den über 40-jährigen Frauen rasch bei 75 % lag. Die Ausdehnung der Inanspruchnahme auf jüngere Frauen folgte prompt, sodass im vergangenen Jahr jede vierte Schwangere unter 26 Jahren einen NIPT durchführen ließ. Insgesamt nahmen altersabhängig zwischen 50 und 75 % aller Schwangeren mindestens eine Beratung zum NIPT wahr.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei einer durchschnittlichen Inanspruchnahme durch fast 50 % der Schwangeren seit der Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenkassen, der NIPT ungeplant zum Screeningtest wurde. Eine ergänzend durchgeführte Analyse der invasiven pränatalen Tests hat gezeigt, dass es nicht zur erhofften Abnahme, sondern zu einer Zunahme um 0,1 bis 2,5 je 1.000 Schwangerschaften gegenüber dem Erwartungswert kam. Das könnte durch die zunehmende Inanspruchnahme der nicht-invasiven Tests durch junge Schwangere sein, die häufiger falsch positiv sind.
Der positive prädiktive Wert (PPV) spiegelt den Anteil der tatsächlich erkrankten Kinder bei positivem Testergebnis wider und ist stark von der Prävalenz der Erkrankung abhängig. Da die zu untersuchenden Trisomien vom mütterlichen Alter abhängig sind, ist auch der positive Vorhersagewert in den verschiedenen Alterskategorien unterschiedlich.
Bei einer 20-jährigen Schwangeren liegt der PPV für eine Trisomie 21 bei 70 %, bei einer 40-Jährigen bei 97 %. Aufgrund der niedrigeren Prävalenz der Trisomien 18 und 13 ist der PPV hier entsprechend geringer. Dies erklärt die altersabhängig abweichende Zuverlässigkeit der Testergebnisse: Bei jüngeren Frauen fällt der Trisomietest häufiger falsch positiv aus als bei älteren Schwangeren. Dies führt zu einer enormen Verunsicherung und hat eine invasive Diagnostik mittels Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie zur Folge.
Der nicht-invasive Pränataltest beruht auf einer Analyse von zellfreier DNA (cfDNA), die während der Schwangerschaft von der Plazenta ins mütterliche Blut gelangt. Maligne Tumoren setzen ebenfalls cfDNA frei. Erste Ergebnisse der US-amerikanischen IDENTIFY-Studie belegen, dass bei einem ungewöhnlichen oder nicht bestimmbaren Ergebnis eines NIPT, eine okkulte maternale Karzinomerkrankung ursächlich sein kann.
Es wurden 107 klinisch gesunde Frauen zwischen 2019 und 2023 untersucht, die bei einem nicht-invasiven Pränataltest ein ungewöhnliches Ergebnis erhalten hatten und deren Schwangerschaft noch bestand oder nicht mehr als zwei Jahre zurücklag. Das Durchschnittsalter betrug 33 Jahre. Die Diagnostik umfasste ein Ganzkörper-MRT, Blutbild- und Tumormarkeranalysen, einen Test auf okkultes Blut im Stuhl und ein Zervixkarzinomscreening. Bei 52 Frauen (48,6 %) wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert. Am häufigsten waren Lymphome (60 %), gefolgt von kolorektalen Malignomen (17 %) und Mammakarzinomen (8 %).
Bei 55 Frauen (51,4 %) wurde kein Karzinom verifiziert. Hiervon konnten 30 Fälle durch benigne Ursachen wie Myome, Plazentamosaike oder fetale Befunde erklärt werden. Die restlichen Fälle blieben trotz fünfjähriger Nachbeobachtung offen. In Zukunft soll nun nach speziellen Sequenzierungsmustern bei der cfDNA-Analyse geforscht werden, die auf maligne Tumore hinweisen. Schlussfolgernd empfehlen die Autoren bei unklaren pränatalen cfDNA-Befunden ein Ganzkörper-MRT. Kontrastmittelfreie MRT-Untersuchungen sind in der Schwangerschaft möglich, werden aber kontrovers diskutiert.
Der NIPT war ursprünglich nicht als Screeningmethode gedacht, sondern sollte nach sorgfältiger Beratung und individueller Indikationsstellung eingesetzt werden. Nachdem er vor drei Jahren unter bestimmten, jedoch unspezifisch deklarierten Einschlusskriterien zur Kassenleistung wurde, hat er mittlerweile seinen Platz in einer Reihenuntersuchung mit ansteigenden invasiven Folgeeingriffen eingenommen. Die häufig falsch-positiven Befunde verursachen Verunsicherung bei jüngeren Schwangeren. Uneindeutige Ergebnisse können auf eine maligne mütterliche Erkrankung hinweisen. So wird ein hohes Sicherheitsbedürfnis mit einem Mehr an Diagnostik und Verunsicherung beantwortet – eröffnet aber mitunter frühere Therapien.
Hertle et al.: Initial data on a non-invasive prenatal test (NIPT) for trisomies 13, 18, and 21: A retrospective cohort study based on billing records of the BARMER health insurance carrier. Deutsches Ärzteblatt, 2025. doi: 10.3238/arztebl.m2025.0043
Lohnt sich das Ersttrimester-Screening heute noch? Aus der Sektion Pränatalmedizin der AGG. FRAUENARZT, 2025. online
Turriff: Prenatal cfDNA sequencing and incidental detection of maternal cancer. New England Journal of Medicine, 2024. doi: 10.1056/NEJMc2500437
Bildquelle: Houcine Ncib, Unsplash