Gesteigerter Bewegungsdrang, Aggression, Reizbarkeit: Alzheimer äußert sich unter anderem durch Agitation. Betroffene können zu einer Gefahr für sich und andere werden – warum ein neuer Wirkstoff hoffen lässt.
Agitation gehört zu den häufigsten und belastendsten neuropsychiatrischen Symptomen bei Patienten mit Alzheimer-Demenz, insbesondere in fortgeschrittenen Krankheitsstadien. Dieses Verhalten ist eine erhebliche Herausforderung für pflegende Angehörige und Personal, erhöht das Risiko für Krankenhausaufenthalte und kann zu einer vorzeitigen Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung führen.
Vor diesem Hintergrund wurde auf dem diesjährigen Annual Meeting der American Academy of Neurology (AAN) in San Diego die Phase-III-Studie ACCORD-2 vorgestellt, die die Wirksamkeit von AXS-05 gegen Agitationen bei Alzheimer-Demenz untersuchte. AXS-05 ist ein oral verabreichtes Kombinationspräparat, das aus Dextromethorphan und Bupropion besteht. Dextromethorphan wirkt als NMDA-Rezeptorantagonist und beeinflusst zusätzlich Sigma-1-Rezeptoren sowie serotonerge Mechanismen. Bupropion fungiert hierbei als CYP2D6-Hemmer und erhöht die Bioverfügbarkeit von Dextromethorphan. Bereits in früheren Studien zeigte AXS-05 potenzielle Effekte auf neuropsychiatrische Symptome wie Depression oder Agitation im Rahmen neurodegenerativer Erkrankungen.
In der multizentrischen, doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Entzugsstudie ACCORD-2 erhielten 295 Patienten mit diagnostizierter Alzheimer-Demenz und klinisch bedeutsamer Agitation zunächst über mindestens acht Wochen AXS-05. In dieser ersten offenen Phase wurde bei 167 Teilnehmenden ein anhaltendes klinisches Ansprechen dokumentiert. Diese wurden anschließend in zwei Gruppen randomisiert: Eine erhielt weiterhin AXS-05, die andere ein Placebo.
Die Ergebnisse aus der doppelblinden Entzugsphase sprechen deutlich für die Wirksamkeit von AXS-05. Die Zeit bis zum Auftreten eines Agitationsrückfalls war unter AXS-05 im Vergleich zur Placebogruppe signifikant verlängert. Zudem ließ sich ein Rückfall in die Alzheimer-Agitation lediglich bei 8,4 % der weiterhin behandelten Patienten beobachten, verglichen mit 28,6 % in der Placebogruppe (p = 0,001). Auch hinsichtlich des allgemeinen klinischen Zustands war AXS-05 überlegen: Nur 13,3 % der Behandelten zeigten eine Verschlechterung des Krankheitsbilds gegenüber 39,3 % unter Placebo (p < 0,001).
Unerwünschte Ereignisse wurden in der Entzugsphase bei 29,3 % der Patienten unter AXS-05 berichtet, während in der Placebogruppe eine Rate von 32,1 % beobachtet wurde. Klinisch bedeutsame Nebenwirkungen traten nicht auf, die Verträglichkeit wurde insgesamt als gut eingestuft.
Die Ergebnisse der ACCORD-2-Studie liefern wichtige Hinweise darauf, dass AXS-05 nicht nur das Risiko für Agitationen bei Alzheimer-Demenz deutlich senken kann, sondern auch einen stabilisierenden Einfluss auf den allgemeinen Krankheitsverlauf hat. Angesichts des hohen Leidensdrucks und der begrenzten therapeutischen Optionen bei dieser Patientengruppe ist AXS-05 eine vielversprechende neue Behandlungsoption, die sowohl klinisch relevante Symptome mildern als auch die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Bezugspersonen verbessern könnte.
Dennoch sind bestimmte Limitationen der Studie zu berücksichtigen: Die Untersuchung war als Entzugsstudie konzipiert, was das Risiko eines Rebound-Effekts in der Placebogruppe birgt und die Interpretation der Effektstärke erschwert. Zudem fand die Behandlung in einem kontrollierten Studienumfeld statt, sodass offenbleibt, wie sich die Wirksamkeit und Verträglichkeit unter Alltagsbedingungen darstellen. Die Auswahl der Teilnehmer mit initialem klinischem Ansprechen auf AXS-05 vor Randomisierung begrenzt die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die Gesamtpopulation von Alzheimer-Patienten mit Agitation. Auch Langzeitdaten zur anhaltenden Wirksamkeit und Sicherheit über die Studiendauer hinaus liegen bislang nicht vor.
Während krankheitsmodifizierende Antikörpertherapien wie Lecanemab oder Donanemab gezielt auf pathophysiologische Mechanismen der Erkrankung abzielen und vor allem im frühen Krankheitsstadium der Alzheimer-Demenz zum Einsatz kommen, adressiert AXS-05 ein bislang therapeutisch unterversorgtes Symptom im mittleren bis späten Verlauf. Damit könnte sich künftig eine komplementäre Behandlungsstrategie etablieren, die sich sowohl auf die Krankheitsprogression als auch auf die neuropsychiatrischen Begleitsymptome fokussiert.
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