Schlafmangel kann schnell zu einer psychischen Belastung werden. Wozu ihr Patienten mit Insomnie raten solltet, lest ihr hier. Spoiler: Die üblichen Phytopharmaka sind es nicht.
Angst vor einer weiteren, wenig erholsamen Nacht? Dass der Schlaf spät kommt und früh geht? Und wenn er da ist, dann nur häppchenweise, und nicht als Tiefschlaf, sondern mit ausgiebigem Herumwälzen? Wer sich aus dieser misslichen Lage mit einem Schlummertrunk befreien will, macht es nur schlimmer. Das und vieles mehr findet sich in der soeben aktualisierten S3-Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ unter Leitung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.
Gegenüber der Vorgängerversion gibt es zwei grundlegende Neuerungen: Zum einen folgt die Leitlinie der Definition der Insomnie nach ICD-11. Dort wurde die Unterscheidung in „nicht-organische Insomnie“ und „Ein- und Durchschlafstörungen“ aufgegeben und durch die umfassende Bezeichnung „Insomnische Störungen“ ersetzt. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die Entstehung der Schlafstörung nicht immer klar ist. Außerdem wurde die geforderte Dauer der Schlafprobleme hochgesetzt: von einem Monat auf drei Monate.
Die zweite Neuerung ist, dass Patienten noch stärker mitentscheiden sollen. Trotz gleichen Evidenzlevels wurden deshalb die alten, direktiven Formulierungen wie „soll durchgeführt werden“ durch neue wie „soll empfohlen werden“ ersetzt. Das sei „nicht als Abschwächung, sondern als angemessene Ausdrucksweise im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung“ zu verstehen. Auch ist gleich zu Beginn für Patienten auf einer knappen Seite das Wichtigste zusammengefasst. Einen kleinen Stapel Ausdrucke von dieser Seite in der Praxis parat zu haben, ist sicher eine gute Idee.
Vielleicht sollten Praxen auch gleich noch das Schaubild mit dem Behandlungsalgorithmus dazulegen. Erste Frage: Führt der Schlafmangel zu einer erheblichen Beeinträchtigung? Falls nein, genügen allgemeine Information, falls ja, sind Fehlverhalten und Substanzgebrauch – wie Alkohol! – abzufragen. Nur, wenn beide Fragen verneint werden, folgt die Therapie. Eventuelle komorbide Schlafstörungen wie organische oder psychische Erkrankungen, sollen ebenfalls behandelt werden.
Methode der Wahl ist die kognitive Verhaltenstherapie, bestehend aus:
Auch digitale Formen der Therapie sind möglich, aber offenbar mit persönlicher Unterstützung durch Therapeuten wirksamer als ohne. Zwei in Deutschland zugelassene, von den Kassen bezahlte digitale Gesundheitsanwendungen werden in der LL zwar erwähnt, aber nicht weiter kommentiert oder bewertet. Inzwischen führt das DiGA-Verzeichnis des BfArM eine dritte Schlaf-DiGA auf.
Erst, wenn die Verhaltenstherapie nicht genug bringt, kommen Medikamente in Frage. Effektiv sind Benzodiazepine, Antidepressiva, Orexin-Rezeptor-Antagonisten und Melatonin. Erwogen werden können Bewegungs-, Licht- und künstlerische Therapie. Nicht empfehlenswert sind Phytopharmaka wie Baldrian, Melisse und Hopfen. Und ganz die Finger lassen sollten Patienten von Antipsychotika, Antihistaminika sowie Aromatherapie, Akupunktur, Fußreflexzonenmassage und Homöopathie.
Für die nächste Überarbeitung der Leitlinie steht vielleicht eine weitere große Neuerung an. Da sich subjektive, starke Beschwerden oft nicht in den objektiv messbaren Schlafparametern niederschlagen, hatten die Leitlinien-Autoren „intensiv diskutiert“, ob „eine Eingruppierung bei den psychischen Störungen nicht angemessener wäre“.
Bildquelle: Pascale Amez, Unsplash