Umfragen zufolge sind Menschen mit konservativen Werten glücklicher als Liberale. Jetzt zeigt sich: Es kommt darauf an, wie man fragt. Gibt es die vermeintliche Happiness-Gap überhaupt?
Wer sich mit politischer Ideologie und psychischem Wohlbefinden beschäftigt, stößt auf ein altbekanntes Muster: Konservative in den USA berichten in Umfragen regelmäßig von besserer psychischer Gesundheit als Liberale. Doch eine aktuelle Studie von Brian F. Schaffner und seinem Team von der Tufts University zeigt, dass dieses Bild mehr mit der Formulierung der Frage als mit der Wirklichkeit zu tun haben könnte.
Die Forscher analysierten Daten von zwei Erhebungszeitpunkten der „Cooperative Election Study“ mit insgesamt über 60.000 Teilnehmern. In der ersten Erhebung 2022 gaben Konservative an, sich mental deutlich gesünder zu fühlen als Liberale – ein Unterschied von durchschnittlich 19 Prozent-Punkten. Doch schon nach Adjustierung auf demografische Faktoren wie Alter, Ehestatus oder Kirchenbindung schrumpfte dieser Vorsprung um 40 %.
In einer experimentellen Zusatzbefragung 2023 zeigte sich dann der entscheidende Clou: Wurden die Teilnehmer statt nach ihrer „mentalen Gesundheit“ nach ihrer „Stimmung“ gefragt, verschwand der Unterschied vollständig. Nur noch 49 % der Konservativen bewerteten ihre Stimmung als „sehr gut“ – verglichen mit 64 % in der ersten Erhebung. Bei Liberalen hingegen sank der Anteil schlechter Bewertungen, sobald es um Stimmung statt um mentale Gesundheit ging.
Die Interpretation der Forscher: Konservative könnten aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierung Begriffe wie „mentale Gesundheit“ anders bewerten – möglicherweise als Schwäche oder Defizit. Liberale hingegen gehen womöglich bewusster und offener mit psychischen Problemen um und berichten entsprechend kritischer über sich selbst. Die Autoren bringen es auf den Punkt: Ob Konservative tatsächlich glücklicher sind als Liberale, hängt offenbar stark davon ab, wie man danach fragt. Der vermeintliche ideologische Glücksvorsprung ist damit vor allem eines – ein rhetorischer Effekt.
Bildquelle: Madison Oren, Unsplash