Was wie eine kuriose Marotte klingt, ist für Betroffene mit massiven Beschwerden verbunden: Menschen mit No-Burp-Syndrom können nicht rülpsen. Sie leiden unter Schmerzen, Völlegefühl und Atemnot. Was tun?
Die retrograde krikopharyngealen Dysfunktion (R-CPD), umgangssprachlich No-Burp-Syndrom, ist eine seltene, aber belastende Störung, bei der Betroffene nicht in der Lage sind, aufzustoßen. Der Grund: Ein kleiner Muskel am oberen Ende der Speiseröhre – der Musculus cricopharyngeus – versagt in einer entscheidenden Funktion. Er öffnet sich zwar beim Schlucken von Nahrung oder Flüssigkeit, bleibt jedoch bei aufgestauter Luft verschlossen. Die Folgen sind extrem belastend, wie ein Fallbericht zeigt.
Bei Patienten mit R-CPD finden Ärzte häufig eine erweiterte Speiseröhre, die durch eingeschlossene Luft verursacht wird. © SimoneBerismenil/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Ein 22-jähriger Mann verspürt bereits nach kleinen Mahlzeiten ein starkes Völlegefühl. Begleitet wird dies von gurgelnden Geräuschen hinter dem Brustbein und von starkem Meteorismus. Seinen Ärzten berichtet er, nicht aufstoßen zu können. Besonders nach dem Trinken kohlensäurehaltiger Getränke verschlimmern sich die Beschwerden.
Weitere Symptome wie Schluckstörungen, Atemnot, Stimmveränderungen oder Magen-Darm-Vorerkrankungen bestehen nicht. Auch frühere ärztliche Untersuchungen, darunter eine HNO-Diagnostik, eine Magenspiegelung und diverse Laborwerte zeigten nichts Auffälliges.
Der Patient befindet sich generell in einem guten Allgemeinzustand. Bei der HNO-ärztlichen Untersuchung zeigen sich keine Auffälligkeiten. Pharynx und Larynx wirken reizlos, die Stimmlippen bewegen sich symmetrisch und vollständig. Hinweise auf eine mechanische Ursache der Beschwerden finden seine Ärzte nicht.
Trotz dieser unauffälligen Befunde lässt die Anamnese auf eine retrograde Dysfunktion des Musculus cricopharyngeus (R-CPD) schließen. Zur Sicherung der Diagnose entscheiden sich die Ärzte für eine Ösophagusmanometrie. Während sich beim Trinken von stillem Wasser normale Druckverhältnisse im Ösophagus zeigen, kommt es nach dem raschen Konsum von 600 ml kohlensäurehaltigem Wasser zu einem ausgeprägten Völlegefühl, das der Patient nicht durch Aufstoßen lindern kann. Die Manometrie zeigt eine spastische Anspannung des Musculus cricopharyngeus ohne Relaxation – ein charakteristisches Zeichen für eine R-CPD.
Seine Ärzte behandeln den Mann mit einer Botulinumtoxin-Injektion in den Musculus cricopharyngeus im Zuge einer Mikrolaryngoskopie. Die Prozedur verläuft komplikationslos.
Schon einen Monat später berichtet der Patient, erstmals in seinem Leben aufstoßen zu können. Auch das Völlegefühl nach Mahlzeiten und die retrosternalen gurgelnden Geräusche haben sich deutlich gebessert. Eine Kontroll-Manometrie sechs Wochen nach der Injektion zeigt, dass sich die Druckverhältnisse im oberen Ösophagus normalisiert haben.
Zum Hintergrund: Beim normalen Schluckvorgang öffnet sich der Musculus cricopharyngeus kurz, damit Nahrung und Flüssigkeit ungehindert in die Speiseröhre gelangen. Wir nehmen aber auch Luft bzw. Gase auf, besonders bei kohlensäurehaltigen Getränken – normalerweise gelangen diese durch Aufstoßen wieder nach außen. Bei Menschen mit R-CPD funktioniert dieser Mechanismus nicht richtig. Luft kann nicht entweichen, staut sich im Magen, in der Speiseröhre und mitunter auch im Darm.
Das führt zu Symptomen wie einem Blähbauch, Druck oder Schmerzen im Oberbauch, Brust- und Halsbereich, übermäßigen Flatulenzen und Gurgelgeräuschen. Viele Betroffene berichten zudem über Übelkeit oder Angst vor dem Erbrechen (Emetophobie). Die Beschwerden treten meist täglich auf. Sie können auch zu sozialer Isolation führen; Menschen schämen sich aufgrund der seltsam anmutenden Geräusche und ziehen sich zurück.
Die Diagnostik beginnt mit einer ausführlichen Anamnese, ergänzt durch eine körperliche Untersuchung und ggf. eine flexible transnasale Larnygoskopie. Zur Absicherung der Diagnose und zugleich als Therapieansatz dient eine Testinjektion mit Botulinumtoxin (Botox) in den Musculus cricopharyngeus. Gelingt es Patienten nach der Injektion, aufzustoßen, gilt die Diagnose als bestätigt.
Als Standardtherapie bei R-CPD empfehlen Ärzte die bereits erwähnte gezielte Injektion von Botulinumtoxin in den betroffenen Muskel. Der Eingriff kann auf zwei Wegen erfolgen: in kurzer Vollnarkose mittels Ösophagoskopie oder im Wachzustand transkutan unter Kontrolle durch eine Elektromyographie (EMG).
In vielen Fällen reicht bereits eine Injektion aus, um die übermäßige Muskelspannung zu lösen. Die Beschwerden bessern sich oft innerhalb weniger Tage. Falls die Behandlung mit Botox keinen ausreichenden Erfolg bringt, besteht die Möglichkeit einer partiellen Myotomie. Dabei wird der cricopharyngeale Muskel minimalinvasiv durchtrennt – in der Regel endoskopisch. Ziel ist, eine dauerhafte Entspannung des Muskels zu erreichen.
Nach einer Botox-Injektion können vorübergehend Nebenwirkungen wie ein Kloßgefühl im Hals, ein Hängenbleiben von Speisen oder gelegentlicher Reflux auftreten. Diese Symptome klingen meist nach wenigen Tagen oder Wochen wieder ab. Auch bei einer Operation sind Risiken wie Infektionen, Verletzungen der Speiseröhre oder eine Schädigung der Stimmbandnerven möglich, treten jedoch selten auf.
Die Behandlung verläuft in den meisten Fällen erfolgreich. Studien zeigen: Mehr als 99 % der Betroffenen können nach einer Botox-Injektion erstmals aufstoßen. Bei 95 % kommt es zu einer spürbaren und anhaltenden Besserung der Beschwerden.
Obwohl die Wirkung rein pharmakologisch nur etwa drei Monate anhält, zeigt sich in der Praxis oft ein deutlich längerer Effekt. Die Gründe sind unklar. Viele Patienten profitieren sechs bis zwölf Monate oder sogar dauerhaft von der einmaligen Behandlung. In rund 80 % der Fälle bleibt der positive Effekt langfristig bestehen – ganz ohne weiteren Eingriff. Nur bei wenigen Patienten ist eine erneute Therapie erforderlich.
Das Wichtigste auf einen Blick
Daniel Runggaldier et al.: Hilfe, ich kann nicht rülpsen: Falldarstellung und Kurzübersicht zur retrograden krikopharyngealen Dysfunktion. HNO, 2023. doi: 10.1007/s00106-023-01383-x
Raj Malhotra et al: Diagnosis and Management of Retrograde Cricopharyngeal Dysfunction: A Systematic Review. OTO Open, 2024. doi: 10.1002/oto2.70014
Markus Hess et al.: HNO-Nachrichten 1/2025: Retrograde cricopharyngeale Dysfunktion. Das „No-Burp“-Syndrom und seine Therapiemöglichkeiten, online
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