Forscher schlagen Alarm: Laut Modellrechnungen könnten CT-Aufnahmen für rund 5 % aller neuen Krebserkrankungen verantwortlich sein. Was ist dran?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
CT-Scans gehören zu den wichtigsten Technologien der modernen Medizin. Sie eignen sich u. a. zur Diagnostik bei Erkrankungen des Gehirns, der Lunge, des Bauchraums und des Bewegungsapparats. Tumoren und Metastasen lassen sich meist zuverlässig darstellen, ebenso wie Gefäßveränderungen bei der CT-Angiografie. Doch wo viel Licht strahlt, ist der Schatten nicht weit. Besonders bei Kindern gibt es schon länger Hinweise darauf, dass CTs das Risiko für Leukämien und Hirntumoren erhöhen. Aber auch bei Erwachsenen kann die Strahlung zu Krebs führen.
Entscheidend für das Risiko sind unter anderem die Dosis, das untersuchte Körperareal, Alter und Geschlecht der Patienten sowie die eingesetzte Technik. Das ist Forschern schon länger klar. Doch wie viele Krebs-Neuerkrankungen stehen wirklich in Zusammenhang mit CTs?
Um das Risiko besser einzuschätzen, haben US-Forscher Angaben zur Strahlenbelastung bei CTs, die zwischen 2018 und 2020 in den USA durchgeführt worden sind, ausgewertet. Ihre Daten kombinierten sie mit epidemiologischen Modellen und rechneten ihre Ergebnisse anschließend auf die Gesamtbevölkerung der USA im Jahr 2023 hoch. Insgesamt wurden im untersuchten Zeitraum rund 93 Millionen CTs bei 61,5 Millionen Patienten durchgeführt, meist waren es Erwachsene (95,8 %).
Besonders groß war das Risiko laut Studie bei CTs des Bauch- und Beckenbereichs: Diese Untersuchungen machten nur 32 % aller CTs aus, waren aber für 37 % der prognostizierten Krebsfälle verantwortlich. Und Ganzkörper-CTs, etwa 5 % aller Untersuchungen, sind wohl für rund 8 % der projizierten Krebsfälle verantwortlich sind. In den meisten Fällen führen vermutlich abdominale CTs und Becken-CTs (37 % der Fälle) sowie Thorax-CTs (21 %) zu malignen Erkrankungen.
Doch die Studie lässt sich – so solide das mathematische Modell auch sein mag – nicht unbedingt auf alle Situationen übertragen. Im internationalen Vergleich fällt die starke Nutzung von CTs in den USA auf: Dort kommen auf 1.000 Menschen über 250 Scans pro Jahr – im Vereinigten Königreich sind es weniger als 100 und in Deutschland ca. 145.
Hinzu kommt, dass die Autoren keine Nutzenbewertung durchgeführt haben. Aber genau der Aspekt wäre wichtig: Wie viele schwere oder potenziell tödliche Erkrankungen lassen sich erfolgreich therapieren, weil Ärzte CTs eingesetzt haben? Genau deshalb schreiben die Autoren auch, CT-Scans seien ein wertvolles medizinisches Instrument – sofern sie medizinisch notwendig sind.
Und die Kritik an der Veröffentlichung ließ nicht lange auf sich warten. Das American College of Radiology (ACR) bezeichnet die prognostizierten Risiken in einer Stellungnahme als „rein theoretisch“. Es gebe keine Studien, die CTs – selbst bei mehrfacher Anwendung – kausal mit Krebserkrankungen in Verbindung brächten. Zudem habe der technische Fortschritt die Strahlenbelastung für die Bevölkerung deutlich verringert. CTs seien unverzichtbare Diagnoseinstrumente, die nachweislich Leben retten, Krankenhausaufenthalte verkürzen und invasive Eingriffe vermeiden könnten.
Prof. Richard Wakeford, Epidemiologe an der University of Manchester, UK, mahnt in einer Stellungnahme ebenfalls zur Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen. Die Schätzungen basierten auf Risikomodellen, welche aus Daten von Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan abgeleitet worden seien, erklärt Wakeford. Diese auf höhere Strahlendosen ausgelegten Modelle auf niedrig dosierte CT-Untersuchungen zu übertragen, sei mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. „Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) geht zwar vorsorglich davon aus, dass jede Strahlendosis ein Risiko birgt – doch betont sie auch die großen biologischen und statistischen Unsicherheiten solcher Modellierungen“, weiß der Experte.
Wakeford erinnert daran, dass Patienten CT-Scans nicht zufällig, sondern aus medizinischen Gründen erhielten – was die Interpretation epidemiologischer Daten zusätzlich erschwere. „Die Schätzung von rund 103.000 krebsbedingten Fällen klingt alarmierend, muss aber kritisch hinterfragt werden.“
Sein Fazit: Der wichtigste Grundsatz sei und bleibe, jede medizinische Strahlenexposition müsse gerechtfertigt sein – der Nutzen müsse das potenzielle Risiko überwiegen.
Zusammenfassung für Eilige
Literatur
Smith-Bindman et al.: Projected Lifetime Cancer Risks From Current Computed Tomography Imaging. JAMA Intern Med., 2025. doi: 10.1001/jamainternmed.2025.0505
Radiology News: American College of Radiology criticizes prominent study claiming CT imaging causes cancer. 2025, online
Bildquelle: Ben Sweet, Unsplash