Lange Zeit galt: Keine Nüsse, Körner oder Beeren bei Divertikeln, aus Angst vor Entzündungen. Jetzt zeigt sich: Die Sorge ist unbegründet – und manche dieser Lebensmittel könnten sogar vor einer Divertikulitis schützen.
Für Eilige gibt’s am Ende eine Zusammenfassung.
Typisch für eine Divertikulose sind Divertikel, die sich im Laufe des Lebens bei vielen Menschen entwickeln. Diese Veränderungen sind meist harmlos. Kommt es jedoch dazu, dass sich eines oder mehrere dieser Divertikel entzünden, spricht man von einer Divertikulitis. Sie ist die eigentliche Erkrankung, die mit deutlichen Symptomen einhergeht. Typisch sind starke Bauchschmerzen, Fieber, Übelkeit und Stuhlveränderungen.
Über Jahrzehnte hinweg galten Nüsse, Samen, Mais oder Beeren als riskant – aus Sorge, sie könnten sich in den Divertikeln festsetzen und dort Entzündungen auslösen. Eine aktuelle, groß angelegte Langzeitstudie liefert neues Wissen: Nicht einzelne Nahrungsmittel bestimmen das Risiko für eine Divertikulitis, sondern die Qualität der gesamten Ernährung – unabhängig davon, ob Nüsse oder Samen auf dem Speiseplan stehen.
Daten für die neue Analyse kamen aus der Sister Study der US National Institutes of Health. An der Studie nahmen knapp 30.000 Frauen im Alter zwischen 35 und 74 Jahren teil; keine der Probandinnen hatte zu Beginn eine Divertikulitis oder eine andere chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Ziel der Untersuchung war, die möglichen Auswirkungen von Umweltfaktoren, Lebensstil und genetischer Veranlagung auf die Gesundheit von Frauen besser zu verstehen.
Über einen Zeitraum von durchschnittlich 14 Jahren wurden die Teilnehmerinnen regelmäßig medizinisch befragt und begleitet. Ernährungsgewohnheiten erfassten die Wissenschaftler mit validierten Fragebögen. Bei Folgeerhebungen untersuchte das Studienteam nicht nur das Essverhalten, sondern auch Divertikulitis-Fälle; insgesamt kam es hier zu 1.531 Neuerkrankungen.
Entgegen der früheren Meinung zeigte sich keine Assoziation zwischen dem Konsum vermeintlich riskanter Lebensmittel und der Gefahr einer Divertikulitis. Weder Nüsse oder Samen noch frische Früchte mit essbaren Kernen, etwa Tomaten oder Erdbeeren, erhöhten das Risiko. Auch Mais – ob frisch, gefroren oder verarbeitet – zeigte keinen negativen Effekt. Im Gegenteil: Die Daten deuten auf einen leicht schützenden Zusammenhang bei höherem Konsum hin. Damit wird die Vorstellung widerlegt, dass harte oder körnige Lebensmittel die empfindlichen Divertikel mechanisch reizen oder verstopfen und dadurch Entzündungen verursachen. Eine frühere Studie aus dem Jahr 2008 hatte bei Männern bereits ähnliche Ergebnisse gezeigt.
Die Wissenschaftler beschränkten sich nicht auf einzelne Lebensmittel, sondern analysierten das gesamte Essverhalten der Teilnehmerinnen anhand von vier Ernährungsprogrammen: der DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension), dem Healthy Eating Index (HEI), dem Alternative Healthy Eating Index (aHEI) sowie der alternativen Mittelmeerdiät (AMED). Solche Programme basieren auf ähnlichen Grundprinzipien, nämlich viel Obst und Gemüse, ein hoher Anteil an Vollkornprodukten und gesunden Fetten, wenig verarbeitetes Fleisch und ein bewusster Umgang mit Alkohol.
Besonders auffällig war, dass Frauen, die sich konsequent an diese Empfehlungen hielten, also im obersten Viertel der jeweiligen Diätbewertung lagen, ein deutlich geringeres Risiko für eine Divertikulitis hatten. Die stärkste Schutzwirkung fand das Team bei der DASH-Diät mit einer Risikoreduktion von 23 Prozent, gefolgt vom HEI mit 22 Prozent und dem aHEI mit 19 Prozent. Die mediterrane Ernährung schütze ebenfalls, wenn auch schwächer.
Solche positiven Effekte zeigten sich unabhängig von anderen Faktoren wie Alter, Gewicht, körperlicher Aktivität, Rauch- oder Alkoholkonsum, Bildungsstand, Medikamenteneinnahme oder Ballaststoffzufuhr. Das unterstreicht die zentrale Aussage der Studie: Nicht einzelne, vermeintlich kritische Lebensmittel beeinflussen das Risiko, sondern die langfristige Qualität und Ausgewogenheit der Ernährung insgesamt. Wer sich pflanzenbasiert und nährstoffreich ernährt, kann sein persönliches Risiko auch ohne pauschale Verbote verringern.
So überzeugend und sorgfältig die Arbeit auch durchgeführt wurde: Wie bei jeder Beobachtungsstudie gibt es methodische Schwächen. Als prospektive Kohortenstudie kann sie zwar Assoziationen aufzeigen, aber keine Kausalitäten belegen.
Die Angaben zu Divertikulitis-Diagnosen wurden erst im fünften Folgefragebogen erhoben, also viele Jahre nach Studienbeginn. In die Analyse flossen nur Daten von Frauen ein, die bis dahin in der Studie geblieben waren. Dies könnte zu einer Verzerrung geführt haben, falls besonders gesundheitsbewusste oder besonders kranke Frauen überdurchschnittlich häufig geantwortet haben. Zwar versuchten Forscher, diesen Effekt statistisch zu korrigieren. Doch vollständig ausschließen lässt sich eine solche Verzerrung nicht.
Auch bei der Erhebung der Ernährungsdaten gibt es Einschränkungen. Die Informationen stammen nur aus der Anfangsphase der Studie, teilweise also viele Jahre vor einer möglichen Divertikulitis-Diagnose. Spätere Veränderungen wurden nicht dokumentiert. Die Diagnose selbst beruhte meist auf Selbstauskünften der Teilnehmerinnen. Nur in einer Teilgruppe konnten die Forscher medizinische Unterlagen zur Validierung heranziehen. Auch wenn diese in den meisten Fällen Angaben von Probandinnen bestätigten, bleibt ein gewisses Maß an Unsicherheit.
Nicht zuletzt besteht bei jeder epidemiologischen Untersuchung die Gefahr, dass Störfaktoren gar nicht oder nur unzureichend erfasst werden. Zwar berücksichtigten die statistischen Modelle zahlreiche potenzielle Einflussgrößen wie Alter, Body-Mass-Index, Lebensstil oder Medikamenteneinnahme – dennoch lassen sich nicht alle denkbaren Variablen vollständig kontrollieren.
Trotz methodischer Einschränkungen bleibt als Botschaft für die Praxis: Der Verzicht auf Nüsse, Samen oder bestimmte Obstsorten bei erhöhtem Divertikulitis-Risiko ist wissenschaftlich nicht haltbar. Statt einzelne Nahrungsmittel zu verbieten, sollte die Qualität der gesamten Ernährung verbessert werden.
Für Eilige das Wichtigste auf einen Blick
Quelle: Barlowe, T. et al.: Diet and Risk for Incident Diverticulitis in Women: A Prospective Cohort Study. Ann Intern Med., 2025. online.
Bildquelle: Maksim Shutov, Unsplash