Menschen, die das eigene Leben als unerträglich empfinden, sehen irgendwann nur noch eine Möglichkeit: Suizid. Warum wir endlich das Tabu brechen und über psychischen Leidensdruck sprechen müssen.
Jedes Jahr nehmen sich etwa eine Million Menschen das Leben. In Deutschland sind es jährlich etwa 12.000. Hinter dieser Zahl stehen 12.000 Menschen mit einer Leidensgeschichte, die lange unbemerkt bleibt. Ein Suizid ist dabei selten eine freie Entscheidung – meist ist er der verzweifelte Ausweg aus einer als unerträglich empfundenen Lebenssituation.
Lukas ist 19 Jahre alt. Noch bis vor zwei Jahren kannte ihn jeder als lebensfrohen, sportlichen, jungen Mann. Nach dem Abitur beginnt er voller Tatendrang sein Maschinenbaustudium. Doch dann verändert ein einziger Tag alles: Sein Vater stirbt plötzlich bei einem Autounfall. Und von einem auf den anderen Moment gerät die heile Welt völlig aus den Fugen.
Nach der Beerdigung seines Vaters zieht sich Lukas mehr und mehr zurück. Er schafft es kaum noch, sein Studium weiterzuführen, spricht wenig mit seiner Mutter und verliert völlig das Interesse an Hobbys und Freunden. Kommilitonen bemerken zunehmend, dass er mehr und mehr Alkohol trinkt und sich selbst massiv abwertet. Seine Mutter versucht verzweifelt, ihn zu erreichen, doch Lukas blockt jegliches Gespräch mit ihr ab. Erst, als er eines Abends nicht mehr nach Hause kommt und seine Mutter einen Abschiedsbrief auf dem Küchentisch findet, wird das Ausmaß seiner Verzweiflung sichtbar.
Lukas überlebt seinen Sprung aus dem dritten Stock eines Mietshauses nur knapp. Nach mehreren Operationen am zertrümmerten Sprunggelenk wird er in die psychiatrische Abteilung verlegt. Im Aufnahmegespräch sagt er leise:„Die körperlichen Schmerzen sind nichts im Vergleich zu dem, was innerlich in mir tobt!“ Sein Satz berührt – und macht deutlich, wie groß das innere Leid eines Menschen sein kann. Nicht nur individuelle Faktoren wie Trauer, Depression oder Abhängigkeit, sondern auch gesellschaftliche Einflüsse wie Stress, Zukunftsangst oder soziale Isolation können suizidale Krisen zusätzlich begünstigen.
Was hilft, wenn die Hoffnung zu schwinden droht? Oft sind es die kleinen Dinge, die Halt geben: ein lieber Mensch, ein Haustier, ein neues Ziel – oder einfach das Wissen, dass man nicht allein ist. Manchmal reicht schon ein einziger Funke, um weiterzumachen.
Suizid ist eine der gefährlichsten Folgen psychischer Erkrankungen – dennoch bleibt das Thema ein Tabu. Wer betroffen ist, braucht keine Vorwürfe, sondern Hilfe und Mitgefühl. Lukas kämpft heute weiter – mit Unterstützung von seiner Mutter, Therapeuten und Freunden. Ob und wann er sich wieder „leicht“ fühlen wird, weiß er noch nicht. Aber er weiß: Er ist nicht allein.
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