Ein 25-jähriger Mann von den Philippinen stellt sich mit schmerzlosem Ikterus in der Sprechstunde vor. Im CT zeigt sich eine unklare Raumforderung. Was mag das bloß sein? Eine Spurensuche.
Herr N. kommt in die Notfallambulanz aufgrund eines ausgeprägten, aber schmerzlosen Ikterus. Es kommen verschiedene Diagnosen infrage: prä-, intra- oder posthepatisch. Eine einfache Bildgebung kann hier helfen, Licht ins Dunkle zu bringen.
Bei der Befragung in der Notaufnahme gibt der Patient an, früher nie schwer krank gewesen zu sein. Zunächst veranlasst der behandelnde Arzt, dass Herrn N. Blut abgenommen wird. Das Labor stellt eine Erhöhung von GGT, AP und Bilirubin fest. Auch ein Notfall-CT wird veranlasst, um sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Die Bildgebung offenbart eine Raumforderung ohne Kontrastmittelaufnahme. Die Radiologen mutmaßen eine zystische Echinokokkose oder ein Lymphom bei fehlender B-Symptomatik. Herr N. berichtet auch von einer länger zurückliegenden axillären Lymphknoten-Exstirpation. Warum das gemacht wurde, wisse er aber nicht mehr. Beide Verdachtsdiagnosen überzeugen den behandelnden Arzt nicht ganz und er beschließt, die Suche – und den Schallkopf – selbst in die Hand zu nehmen.
Ein Spritzer kaltes Ultraschallgel und die Detektivarbeit kann losgehen. Nach kurzer Durchmusterung fällt ihm eine 35 Millimeter große, echoarme Raumforderung im Leberhilus auf. Sowohl intra- als auch extrahepatisch sind die Gallengänge erweitert. Die Gallenblase ist prall und mit Sludge gefüllt, aber nicht druckschmerzhaft.B-Bild der Läsion. Credit: Michael Kallenbach, Universitätsklinikum Düsseldorf.Schon das B-Bild ist nicht typisch für eine zystische Echinokokkose. Er entscheidet sich dafür, ein Kontrastmittelultraschall durchzuführen, und siehe da – die Raumforderung nimmt partiell Kontrastmittel auf, hat aber nekrotische Anteile. Eine zystische Echinokokkose ist damit ausgeschlossen. Auch ein Lymphom ist unwahrscheinlich, da die Raumforderung nur spärlich perfundiert ist. Der Arzt geht eher von einem teilnekrotischen Lymphknoten im Ligamentum hepatoduodenale aus.
KM-Sono. Credit: Michael Kallenbach, Universitätsklinikum Düsseldorf.
Irgendwas ist faul. Der Arzt geht nochmal die Differenzialdiagnosen von nekrotischen abdominellen Lymphknoten durch und fragt bei Herrn N. ganz gezielt, ob sicher keine Tuberkulose bei ihm oder seinen Angehörigen bekannt ist. Da reißt er seine Augen auf: „Ach so! Ja, doch, meine Mutter und vier andere Familienmitglieder haben so eine Lungenkrankheit.“ Jackpot! Die Endosonographie mit Punktion und mikrobiologischer Diagnostik weist Mycobacterium tuberculosis nach. Zur Symptomkontrolle werden Herrn N. verschiedene Gallenwegs-Stents implantiert und die antituberkolotische Therapie wird begonnen. Schon bald gehen die Cholestaseparameter runter und Herr N. verliert seine gelbe Farbe.
Manchmal hält eine doppelte Anamnese eben einfach besser.
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