Hanna und Nils wollen beide Psychotherapeuten werden. Nils nach dem alten System, Hanna nach dem neuen – und beide stehen vor Problemen. Dabei brauchen wir dringend mehr Therapeuten. Wo hakt es?
Die Psychotherapie-Reform soll die Ausbildung von Psychotherapeuten grundlegend verbessern. Sie verfolgt das Ziel, ein fair bezahltes, rechtlich abgesichertes und besser strukturiertes System zu etablieren. Doch der Übergang bringt erhebliche Herausforderungen mit sich – besonders für Studenten, die zwischen altem und neuem System stehen.
Ein Beispiel dafür ist Nils. Er begann sein Psychologiestudium im Jahr 2020, kurz vor dem Stichtag der Reform. Ursprünglich wollte er nach dem Master eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten beginnen – wie viele vor ihm als sogenannter „PiA“ (Psychotherapeut in Ausbildung). Das bedeutet in der Regel eine dreijährige Ausbildung, die unter dem alten System häufig mit hohen Kosten, unklarem Rechtsstatus und unbezahlten Praxisanteilen verbunden war.
Mit dem neuen Psychotherapeutengesetz (PsychThG 2019) wurde dieser Weg grundlegend umgebaut: (Klinische) Psychotherapie wird nun als Studiengang mit Approbation direkt nach dem Master angeboten. Der klassische Ausbildungsteil wird durch eine bezahlte, drei- bis fünfjährige Weiterbildung ersetzt – ähnlich zur ärztlichen Facharztausbildung. Ziel ist ein fließender Übergang in den Beruf als Psychotherapeut mit faireren Bedingungen und besserer sozialer Absicherung. Doch in der Praxis zeigt sich, dass die Umsetzung noch weit von einem funktionierenden System entfernt ist.
Studenten wie Nils befinden sich in einer Übergangsregelung: Wer vor dem 1. September 2020 ein Psychologiestudium aufgenommen hat, darf bis 2032 nach dem alten System die Ausbildung abschließen. Diese Frist scheint auf den ersten Blick großzügig. Doch wie viele plant Nils nach dem Master eine Promotion, hat im Ausland studiert oder hat anderweitige Verzögerungen. Ob er innerhalb der Frist noch regulär eine PiA-Stelle bekommt, bleibt unklar – denn auch diese klassischen Ausbildungsplätze werden zunehmend abgebaut. Offizielle Regelungen für solche Fälle? Leider Fehlanzeige!
Dagegen stehen Studenten wie Hanna, die erst nach dem Reformstichtag 2020 mit dem Studium begonnen hat, vor ganz anderen Herausforderungen. Sie studiert im neuen Modell, wird bald ihren Master und die Approbation abschließen – doch der nächste Schritt, die Weiterbildung zur Psychotherapeutin, ist ungewiss. Denn die dafür nötigen Weiterbildungsstellen sind bislang nur in geringer Zahl verfügbar, da das Finanzierungskonzept auch sechs Jahre nach der Reform nicht geklärt ist.
Die Folge: ein Engpass, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen könnte. Die Zahl der Absolventen aus dem neuen System wächst, doch die Struktur zur Weiterbildung hinkt hinterher. Gleichzeitig läuft das alte System aus, ohne dass es vollständig ersetzt wird. Die Bundesregierung hatte angekündigt, die offenen Finanzierungsfragen zu klären – bisher leider ohne Ergebnis.
Fachgesellschaften und Berufsverbände wie die DPtV (Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung) und die Deutsche Gesellschaft für Psychologie kritisieren die Situation seit Langem. In öffentlichen Stellungnahmen, Demonstrationen und durch Petitionen fordern sie eine verlässliche Übergangsregelung, klare Finanzierungszusagen für Weiterbildungsstellen sowie die langfristige Sicherung der Versorgung.
Für viele Studenten bedeutet die aktuelle Lage Unsicherheit, Planungsprobleme und teils finanzielle Belastung. Gleichzeitig ist abzusehen, dass es zu massiven Engpässen in der psychotherapeutischen Versorgung kommen wird, wenn nicht rasch politische und strukturelle Maßnahmen ergriffen werden.
Die Psychotherapie-Reform war ein richtiger und längst überfälliger Schritt. Doch der Umbau verläuft holprig – und genau das bekommen Studenten wie Nils und Hanna zu spüren. Sie stehen stellvertretend für eine Generation, die in einem Systemwechsel festhängt, ohne klare Perspektive. Wenn Politik und Träger nicht rasch handeln, wird eine Lücke entstehen, die die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland noch Jahre belasten wird.
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