Der Befund Borderline-Tumor kann Patientinnen stark verunsichern. Mit rechtzeitiger Diagnose und der richtigen Therapie ist die Prognose aber sehr gut – wie der folgende Fall zeigt.
Eine 37-jährige Patientin hatte nach unkomplizierter Schwangerschaft spontan ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Sie kam zwei Jahre später zur Krebsvorsorgeuntersuchung und gab außer einem gelegentlichen Unterbauchziehen links keine Beschwerden an. Anamnestisch wurde bei der Mutter ein Borderlinetumor des rechten Ovars im Alter von 45 Jahren diagnostiziert, zudem verstarb eine Cousine im Alter von 35 Jahren an einem Ovarialkarzinom und eine weitere Cousine war an einem Mammakarzinom erkrankt.
Die gynäkologische Untersuchung erbrachte bei der leicht adipösen Patientin keinen pathologischen Befund. In der Vaginalsonographie zeigte sich folgendes Bild: Uterus anteflektiert, normalgroß und glatt begrenztes Endometrium mit Mittelecho. Rechtes Ovar mit unauffälligem Follikel. Linkes Ovar mit einkammeriger, weitgehend glatt begrenzter, teils zystisch, teils solider Raumforderung von 24 x 20 x 25 mm Ausmaß. Die beiden soliden Komponenten betrugen 10 und 12 mm und zeigten eine moderate Vaskularisation im Doppler. Etwas freie Flüssigkeit von 15 x 10 mm.
Mit der Patientin wurde die Situation ausführlich besprochen. Sie entschied sich aufgrund des suspekten Ultraschallbefundes, der positiven Familienanamnese und einem hohem Sicherheitsbedürfnis zu einer zeitnahen Exstirpation der linken Adnexe.
Es erfolgte die laparoskopische Adnexektomie links mit Ovar-PE rechts, multiplen PEs des Abdomens und Douglas-Zytologie. Der präoperative Tumormarker CA-125 war normwertig. Histologisch wurde ein muzinöser Borderlinetumor des linken Ovars diagnostiziert, ohne weiteren Tumornachweis und tumorfreier Douglasflüssigkeit im Stadium FIGO IA. Postoperativ wurde die Situation eingehend mit der Patientin besprochen. Einer komplettierenden Operation mit Hysterektomie, Adnexektomie rechts und Omentektomie wollte die Patientin erst nach abgeschlossener Familienplanung zustimmen.
Die Möglichkeit der humangenetischen Abklärung wurde ebenfalls besprochen, jedoch von ihr abgelehnt. Sie wurde in eine engmaschige ambulante Betreuung mit Vaginalultraschall, Kontrollen des Tumormarkers CA-125 und erweiterter Mammadiagnostik entlassen. 15 Monate später brachte die Patientin ihr zweites Kind zur Welt. Nach der Stillzeit entschied sie sich für eine weitere Operation bei nun abgeschlossener Familienplanung. Postoperativ wurde eine Hormonersatztherapie bis zum Eintritt der durchschnittlichen natürlichen Menopause empfohlen. Wegen der langen Rezidivgefahr wurde die Nachsorge über mindestens 10 Jahre vereinbart. Die Patientin blieb während der gesamten Nachsorgezeit und darüber hinaus rezidivfrei.
Borderlinetumoren (BOT) betreffen im Vergleich zum invasiven Ovarialkarzinom eher jüngere Frauen. Das durchschnittliche Ersterkrankungsalter in den westlichen Industrienationen liegt zwischen 45 und 55 Jahren. Es zeichnet sich mit bis zu fünf Neuerkrankungen pro 100.000 Frauen eine Zunahme der Inzidenz ab, wie Analysen aus Israel, der Schweiz und Schweden ergaben. Neben Nikotinabusus diskutiert man genetische Risikofaktoren.
In einer schwedischen Studie wurden 4.199 Fälle mit BOT des Ovars analysiert. Bei etwa einem Prozent der Frauen mit BOT hatte eine Verwandte ersten Grades ebenfalls einen solchen Tumor. Bei knapp 60 % der Frauen mit BOT wurden in der Familie invasive Karzinomfälle wie Colon-, Ovarial-, Pankreas-, Bronchial- und Knochentumoren sowie Leukämie diagnostiziert. Zusammenfassend zeigte sich ein erhöhtes Risiko, an einem BOT zu erkranken, wenn eine Verwandte ersten Grades davon ebenfalls betroffen ist. Weiterhin besteht eine auffällige familiäre Häufung von BOT und invasiven Karzinomerkrankungen.
Borderlinetumoren des Ovars sind nichtinvasive Neoplasien mit atypischer Epithelproliferation, die mehr in benignen Zystadenomen und weniger in invasiven Karzinomen vorhanden sind. Differenzialdiagnostisch wird zwischen einem Zystadenom des Ovars und einem BOT dahingehend unterschieden, dass für die serösen oder muzinösen Tumoren eine atypische Epithelproliferation von mehr als 10 % des Gesamtepithels vorliegen muss.
Es werden sechs histologische BOT-Subtypen unterschieden, wobei seröse und muzinöse Formen 90 % ausmachen:• seröse (50–55 %)• muzinöse (40–45 %)• endometrioide• klarzellige• seromuzinöse und• BrennerBorderlinetumoren des Ovars werden, ähnlich dem Ovarialkarzinom, in die FIGO-Stadien I–IV eingeteilt. FIGO I beschränkt sich auf Eierstöcke und ggf. positive Zytologie, II beschreibt einen Tumorbefall im kleinen Becken, III klassifiziert einen Befall außerhalb des kleinen Beckens inklusive Lymphknotenbefall. FIGO-Stadium IV bedeutet einen Tumorbefall außerhalb der Peritonealhöhle, was beim BOT sehr selten vorkommt. Tumorabsiedlungen im Bauchraum außerhalb der Ovarien werden als Implantate bezeichnet. Unbehandelt können sie in ein Ovarialkarzinom übergehen und werden deshalb als semimaligne oder als Tumoren mit niedrigem malignem Potenzial bezeichnet.
Die Prognose der Borderlinetumoren hängt entscheidend vom Vorhandensein und der Art extraovarieller Manifestationen ab. Die größte Herausforderung besteht dabei in der sicheren histologischen Differenzierung von invasiven und nichtinvasiven Implantaten. Ein sorgfältiges chirurgisches Staging ist erforderlich und sollte neben der kompletten Tumorentfernung samt bilateraler Adnexektomie auch die Inspektion des Abdomens mit Gewinnung einer Spülzytologie, peritoneale Biopsien und die Omentektomie umfassen.
Das fertilitätserhaltende Vorgehen unter Belassen des gesunden Ovars der Gegenseite und des Uterus hat eine höhere Rezidivrate im Vergleich zur primären radikalen Operation. Weder beim frühen noch beim fortgeschrittenen Stadium III eines BOT konnte durch eine adjuvante Chemo- oder Strahlentherapie eine Prognoseverbesserung erzielt werden.
Rezidive sind selten, werden aber in einem längeren Zeitraum befürchtet, so dass erweiterte Nachsorgeintervalle mit Vaginalsonographie und CA-125 Bestimmungen empfohlen werden. Humangenetische Untersuchungen sind in belasteten Familienkonstellationen sinnvoll. Therapie der Wahl in der Rezidivsituation ist eine erneute komplette chirurgische Tumorentfernung.
Borderlinetumoren des Ovars betreffen eher Frauen jüngeren und mittleren Alters und sind daher limitierend für die Familienplanung. Häufig stellen sie Zufallsbefunde dar und lassen sich aufgrund ihres niedrigen malignen Potenzials nahezu ausschließlich operativ therapieren. Mit Rezidiven muss sehr lange gerechnet werden. Insgesamt handelt es sich um semimaligne Tumoren, die rechtzeitig erkannt und adäquat therapiert eine gute Prognose haben. Die familiären Assoziationen betonen den Stellenwert der genetischen Beratung und gezielter Früherkennungsprogramme.
S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren Version 6.0, 2024. https://register.awmf.org/assets/guidelines/032-035OLl_S3_Ovarialkarzinom_2024-10.pdf
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Petru: Ovarialkarzinom und Borderline-Tumoren des Ovars. Journal für Gynäkologische Endokrinologie/Österreich, 2022. https://link.springer.com/article/10.1007/s41974-022-00232-z
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