Eine Frau passt beim Gärtnern kurz nicht auf – zack, steckt ein Dorn in ihrem rechten Zeigefinger. Nicht so schlimm, oder? Wie ein alltäglicher Unfall schließlich eskaliert, lest ihr hier.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine Zusammenfassung.
Kleine Stichverletzungen an der Hand, etwa durch Dornen bei der Gartenarbeit, werden von vielen Patienten als harmlos abgetan. Auch Ärzte schätzen die Gefahr mitunter falsch ein. Dabei kann kontaminierte Gartenerde gefährliche Keime in tiefere Gewebeschichten eintragen. Dort breiten sich die Erreger teils rasch und aggressiv aus. Ein Fallbericht zeigt exemplarisch, welche dramatischen Komplikationen daraus entstehen können – von einer nekrotisierenden Phlegmone über eine septische Thrombophlebitis bis hin zur notwendigen Strahlresektion.
Was ist passiert? Eine 58-jährige, zuvor gesunde Frau verletzt sich bei Gartenarbeiten während ihres Urlaubs in Spanien mit einem Dorn an der Kuppe ihres rechten Zeigefingers. Zwei Tage später entwickelt sie zunehmende Schwellung, Rötung und Schmerzen an der betroffenen Stelle. Erst jetzt wird der Dorn entfernt. Ärzte beginnen eine antibiotische Therapie mit Cotrimoxazol sowie eine systemische Steroidgabe mit Prednisolon. Wenige Stunden später verschlechtert sich der Zustand deutlich: Die Fingerkuppe zeigt sich livide und gräulich verfärbt, begleitet von pochenden Schmerzen. Noch am selben Tag führen Ärzte ein chirurgisches Débridement mit Spülung durch.
Die mikrobiologische Untersuchung zeigt eine Infektion mit Citrobacter freundii. Ihre Ärzte setzen die antibiotische Behandlung fort, verringern aber die Steroiddosis leicht. Trotzdem schreitet die Nekrose voran, der Finger verliert zunehmend an Sensibilität. Nach sieben Tagen verlegt das Ärzteteam die Patientin in die Schweiz, ihr Heimatland, zur weiteren Behandlung.
Zwölf Tage nach der initialen Behandlung zeigt sich bei der Patientin eine fortgeschrittene Mumifizierung des rechten Zeigefingers, die bis über das Mittelgelenk reicht. Am ulnaren Rand des Grundglieds ist die Haut livide verfärbt und weist eine Epidermolyse bis zur zweiten Kommissur auf. Auch die palmare Seite des Fingers ist nekrotisch. Lediglich der dorsale Anteil der Grundphalanx erscheint noch vital – im Einklang mit dem Versorgungsgebiet der palmaren Digitalarterien. Zusätzlich fällt eine Schwellung in der Beugefurche des Grundgelenks auf. Hinweise auf eine Lymphangitis bestehen nicht.
Unter engmaschiger klinischer Überwachung zeigt sich ein fortschreitender Gewebeuntergang. Ein präoperativ durchgeführtes MRT schließt tieferliegende Entzündungsprozesse oder Abszesse aus. 22 Tage nach der Verletzung entschließen sich die Ärzte zur Resektion des zweiten Strahls über einen palmaren Zugang. Die histopathologische Untersuchung bestätigt eine septische Thrombophlebitis und Arteriitis – zwei seltene, aber potenziell schwerwiegende Komplikationen bakterieller Infektionen. Postoperativ kann die antibiotische Therapie beendet werden. Durch eine gezielte ergotherapeutische Nachbehandlung und Kompressionsversorgung der ersten Kommissur gelingt den Ärzten eine funktionelle Stabilisierung. Acht Wochen nach dem Eingriff hat sie wieder eine gewisse Funktionalität erreicht und kommt im Alltag gut zurecht.
Der Fall verdeutlicht, wie tückisch vermeintlich harmlose Stichverletzungen bei der Gartenarbeit verlaufen können. Die Patientin infiziert sich mit Citrobacter freundii, einem fakultativ pathogenen, gramnegativen Keim, der zur normalen Darmflora gehört. Unter bestimmten Bedingungen, etwa bei verzögerter Behandlung oder unzureichender Wundversorgung, kann dieser Erreger jedoch schwere Infektionen verursachen. Im vorliegenden Fall könnten sowohl die Gabe von Kortikosteroiden als auch das zögerliche chirurgische Eingreifen die Ausbreitung der Infektion begünstigt haben. Die Folge ist eine septische Vaskulitis mit Gefäßthrombosen, die schließlich in eine irreversible Ischämie mündet.
Hinzu kommt, dass Citrobacter freundii vermehrt Resistenzen gegen Antibiotika, insbesondere Cephalosporine und Carbapeneme, zeigt, was die therapeutischen Möglichkeiten einschränkt.
Bildquelle: Elly Brian, Unsplash