Inoperable Tumoren gelten als Endgegner in der Krebstherapie. Nun konnte erstmals ein Gallengangskarzinom trotz massiven Gefäßbefalls komplett entfernt werden. Warum es sich lohnt, überholt geglaubten Ideen eine zweite Chance zu geben.
An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gab es eine weltweite Premiere: Unter Leitung von Prof. Moritz Schmelzle, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der MHH, wurde erstmals eine neuartige Operationstechnik bei einer Patientin mit Gallengangskarzinom angewendet. Die 62-jährige Patientin galt bislang als austherapiert – der Tumor hatte alle drei Lebervenen infiltriert und wurde als inoperabel eingestuft. Eine Woche nach der OP konnte die Patientin die MHH verlassen.
Die neue OP-Methode basiert auf einem Konzept von Prof. Rudolf Pichlmayr, der bereits in den 1970er Jahren chirurgische Pionierarbeit an der MHH leistete. Er hatte seinerzeit die Idee, einen Tumor außerhalb des Körpers zu operieren. Schmelzle und sein interdisziplinäres Team adaptierten diese Idee – und kombinierten sie mit modernen chirurgischen Verfahren sowie den heutigen Möglichkeiten der perioperativen Versorgung. Die Leber wurde dabei temporär vom Blutkreislauf getrennt und über eine Maschinenperfusion weiter versorgt. Dabei wurde das Organ aus dem Körperkreislauf isoliert und erhielt einen eigenen extrakorporalen Blutkreislauf über eine Perfusionsmaschine. Dank der so gewonnenen Operationszeit konnten die Chirurgen eine Rekonstruktion einer Lebervene vornehmen – ein Eingriff, der im regulären, durchbluteten Zustand des Organs kaum durchführbar gewesen wäre. „Weil die Leber blutleer war, konnten wir in der OP eine Lebervene rekonstruieren“, erklärte Schmelzle.
Bereits acht Tage vor diesem Eingriff war die Leber der Patientin bei einem sogenannten „Leber-Splitting“ in zwei Lappen geteilt worden. Diese Lappen hatten seitdem begonnen, zu regenerieren – ein physiologischer Prozess, den sich die Chirurgen zunutze machten. Da die Leberlappen ihre Funktion sukzessive übernommen hatten, konnte ein Teil der Leber inklusive des Tumors reseziert werden. Die restlichen Anteile übernahmen fortan die Leberfunktion.
Eine komplette Tumorresektion trotz massiven Gefäßbefalls: Mit diesem Eingriff rückt ein zuvor als unheilbar eingestufter Tumor in den Bereich des Behandelbaren.
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