TEIL 1 | Ich bin zwar noch Einsteiger, aber schon jetzt restlos begeistert vom Point-of-Care-Ultraschall. In dieser Mini-Serie zeige ich euch, warum – und überzeuge, oder verzaubere, euch dabei hoffentlich ebenso.
Wer hätte es gedacht: ein Ultraschallbeitrag bei dasFOAM. Beginnen wir mit den Zielen der Notfallsonographie: POCUS hilft uns dabei, Differentialdiagnosen einzugrenzen, reversible Ursachen zu erkennen, relevante Befunde in kurzer Zeit zu erheben und Therapien gezielt zu steuern. Ultraschall ermöglicht uns eine bildgebende Diagnostik, die bekanntermaßen ohne Strahlenschäden auskommt. Die einzig relevante, von den Untersuchenden unabhängige Gefahr von POCUS ist die häufig kritisierte Zeitverzögerung, z. B. Verlängerung der Versorgungszeit oder der therapiefreien Intervalle. Wie bei anderen diagnostischen Verfahren besteht darüber hinaus die Gefahr einer Fehldiagnose durch die Untersuchenden.
Abb. 1: Antikes Meme von dasFOAM.
Unser Ziel sollte es also primär sein, unser Auge zu schulen, wiederkehrende Muster von relevanten Pathologien unterscheiden zu können und die richtigen Entscheidungen daraus abzuleiten. Der Anspruch an die Untersuchenden muss hierbei möglichst gering sein, denn es geht um das Wesentliche: die Indikation für POCUS erkennen, Schallfenster sicher auffinden, sowie auffällige Befunde schnell erfassen und kommunizieren können. Trotz allem spielt die Erfahrung eine Rolle, was auch die aktuellen ERC-Leitlinien 2021 betonen. Daher ist jede Minute mit Schallkopf in der Hand entscheidend. Richtig angewandt bietet POCUS uns als Behandelnden große diagnostische und zeitliche Vorteile und verbessert dadurch das Outcome unserer Patienten.
Für mich begann das Thema Ultraschall mit Twitter. Dort findet man zahlreiche FOAMed-Quellen, die Input zu den unendlichen Anwendungsmöglichkeiten von POCUS teilen, progressiv denkende Vorbilder mit tragbaren Schallköpfen in der Hand sowie konstruktive Diskussionen der Community und spannende Ultraschall-Rätsel. Im Kontrast dazu steht die Realität im Rettungsdienst: Auch wenn immer mehr Rettungsdienstbetreiber mobile Ultraschallgeräte anschaffen, sind sie oft noch nicht zeitnah verfügbar (es sei denn, der RTH bringt eines mit) oder sie werden nicht ausreichend eingesetzt bzw. der Umgang damit geschult. Laute Gegenstimmen sehen keinen größeren Bedarf für Ultraschall außerhalb der Klinik: „neumodischer Kram, Zeitverschwendung“.
Ich erinnere mich an meine Anfangszeit im Rettungsdienst, da war selbst ein eigenes Stethoskop in der Tasche für manche Kollegen schon „ärztliche Anmaßung“. Mein persönliches Lieblingsargument in der Diskussion über die Notwendigkeit zur flächendeckenden Vorhaltung von Ultraschall im Rettungsdienst ist die enorme Verbesserung der Diagnostik und Therapie reversibler Ursachen im Rahmen der kardiopulmonalen Reanimation.
Selbst während meiner Ausbildung zum Notfallsanitäter hieß es bei mindestens der Hälfte der abgearbeiteten H’s und HITS während des ALS-Trainings: „Gibt keinen Hinweis darauf, können wir aber auch nicht ausschließen.“ Welche zahlreichen diagnostischen Möglichkeiten uns POCUS in diesem Kontext liefert, erklärt euch Felix hier. Zudem ist beispielsweise die Untersuchung nach eFAST-Schema (nicht zu verwechseln mit BEFAST) aus der Schwerverletztenversorgung nicht mehr wegzudenken, aber später mehr dazu.
Abb. 2: Meme Credits an CanadiEM.
Lange Zeit habe ich überlegt, mir ein eigenes Handheld-Gerät zuzulegen. Jedes Ultraschall-Lehrbuch, dass ich gelesen habe, empfiehlt bereits auf der ersten Seite, einen Schallkopf zur Hand zu haben. Nach über zwei Jahren war es dann endlich so weit: Als ich den Karton öffnete, fühlte ich mich, als wären Geburtstag und Weihnachten auf denselben Tag gefallen. Danach folgten Wochen des Ausprobierens. Kommilitonen, Familienmitglieder und selbstverständlich auch die eigenen Organe wurden bei jeder sich bietenden Gelegenheit geschallt.
Artikel und Fachbücher brachten mich etwas weiter, jedoch nicht annähernd so weit wie Hands-on-Veranstaltungen in der Uni oder beim großartigen Witten POCUS (veranstaltet von der dortigen AG Sonographie). Vor allem dort lernte ich durch praxisnahe Impulsvorträge, viel Übungszeit und fitte Tutoren, wie man schnell den gewünschten Bildausschnitt findet und dabei die wichtigsten klinischen Fragen beantwortet. Tino nannte z. B. im Rahmen der Echokardiographie nach FATE-Algorithmus (Pocketcards gibts hier) für jeden Schnitt immer dieselben drei Fragen, an denen man sich orientieren kann: Siehst du grobe Wandbewegungsstörungen, gibt es Hinweise für einen Perikarderguss und wie sind die Größenverhältnisse der dargestellten Strukturen zueinander? Die Message soll an dieser Stelle sein: keep it fast and simple. Trotzdem gibt es ein paar wesentliche Grundregeln:
Wenn dir eine wichtige Regel fehlt, oder du auf etwas hinweisen möchtest, teile gerne deine Ideen mit uns!
Bevor wir zum „Wie“ kommen, sollten wir erstmal das „Warum“ klären: POCUS kann im Rettungsdienst verwendet werden, um verschiedenste klinische Fragen zu klären. Die relevantesten Arbeitsdiagnosen, bei denen POCUS verwendet wird, sind sicherlich: unklarer Thoraxschmerz, akute oder progrediente Dyspnoe, abdominelle Beschwerden, undifferenzierter Schock, relevantes Trauma (v. a. den Torso betreffend) und Reanimation. Weitere Anwendungsmöglichkeiten von POCUS werden in der folgenden Tabelle unter „Sonstiges“ zusammengefasst.
Zum Beispiel kann Ultraschall bei der Anlage von peripheren Venenkathetern eine ungewollte (und nebenbei evidenzarme) Akupunkturbehandlung vermeiden. Die aufgeführten Punkte sind dabei nur die gängigsten Anwendungsgebiete für POCUS in der Akutmedizin. Die Kollegen von Nerdfallmedizin haben zum selben Thema bereits eine Zusammenfassung erstellt.
Zum Zweck der besseren Übersicht wird nachfolgend jeder Untersuchungspunkt nur einmal genannt (auch wenn z. B. die Pneumothoraxdiagnostik bei mehreren der erwähnten Arbeitsdiagnosen indiziert ist). Gib Bescheid, wenn dir Ergänzendes einfällt!
Abb. 3: Selbsterstelltes Meme.
Nach dieser ausführlichen Liste von Indikationen in der Akutmedizin, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, klären wir nun die Frage nach der Evidenz bzw. den Vorteilen von POCUS. Einige argumentieren, dass eine Ultraschalluntersuchung im Rettungsdienst keinen Benefit bringt, da man ja so oder so ins Krankenhaus fährt.
Andere sehen das anders:
So viel zur Theorie. In der nächsten Ausgabe wenden wir uns dann endlich dem Zauberstab, pardon, Schallkopf zu – und ein paar Zitronen. Stay tuned!
Bildquelle: erstellt mit Midjourney