Sollte ich als Arzt bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie Kortikosteroide verordnen? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten – denn die Studienlage ist widersprüchlich. Ein Überblick.
Die Frage, ob Kortikosteroide – insbesondere Hydrocortison – bei der Behandlung einer schweren ambulant erworbenen Pneumonie (CAP) hilfreich sind, begleitet die medizinische Forschung seit Jahrzehnten. Bereits 1956 erschien eine erste Publikation zu dieser Thematik. Seitdem ist eine Vielzahl an Studien, randomisierten kontrollierten Versuchen und Metaanalysen erschienen – mit teils widersprüchlichen Ergebnissen.
Einen neuen Meilenstein setzte eine im Jahr 2023 im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie. In dieser multizentrischen, randomisierten, doppelblinden Studie wurde untersucht, ob die frühzeitige Gabe von intravenösem Hydrocortison (200 mg täglich, bis zu 14 Tage) die Sterblichkeit bei Patienten mit schwerer CAP senken kann. Eingeschlossen waren Patienten ohne septischen Schock. Das Ergebnis war signifikant: Die 28-Tage-Sterblichkeit betrug in der Hydrocortison-Gruppe 6,2 % gegenüber 11,9 % in der Placebo-Gruppe (p = 0,006). Auch die Notwendigkeit für Intubation und Vasopressorgabe war reduziert.
Dieser Nutzen wurde bereits in Therapieempfehlungen aufgenommen: In der 2024 Focused Update Guideline der Society of Critical Care Medicine (SCCM) wird die Gabe von Kortikosteroiden bei Patienten mit schwerer CAP empfohlen.
Doch die Diskussion erhielt kürzlich neuen Aufwind: Im Rahmen der REMAP-CAP-Plattformstudie wurde eine weitere Studie zum Thema durchgeführt, deren Ergebnisse kürzlich veröffentlicht wurden. Auch hier ging es um schwer erkrankte CAP-Patienten, allerdings mit einem anderen Design: Alle Patienten befanden sich bereits in intensivmedizinischer Behandlung, viele davon im septischen Schock. Sie erhielten ein fixes Schema von Hydrocortison (50 mg alle 6 Stunden über 7 Tage). Der primäre Endpunkt war die 90-Tage-Sterblichkeit.
Die Studie wurde frühzeitig wegen „Futility“ beendet, also wegen geringer Wahrscheinlichkeit für einen Nutzen. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Die 90-Tage-Sterblichkeit betrug in der Hydrocortison-Gruppe 15 % (78 von 521 Patienten mit verfügbarem Vitalstatus), in der Kontrollgruppe lag sie bei 9,8 % (12 von 122). In weiteren Analysen zeigte sich ein möglicher Vorteil in der Dauer des Kreislaufschocks: In der Hydrocortison-Gruppe lag die mediane Schockdauer bei zwei Tagen (IQR 2–5), in der Kontrollgruppe bei drei Tagen (IQR 2–6,75), mit einem grenzwertig signifikanten Unterschied (p = 0,05). Es zeigte sich jedoch kein Einfluss auf die Mortalität. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Behandlung mit einem festen 7-Tage-Kurs Hydrocortison bei schwerer CAP wahrscheinlich keinen deutlichen Überlebensvorteil bringt.
Letztendlich ist unklar, warum der Effekt von Steroiden zwischen Studien stark variiert. Mögliche Erklärungen sind, dass die CAP eine heterogene Erkrankung ist und in den Studien schwer quantifizierbare Faktoren – etwa das Ausmaß der Entzündungsreaktion, Art und Schwere von Vorerkrankungen, der verursachende Erreger, Interaktionen zwischen Wirt und Erreger sowie der Zeitpunkt des Klinikaufenthalts im Verlauf der Erkrankung – die Ergebnisse beeinflussen.
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