Eine durchwachte Nacht nach einer Impfung vermindert die Wirksamkeit. Jetzt gibt’s Neues zum möglichen Grund dafür – solltet ihr Impfungen bald kombiniert mit Hormonen geben?
An dem Ratschlag „Schlaf dich gesund!“ ist was dran: Ausreichender Schlaf ist wichtig für ein funktionsfähiges Immunsystem. Inzwischen gibt es zunehmend Evidenz dafür, dass zu wenig Schlaf die Immunantwort nach Impfungen verringern kann. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind noch weitgehend unbekannt. Ein Forscherteam der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) untersuchte kürzlich die zellbiologischen Hintergründe.
Die Träger der spezifischen Immunantwort sind T- und B-Lymphozyten. Das immunologische Gedächtnis, bestehend aus antigenspezifischen Antikörpern und antigenspezifischen T- und B-Gedächtniszellen, ermöglicht eine schnellere und effektivere Immunantwort bei erneutem Antigenkontakt. Auf diesem Prinzip basieren auch Impfungen.
Das Ausmaß der Antikörperreaktion nach einer Impfung ist ein wichtiger Indikator für die erreichte Immunität und den damit verbundenen Schutz. Experimentelle Studien am Menschen (hier und hier) zeigen, dass Schlaf nach einer Impfung die antigenspezifische Antikörper- und T-Zell-Antwort verdoppelt, verglichen mit nächtlichem Wachbleiben. Auch eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse konnte belegen, dass eine kurze Schlafdauer in allen Studien mit einer verminderten Bildung von Antikörpern nach antiviralen Impfungen verbunden ist.
Es gibt Evidenz (hier und hier), dass Schlaf die Anzahl zirkulierender T-Zell-Subpopulationen im Blut reduziert. Diese Beobachtung führte zur Vermutung, dass Schlaf die Umverteilung und Wanderung von T-Zellen zu den Lymphknoten fördert, wo dann spezifische Immunreaktionen eingeleitet werden. Dies könnte ein möglicher Mechanismus für die Verstärkung von Impfreaktionen durch Schlaf sein.
Das Forscherteam der LMU München nahm nun in einem randomisierten Cross-over-Design die Wanderung der T-Zellen in Abhängigkeit von Schlaf unter die Lupe. Dazu wurde bei 14 gesunden Probanden in zwei 24-stündigen Versuchssitzungen untersucht, ob Schlaf die gerichtete Wanderung der T-Zellen hin zu dem Signalprotein CCL19 beeinflusst.
Die Forscher definierten zwei Versuchsbedingungen: Während der Schlaf-Bedingung durften die Teilnehmer acht Stunden lang schlafen, bei der Wach-Bedingung mussten die Probanden hingegen wach bleiben. Zusätzlich wurde der Einfluss des Wachstumshormons und von Prolaktin auf die Wanderung der T-Lymphozyten untersucht, da bekannt ist, dass insbesondere die Freisetzung von Wachstumshormon und Prolaktin stark schlafabhängig ist (hier und hier). Zudem wirken diese Hormone als Signalgeber für Immunzellen und können so die Einleitung spezifischer Immunreaktionen unterstützen (hier und hier).
Während der beiden 24-stündigen Sitzungen wurden in regelmäßigen Abständen T-Zell-Parameter und die Hormone im Blut bestimmt. Eine weitere Blutuntersuchung erfolgte nach einer durchgeschlafenen Nacht.
Die Ergebnisse der Studie bestätigen: Schlaf fördert die Wanderbereitschaft von T-Lymphozyten. Dabei sind Wachstumshormon und Prolaktin entscheidende Signalgeber. Die Forscher beobachteten im Einzelnen:
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Wachstumshormon und Prolaktin entscheidende Faktoren für das Wanderungsverhalten von T-Zellen in Richtung Lymphknoten sind. Dies könnte ein möglicher Mechanismus sein für die starke Wirkung des Schlafs auf die spezifische Immunantwort, die bei Impfungen eine entscheidende Rolle spielt. Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie: Eine Nacht normalen Schlafs reicht nicht aus, um diese Effekte auf das Immunsystem auszugleichen.
Da ausreichender Schlaf eine optimale Impfreaktion fördern kann, sollten Betroffene sowohl vor und als auch nach einer Impfung ausreichend schlafen. Die Ergebnisse der Studie könnten zudem besonders für ältere Menschen von Bedeutung sein, da bei ihnen häufig niedrigere Spiegel der beiden Hormone vorliegen, der Schlaf gestört ist und sie weniger auf Impfungen ansprechen. Die Autoren schlussfolgern, dass eine adjuvante Gabe von Prolaktin und Wachstumshormon möglicherweise die Immunreaktion nach einer Impfung verbessern könnte.
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