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Wenn Abwarten krank macht: Wann Hausärzt*innen an die Akutpsychosomatik überweisen sollten
Ein Plädoyer für frühzeitiges Handeln bei Persistierenden Somatischen Symptomen, Erschöpfung und Depression
Hausärztliche Realität: Wenn das Wartezimmer chronisch voll ist, aber die Diagnose unsichtbar bleibt
Immer häufiger sitzen Patient*innen in der hausärztlichen Praxis, die über anhaltende körperliche Beschwerden klagen – ohne dass sich ein klarer somatischer Befund erheben lässt. Rücken, Magen, Kopf, Schlaf – alles „irgendwie nicht richtig“. Oder sie kommen seit Monaten mit Krankschreibungen wegen „Erschöpfung“, „depressiver Episode“ oder „Stressreaktion“, ohne dass sich der Zustand merklich bessert. Diagnosen wie F45.0 – Somatisierungsstörung, F32.1 – mittelgradige Depression oder Z73.0 – Burnout häufen sich in den Akten.
Viele dieser Patient*innen „versacken“ zwischen AU-Verlängerungen, ambulanter Psychotherapie-Warteliste und eigenem Leidensdruck. Doch genau hier liegt die Indikation für eine frühzeitige Einweisung in eine Akutpsychosomatische Klinik – eine Option, die in der hausärztlichen Versorgung oft übersehen oder zu spät genutzt wird.
Was ist eigentlich „Akutpsychosomatik“?
Die Akutpsychosomatik ist ein stationäres Behandlungsangebot der Krankenhäuser nach §39 SGB V, das sich speziell an Patient*innen richtet, deren psychische oder psychosomatische Erkrankungen eine intensivere Behandlung benötigen als ambulant möglich, aber (noch) keine Reha oder langfristige stationäre Psychiatrie erfordern.
Sie ist kein „letzter Ausweg“, sondern oft ein entscheidender Wendepunkt im Krankheitsverlauf – insbesondere bei komplexen und langwierigen Verläufen wie:
Persistierenden somatoformen Symptomen (F45.x)
Depressiven Syndromen mit funktioneller Beeinträchtigung
Chronischer Erschöpfung / Burnout / Z‑Diagnosen
Traumafolgestörungen mit körperlicher Komponente
Schmerzstörungen / Fibromyalgie
Nicht beendbarer Arbeitsunfähigkeit trotz mehrfacher Krankschreibungen
Warum Überweisung statt Abwarten?
Therapeutisches Fenster früh nutzenJe früher Patient*innen strukturiert Hilfe erhalten, desto größer ist die Chance auf vollständige Wiederherstellung. Das wiederholte Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ohne konkreten Behandlungsschritt zementiert oft das Krankheitsverhalten.
Vermeidung von ChronifizierungPersistierende Symptome führen zu sozialer Isolation, Arbeitsplatzverlust, somatischer Sekundärmorbidität – der Übergang zur Erwerbsunfähigkeit ist fließend.
Strukturierte, interdisziplinäre DiagnostikIn der Akutpsychosomatik wird somatische, psychologische und sozialmedizinische Diagnostik multimodal verzahnt. Damit können auch übersehene Zusammenhänge erkannt werden (z. B. unerkannte Traumafolgestörungen hinter „Reizdarm“).
Beziehungsmedizin im multiprofessionellen TeamIn der Primärversorgung ist oft keine Zeit für vertiefte Gespräche oder längere Verlaufssicht. In der stationären Akutpsychosomatik erfolgt eine intensive therapeutische Beziehungsklärung – mit Psychotherapie (Einzel- und Gruppe), Körpertherapie, Achtsamkeit, Sozialberatung und medizinischer Betreuung.
Unterstützung beim Wiedereinstieg in den AlltagIn psychosomatischen Akutkliniken Caduceus Klinik Bad Bevensen wird nicht nur behandelt, sondern auch geplant – mit konkreter Rückkehrplanung, sozialmedizinischer Einschätzung und bei Bedarf Weitervermittlung in Reha oder ambulante Therapie.
Typische Indikationen aus der Praxis
👉 Frau M., 42 Jahre, medizinische Fachangestellte:Seit 6 Monaten AU wegen „Burnout“. Schlafstörungen, Spannungskopfschmerzen, emotionale Erschöpfung. Gespräche mit der Hausärztin bleiben an der Oberfläche, auf einen Psychotherapieplatz wartet sie seit Monaten. – Indikation: akute psychosomatische Komplexbehandlung zur Stabilisierung, Therapieinitiierung, Rückkehrberatung.
👉 Herr T., 51 Jahre, Handwerker:Chronischer Rückenschmerz, keine OP-Indikation, aber starke Beeinträchtigung. Schon mehrfach orthopädisch und neurologisch abgeklärt. Kein Befund. Depressive Symptome, Schlafstörung, Reizbarkeit. – Indikation: stationäre psychosomatische Diagnostik, Ausschluss von Somatisierungsstörung, multimodale Schmerzbehandlung.
👉 Frau K., 33 Jahre, Lehrerin:Angstattacken, Druckgefühl in der Brust, häufige Krankschreibungen. Sorge um Herzinfarkt, aber kardiologisch unauffällig. Inzwischen Schulangst, Arbeitsplatzkonflikte. – Indikation: Differentialdiagnostik zwischen Panikstörung, körperbezogener Angst und somatoformer Störung. Stabilisierung im geschützten Rahmen.
Vorteile für Hausärzt*innen: Entlastung, Rückmeldung, Koordination
Hausärzt*innen tragen oft die Hauptlast der „unsichtbaren Krankheiten“. Mit der Überweisung in eine Akutpsychosomatik geben sie nicht Verantwortung ab, sondern integrieren einen wirksamen Teil der Versorgungskette:
Entlastung der Praxis durch Reduktion chronischer Wiederholerkontakte
Kooperationsangebote durch Kliniken (z. B. Rückmeldebögen, Telefonate zur Koordination)
Therapieinitiation statt Wartehaltung, insbesondere wenn ambulante Plätze fehlen
Verhinderung sozialer Dekompensation, z. B. durch frühe sozialmedizinische Einschätzungen
Überweisung: So einfach geht’s
Für eine stationäre Akutbehandlung genügt in der Regel ein Einweisungsschein (Muster 2). Die Indikation muss nicht psychiatrisch codiert sein – auch „anhaltende körperliche Beschwerden bei Erschöpfung“ oder „unspezifische Schmerzstörung“ genügen. Bei Fragen hilft oft ein kurzes Telefonat mit der Klinikaufnahme.
Kontaktbeispiel:
🩺 Caduceus-Klinik Bad Bevensen (Klinik Falkenried)
Falkenried Caduceus KlinikFachkrankenhaus für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie
Niendorfer Weg 529549 Bad Bevensen
Tel. 0 58 21 / 97 75 - 0
📍 Stationäre Aufnahme | Schwerpunkt Akutpsychosomatik und Stressfolgeerkrankungen
Fazit: Der Mut zur frühen Einweisung rettet nicht nur Existenzen – er ist medizinisch indiziert
Hausärztliche Versorgung ist oft Beziehungspflege in schwierigen Zeiten. Doch manche Verläufe brauchen mehr – mehr Zeit, mehr Diagnostik, mehr Interdisziplinarität. Die Akutpsychosomatik bietet dies. Gerade bei persistierenden Beschwerden ohne Befund, wiederholten AU-Zeiten und emotionaler Erschöpfung sollten Hausärzt*innen die Schwelle zur Einweisung niedrig halten.
Denn wer zu lange wartet, behandelt irgendwann nicht mehr Symptome – sondern deren Chronifizierung.