Die Häufigkeit von Darmkrebs bei jungen Menschen steigt weltweit an. Eine mögliche Ursache: Unsere westliche Ernährung schadet dem Mikrobiom. Warum wir Ärzte die stille Epidemie aufhalten müssen.
Eine aktuelle Studie, veröffentlicht in The Lancet Oncology, hat in 50 Ländern Daten analysiert und kommt zu einem besorgniserregenden Ergebnis: In 27 Ländern steigen die Inzidenzraten von früh einsetzendem kolorektalem Karzinom. Besonders betroffen: Australien, Neuseeland und die USA. Die Ursachen sind noch nicht vollständig verstanden, doch viele Hinweise deuten auf unsere moderne Ernährung – insbesondere den übermäßigen Konsum von Fast Food – als möglichen Hauptschuldigen hin.
Fast Food ist nicht nur fett- und zuckerreich, sondern vor allem arm an Ballaststoffen. Unser Darmmikrobiom, ein komplexes Ökosystem aus Billionen von Bakterien, braucht jedoch genau diese Ballaststoffe, um gesund zu bleiben. Eine unausgewogene Ernährung kann die Artenvielfalt im Mikrobiom drastisch reduzieren. Studien zeigen: Eine geringere Diversität im Darm begünstigt Entzündungen, stört die Immunregulation und könnte die Krebsentstehung fördern.
Eine Studie von Johnson et al. (2021) zeigte, dass eine ballaststoffarme Ernährung innerhalb weniger Tage messbare negative Veränderungen in der bakteriellen Zusammensetzung des Darms bewirken kann. Besonders problematisch sind laut Chassaing et al. (2015) bestimmte Emulgatoren, die in verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sind und entzündliche Prozesse im Darm fördern.
Doch auch einzelne Mikroorganismen rücken zunehmend in den Fokus: Eine besondere Rolle scheint dabei das Bakterium Escherichia coli zu spielen – genauer gesagt bestimmte pathogene Stämme, die sogenannte „colibactin“-produzierende Gene tragen. Studien wie die von Pleguezuelos-Manzano et al. (2020) zeigen, dass diese Stämme DNA-Schäden in menschlichen Darmzellen verursachen können – ein potenzieller Auslöser für Krebs. Bei Menschen mit gestörtem Mikrobiom und schwachem Immunsystem können solche Bakterien überhandnehmen.
Aktuelle Forschungen aus dem Jahr 2025 verdeutlichen die Rolle dieser Bakterien noch stärker: Colibactin-produzierende E. coli-Stämme wurden in Tumorzellen von Darmkrebspatienten unter 40 Jahren etwa 3,3-mal häufiger nachgewiesen als bei älteren Patienten. Diese Stämme verursachen gezielte DNA-Schäden – ein „genetischer Fingerabdruck“, der mit einer erhöhten Krebsanfälligkeit korreliert. Studien der Max-Planck-Gesellschaft belegen zudem, dass diese Schäden innerhalb weniger Stunden nach Kontakt mit dem Toxin auftreten und zentrale Tumorsuppressor-Gene wie p53 betreffen können.
Besonders kritisch: Viele Jugendliche wachsen heute mit einer dauerhaften Fast-Food-Ernährung auf. Burger, Pommes und zuckerhaltige Getränke gehören zum Alltag. Industriell verarbeitete Lebensmittel enthalten zudem Zusatzstoffe, die das Mikrobiom weiter schädigen können. Künstliche Emulgatoren, Konservierungsstoffe und ein Mangel an fermentierten Lebensmitteln scheinen das Gleichgewicht der Darmflora aus dem Takt zu bringen.
Diese ungesunde Ernährungsweise beeinflusst nicht nur die Zusammensetzung des Mikrobioms negativ, sondern fördert auch das Überleben und die Ausbreitung von colibactin-produzierenden E. coli-Stämmen. Denn in einem von Ballaststoffen verarmten Darmmilieu fehlen konkurrierende, gesundheitsfördernde Bakterien, die normalerweise das Wachstum solcher pathogenen Keime eindämmen würden. Zudem können Zusatzstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln die Schleimhautbarriere des Darms schwächen, was es E. coli erleichtert, mit den Epithelzellen in direkten Kontakt zu treten – ein notwendiger Schritt für die DNA-schädigende Wirkung von Colibactin.
Außerdem wären da Antibiotikakonsum in der Kindheit, Kaiserschnittgeburten, eine sterile Umgebung – all das reduziert die Vielfalt unseres Mikrobioms von Geburt an. Wenn dann noch eine ballaststoffarme Ernährung hinzukommt, ist das Risiko für chronische Entzündungen und möglicherweise auch für Darmkrebs erhöht.
Was können wir tun? Die Antwort ist einfach, aber unbequem: weniger hochverarbeitete Lebensmittel, mehr pflanzliche Kost, fermentierte Produkte wie Joghurt oder Sauerkraut und mehr Bewegung. Unser Mikrobiom ist anpassungsfähig, aber nicht unendlich belastbar.
Wenn wir jetzt nicht umdenken, dürfte die stille Epidemie des Darmkrebses in jungen Jahren weiter an Fahrt aufnehmen. Vielleicht ist es an der Zeit, unsere Fast-Food-Gewohnheiten nicht nur aus gesundheitlicher, sondern auch aus mikrobiologischer Perspektive grundlegend zu überdenken.
Quellen:
Bildquelle: David Foodphototasty, Unsplash