Seit es ihn gibt, wird § 218 kontrovers diskutiert. Der Deutsche Ärztetag beantragt jetzt, Abbrüche in den ersten 12 Wochen zu legalisieren – aber nicht alle Ärzte sehen das so.
Der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig hat sich nach einer teils emotionalen Debatte für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ausgesprochen. Es wurden mehrere entsprechende Anträge aus der Ärzteschaft eingereicht und angenommen.
Wichtige Eckpunkte sind:
Man erhofft sich – neben einer Entkriminalisierung und Entstigmatisierung – ein besseres örtliches und zeitnahes Versorgungsangebot sowie eine Stärkung der Rechtssicherheit von Ärzten.
Dabei ist die Debatte um § 218 nicht neu und wird seit 50 Jahren kontrovers geführt. Zweimal hat sich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe um eine tragfähige Lösung bemüht. Entstanden ist dabei eine bis heute rechtsgültige Kompromisslösung aus dem Dilemma Selbstbestimmungsrecht der Frau und Lebensrecht des Kindes. Nach Auffassung des höchsten Gerichts besitzt das ungeborene Kind die Menschenwürde und muss entsprechend verfassungsrechtlich geschützt werden, wie im § 218 verankert.
Die politische und gesellschaftliche Debatte dauert seitdem mit der Intention an, das Selbstbestimmungsrecht der Frau zu stärken und Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren. Am 24. Juni 2022 wurde § 219a, der ein ärztliches Werbeverbot für Abbrüche beinhaltete, aufgehoben. Sogenannte Gehsteigs-Belästigungen vor Schwangerschaftsberatungsstellen und Einrichtungen, die Abbrüche vornehmen, als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, wurde am 13. November 2024 festgelegt.
Ein Teil der vorherigen Bundesregierung hatte eine Kommission aus verschiedenen Fachrichtungen beauftragt, Reformvorschläge zur gesetzlichen Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen zu erarbeiten. Das Gremium aus 18 Experten, die Hälfte davon Rechtswissenschaftler, hat am 15. April 2024 eine Publikation vorgelegt, in der die Abschaffung von § 218 zugunsten einer zivilrechtlichen Regelung im sogenannten Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) gefordert wird.
Darin sollen Schwangerschaftsabbrüche nach einer neuen Fristenregelung bis zur Lebensfähigkeit des Kindes außerhalb des Mutterleibes oder wenigstens in den ersten 12 Schwangerschaftswochen nicht länger rechtswidrig sein. Die Beratung solle auf freiwilliger Basis beruhen und eine Kostenübernahme für alle Abbrüche durch die gesetzliche Krankenversicherung getragen werden. Unterstützt wurden die Forderungen durch ein Positionspapier der SPD-Fraktion vom 25. Juni 2024.
Nicht wenige Ärzte, wie beispielsweise Prof. Matthias David, geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Gynäkologie an der Charitè Berlin und Koordinator der S2k-Leitlinie Schwangerschaftsabbruch im 1. Trimenon, haben auch Bedenken gegen die geplanten Reformen. In einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestags am 10. Februar 2025 brachte David die geäußerten Bedenken vor.
Geostatistischen Analysen zufolge gestalte sich die Versorgungslage mit Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland als nicht prekär. Die Bedeutung der Schwangerschaftskonfliktberatung werde dadurch unterstrichen, dass sich nach der Beratung etwa ein Viertel der Frauen gegen die Durchführung eines Abbruchs entscheidet, wie eine Studie zeigt. Zur Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens von Beginn an meint David: „Auch das vorgeburtliche menschliche Leben in der Gebärmutter, wie beispielhaft an der Schmerzwahrnehmung gezeigt werden kann, entwickelt sich ohne Brüche oder Sprünge als biologisches Kontinuum.“
Auch aus der Politik kommen andere Signale als vom Deutschen Ärztetag. So antwortete die neue Bundesfamilienministerin und Juristin Karin Prien (CDU) in der Zeit auf die Frage, was mit § 218 passieren soll: „Frauen müssen in allen Regionen die Möglichkeit haben, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. […] Andererseits müsse das Selbstbestimmungsrecht der Frau und das Lebensrecht des Ungeborenen klug miteinander abgewogen werden. Ich nehme die Rechtspraxis des Paragrafen 218 da als mühsam errungenen Kompromiss wahr, der sich bewährt hat.“
Aus medizinethischer Perspektive ergibt sich das Dilemma Schwangerschaftsabbruch aus zwei Grundüberlegungen – zum einen, wann menschliches Leben beginnt und zum anderen, wie sich Selbstbestimmungs- und Lebensrecht zueinander verhalten.
Die Frage, ob sich ein Embryo kontinuierlich als Mensch oder in Entwicklungssprüngen zum Menschen entwickelt, wird unterschiedlich beantwortet. Und ob das Selbstbestimmungs- bzw. das Lebensrecht zweier miteinander gekoppelter Leben als ähnlich oder unterschiedlich schützenswert gilt, liegt im Auge des Betrachters.
Die gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen wird seit langem kontrovers diskutiert. Sowohl in Politik und Gesellschaft als auch unter Ärzten bestehen divergente Meinungen darüber, ob eine Liberalisierung von § 218 dringend geboten ist oder als Kompromisslösung bestehen bleiben soll. Mit Spannung werden weitere Signale aus der Politik erwartet, wohin die Entwicklung geht. Mediziner können zwischenzeitlich präventiv durch eine sorgfältige und umfassende Kontrazeptionsberatung tätig werden.
Weiterführende Literatur:
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