Von Arterienreinigung bis Zahngesundheit: Omega-3-Fettsäuren genießen ein nahezu makelloses Image. Eine Studie schreibt ihnen jetzt sogar genregulatorische Anti-Aging-Effekte zu. Was ist dran?
Für Eilige gibts am Ende eine Zusammenfassung.
Nach heutiger Studienlage gelten die für den Menschen essentielle, ergiebig von Lein-, Walnuss-, Hanf- und Rapsöl gelieferte Omega-3-Fettsäure (Omega-3-FS) Alpha-Linolensäure (ALA) und ihre beiden, reichlich in fettem Seefisch (Lachs, Makrele, Hering) enthaltenen Abkömmlinge Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) als multifunktionale, hoch gesundheitsrelevante Bau- und Wirkstoffe.
Als Bestandteil von Zellmembranen, als LDL-Cholesterin-Senker, involviert in die Regulation von Blutdruck, Nierenfunktion und Blutgerinnung sowie durch antiinflammatorische Eigenschaften leistet das Omega-3-FS-Trio offenbar bedeutende Präventionsarbeit gegenüber kardiovaskulären, neurologischen, arthrotischen und sogar malignen neoplastischen Erkrankungen.
Auf eher wackliger Datenlage stehen Assoziationen zwischen guter Omega-3-FS-Versorgung und einer Verzögerung biologischer Alterungsprozesse. Neben den Omega-3-FS haben sich in einer Reihe kleiner Studien auch die gute Vitamin D3-Versorgung und regelmäßige körperliche Aktivität als vermeintliche Bremspedale der biologischen Alterung gezeigt. Eine von Prof. Heike Bischoff-Ferrari, Lehrstuhlinhaberin für Geriatrie und Altersforschung an der Universität Zürich, geleitete Forschungskooperation hat kürzlich post hoc epigenetische Daten des „DO-HEALTH“, (VitaminD3-Omega3-Home Exercise- HeALTHy Ageing and Longevity Trial) unter dem Aspekt der biologischen Alterung analysiert.
Diese zwischen 2012 und 2017 durchgeführte klinische, randomisiert kontrollierte Multicenter-Studie hat die Einzel- und additiven Wirkungen von drei Interventionen auf verschiedene, im höheren Alter progrediente Gesundheitsdefizite an knapp 2.200 gesunden Ü70-Senioren aus fünf europäischen Ländern (CH, D, A, F, P) untersucht.
Das DO-HEALTH-Projekt wurde zur Prüfung der Hypothese initiiert, dass typische altersbedingte Defizite im Herz-Kreislauf- und Immunsystem, am Bewegungsapparat sowie im kognitiven Bereich durch Aufnahme von Vitamin-D3, Omega-3-FS and ein regelmäßiges Muskeltraining sowohl einzeln als auch in Kombination reduziert werden können. Eine Reihe älterer Tier- und Kohortenstudien sowie nur kleiner klinischer Studien hatte für jede dieser Maßnahmen Hinweise auf eine präventive Wirkung gegen alterstypische chronische Krankheiten geliefert, die durch DO-HEALTH mit einem großen klinischen Datenpool unterfüttert werden sollten.
Sechs primäre Marker (systolischer und diastolischer Blutdruck, nicht-vertebrale Frakturen, Short Physical Performance Battery-Score, Montreal Cognitive Assessment und Infektionsrisiko) sowie eine Reihe sekundärer Alterungsparameter (z. B. Sturzhäufigkeit, sturzbedingte Verletzungen, Gelenkbeschwerden, Gebrechlichkeit, Mund-/Zahngesundheit, empfundene Lebensqualität) dienten als Bewertungsparameter für den biologischen Alterungsprozess.
Die Interventionen waren:
Zu den wichtigen Einschlusskriterien zählten ein Alter >70 Jahre, aktuelle Gesundheit und keine schwere Erkrankung während der vergangenen fünf Jahre, körperliche Mobilität, keine schwere kognitive Beeinträchtigung (Mini-Mental-Status-Test > 24), keine Omega-3-FS-, Vitamin-D- oder andere relevante Supplementierung während der vorausgegangenen drei Monate. Die Interventionsdauer betrug 3 Jahre, wobei die Messung der Testparameter in 1-Jahresintervallen (vor Studienbeginn sowie nach 12, 24 und 36 Monaten) erfolgte. Die 2.157 Teilnehmer wurden auf acht Interventionsgruppen randomisiert. Die Interventionen erfolgten Placebo-kontrolliert in doppelter Verblindung. Vergleichskontrolle für das Krafttraining war ein standardisiertes Beweglichkeitsprogramm.
Die Auswertung der Messdaten von 1.900 die Studie finalisierenden Teilnehmern (mittleres Alter, 74,9 Jahre, 61,7 % Frauen), lieferte in der Gesamtschau weder für die Anwendung der Einzelmaßnahmen noch für deren Kombination statistisch signifikante Positiveffekte bezüglich der interessierenden Endpunkte. So lag die Differenz der mittleren systolischen Blutdruckwerte zwischen Probanden mit und ohne Vitamin-D3-Supplementierung wie auch mit und ohne Omega-3-FS-Gabe bei 0,8 mmHg (99 % CI -2,1 bis 0,5). Beim diastolischen Blutdruck zeigten die Supplementierungen noch weniger Wirkung (-0,5 mmHg, 99 % CI -1.2 - 0.2).
Hinsichtlich Sturzrate, Knochenstabilität, Knochenbruch- und Infektionsraten sowie kognitiver Leistung waren bezogen auf die Gesamtkohorte keine signifikanten Wirkungen bedeutenden Ausmaßes für die drei Interventionen – ob einzeln oder kombiniert appliziert – messbar. Lediglich in einigen Untergruppen wurden geringfügige Effekte oberhalb des Signifikanzniveaus – z. B. eine Reduzierung der Infektionsrate bei „jüngeren“ Teilnehmern (70–74 Jahre) oder eine Senkung des systolischen Blutdrucks (nur Männer) nach Vitamin-D-Gabe gemessen.
Diese Ergebnisse sind unter der Einschränkung zu beurteilen, dass alle Teilnehmer in einem vergleichsweise guten Gesundheits- und Mobilitätszustand ohne schwere Erkrankungen binnen der vergangenen Jahre waren, sodass über mögliche Wirkungen auf vorerkrankte, senile und oder gebrechliche Senioren keine Aussage getroffen werden kann.
So bescheiden die bisher vorgestellten DO-HEALTH-Ergebnisse sein mögen, so spannend mutet die neueste, epigenetische Analyse des Datenmaterials an. Die Epigenetik erforscht chemische und strukturellen Modifikationen der DNA und ihrer Verpackungsproteine (Histone), die genregulatorisch wirksam sind, das heißt, die Expressionsrate der entsprechenden Gene verändern. Die genetische Information selbst (die Abfolge der DNA-Bausteine) und damit die Genprodukte bleiben unverändert. Die am besten erforschte epigenetische DNA-/Histon-Modifikation sind Methylierungen.
Im Gegensatz zu den stabilen Genen sind Epigene (Methylierungsmuster) durch Lebensstil und Umwelteinflüsse veränderbar – und nach Stand der Forschung maßgeblich für phänotypische Unterschiede zwischen eineiigen Zwillingen mit identischer DNA-Sequenz verantwortlich. Dass Veränderungen der Methylierungsmuster auch präzise Aussage über das biologische Altern liefern, ist den bahnbrechenden Arbeiten des Alternsforschers Steve Horvath, seinerzeit Professor für Humangenetik und Biostatistik an der renommierten University of California, Los Angeles (UCLA), zu verdanken. Über Jahre hinweg analysierte er akribisch die alterstypischen Veränderungen an über 350 Methylierungsstellen in den Genomen verschiedener Gewebsarten, um daraus sein Modell der „epigenetischen Uhren“ zu entwickeln.
Epigenetische Uhren sind demnach zelltypspezifische Veränderungen im Methylierungsmuster, die sich mit zunehmendem Lebensalter in charakteristischer Weise verändern. Da das Methylierungsmuster bei jeder Zellteilung an die Tochterzellen weitergeben wird, tragen auch in sehr zellteilungsaktiven Geweben die frischen Tochterzellen die gealterten Methylierungsmuster der Vorgeneration, an denen sich folglich das biologische Lebensalter ablesen lässt. Ein von Horvath entwickelter, mittlerweile auf verschiedene Bereiche im Human-Epigenom diversifizierter Algorithmus erlaubt es heute, über einen Satz bekannter Methylierungsmuster (die epigenetischen Uhren) biologische Alterungsprozesse auf wenige Monate genau zu bestimmen. Das haben die DO-HEALTH-Wissenschaftler nun mit Blick auf mögliche Effekte der Vitamin-D, Omega-3-FS- und sportlichen Interventionen auf die Methylierungen im Bereich epigenetischer Uhren getan.
Seit Abschluss der Interventionen 2017 gab es mehrere, auf unterschiedliche Endpunkte fokussierte Post-Hoc-Analysen der DO-HEALTH-Daten. In der jüngsten, im Februar 2025 in Nature Aging publizierten Arbeit (hier) haben die DO-HEALTH-Forscher nach Veränderungen von vier epigenetischen Uhren (PhenoAge, GrimAge, GrimAge2, DunedinPACE) bei 777 ihrer Probanden (59 % weiblich) in Abhängigkeit von den drei Interventionen gesucht. Das Durchschnittsalter zu Studienbeginn lag bei 75 Jahren, knapp ein Drittel wies einen Vitamin D-Spiegel (25-Hydroxyvitamin-D-Serumkonzentration) unterhalb des Referenzwertes von 20 ng/ml auf; 88 % waren regelmäßig körperlich aktiv (29 % 1–3x/Woche, 59 % > 3x/Woche).
Die Analyse der Methylierungsmuster erfolgte an extrahierter DNA aus Blutproben, die zu Studienbeginn sowie am Ende der dreijährigen Nachbeobachtungsdauer genommen und in einer Biobank aufbewahrt wurden. Aus dem Vergleich der Musterveränderungen von Interventions- und Placebo-/Kontrollgruppe errechnete der jeweilige Algorithmus (die betreffende epigenetische Uhr) die biologische Alterung für beide Gruppen.
Das Ergebnis: Bezüglich der Einzel-Applikationen zeigte einzig die Omega-3-FS-Einnahme einen kleinen, das biologische Altern verzögernden Effekt. Vitamin D-Supplementierung wie auch Muskeltraining verstellten die gemessenen epigenetischen Uhren bei alleiniger Anwendung nicht, zeigten aber in Kombination mit der Omega-3-FS-Gabe eine geringfügige additive Wirkung. Numerisch errechneten die Algorithmen über den dreijährigen Interventionszeitraum eine zwischen 2,9 und 3,8 Monaten verzögerte biologische Alterung gegenüber den Kontrollgruppen.
PhenoAge: Methylierungsmuster von DNA-Bereichen, die mit Blutdruck, Blutfetten, Blutzucker und einer Reihe chronischer Krankheiten in Verbindung stehen. Biologische Altersbestimmung beruht vor allem auf Risikoabschätzung für kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen.
GrimAge: Methylierungsmuster von DNA-Regionen, die mit Blutdruck, Cholesterin, Blutglukose, und Körpergewicht assoziiert sind sowie gesundheitsrelevante Proteine wie Leptin, Cystatin C und CRP codieren. GrimAge wird schwerpunktmäßig zur Bestimmung von Mortalitätsrisiken und Restlebenserwartung eingesetzt.
GrimAge2: Um zusätzliche epigenetische Marker erweiterte Nachfolgeversion von GrimAge mit dem Ziel einer präziseren biologischen Altersbestimmung und Taxierung der Restlebenszeit.
DunedinPACE: Verbindung von DNA-Methylierungsmustern mit klinischen Gesundheitsdaten, um neben dem punktuellen biologischen Alter auch die Geschwindigkeit des Alterungsprozesses zu bestimmen.
Dass der als „Jungbrunnen“ gepriesene Sport im epigenetischen Uhrentest sein das Altern verzögerndes Image nicht bestätigen konnte, mag überraschen. Studiendesign und Probandenauswahl liefern dafür aber Erklärungspotenzial: Von einem standardisierten, auch von leistungsschwächeren Teilnehmern durchführbaren Muskelkräftigungsprogramm, das keine kardioprotektiven Elemente zur Verbesserung der aeroben Ausdauer umfasst, sind kaum Wunder zu erwarten.
Auch die Do-HEALTH-Teilnahmevoraussetzung eines vergleichsweise guten Gesundheits- und Mobilitätszustands muss die Erwartung an biologische „Verjüngungseffekte“ herunterschrauben, zumal im Ü70-Alter Trainingsreize, die verschiedene Energiebereitstellungswege involvieren, nicht mehr so effektiv umgesetzt werden können wie in jungen Jahren. Von einem bereits guten auf ein sehr gutes Fitnesslevel aufzusteigen, ist da schwierig.
Ein „Verjüngungseffekt“ von drei bis vier Monaten auf drei Jahre klingt durchaus attraktiv. Obgleich aufgrund des Probandenalters von durchweg über 70 Jahren eine Hochrechnung auf die gesamte Lebensdauer jeglicher Grundlage entbehrt, taucht vor dem geistigen Auge des rechnenden Studienlesers fast automatisch über eine Gesamtlebenszeit von 80 Jahren eine Verzögerung des biologischen Alterns um 7 bis 8 Jahre auf. Wie gesagt ist das aufgrund der völlig ungewissen Wirkungen der Interventionen auf die epigenetischen Uhren jüngerer Altersgruppen ein reines Hirngespinst. Aber selbst wenn man nur die Dekade zwischen 70 und 80 ins Kalkül zieht, wäre ein Gewinn an Jugendlichkeit um etwa 10 bis 13 Monate eine lohnende Aussicht.
Doch bei allem Optimismus ist die Belastbarkeit der Studienergebnisse aufgrund des eng gefassten Designs gering. Die Beschränkung auf eine überdurchschnittlich fitte, zu 88 % regelmäßig körperlich aktive und in der Vorgeschichte nicht durch schwere Erkrankungen belastete Alterskohorte lässt auch nur Aussagen für genau diese Konstellation zu. Für den einzelnen Ü70-Senior sind die errechneten Werte einer durchschnittlichen Altersverzögerung kaum von Belang.
Auch wenn wichtige Kovariablen durch die Randomisierung gleichmäßig verteilt wurden, dürften epigenetisch wirkungsstarke Lebensumstände der Einzelperson (z. B. Raucherstaus, Alkohol, Sozioökonomie) die individuelle biologische Alterung so stark beeinflussen, dass die als Durchschnittswerte für eine knapp 800 Personen starke Kohorte ermittelten epigenetische Wirkungen/Nicht-Wirkungen für die Einzelperson kaum Aussagekraft besitzen. Nichtsdestotrotz liefert die Arbeit einen weiteren Hinweis auf die Bedeutung lebensstilabhängiger epigenetischer Einflüsse auf das eigene Wohlergehen.
Die randomisierte DO-HEALTH-Studie (2.157 gesunde ≥ 70-Jährige, 3-Jahre-Intervention) testete täglich 1 g Ω-3-Fettsäuren (EPA : DHA = 1 : 2), 2.000 IU Vitamin D-3 und/oder dreimal wöchentlich Krafttraining auf klinische Alterungsmarker.
Klinisch blieben alle drei Maßnahmen – einzeln wie kombiniert – ohne statistisch signifikante Wirkung auf Blutdruck, Sturz-/Frakturrisiko, Infektionen, kognitive Leistung u. a. Endpunkte.
Eine nachträgliche Analyse von vier epigenetischen „Uhren“ (PhenoAge, GrimAge, GrimAge2, DunedinPACE) bei 777 Teilnehmern ergab: Nur die Ω-3-Gabe verzögerte das biologische Altern geringfügig (≈ 3–4 Monate über 3 Jahre); Vitamin D-3 und Training zeigten allein keinen Effekt, kombinierten sich aber additiv mit Ω-3.
Die Effekte traten in einer überdurchschnittlich fitten, größtenteils bereits körperlich aktiven Kohorte auf; Übertragbarkeit auf jüngere, krankere oder weniger aktive Gruppen ist ungewiss.
Bildquelle: Morgan Housel, Unsplash