Die Therapieoptionen für Patienten mit chronischer inflammatorischer demyelinisierender Polyradikuloneuropathie sind begrenzt. Ist ein Wirkstoff aus der Myasthenie-Behandlung die Lösung?
Die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP) ist eine immunvermittelte Erkrankung des peripheren Nervensystems, die durch schubweise oder progrediente Verläufe mit motorischen und sensiblen Ausfällen einhergeht. Trotz etablierter Behandlungsoptionen wie intravenösen oder subkutanen Immunglobulinen, Kortikosteroiden und Plasmapherese sprechen viele Patienten nur unzureichend auf die Therapie an.
Ein Drittel zeigt überhaupt keine klinisch relevante Verbesserung. Auch die Abhängigkeit von Blutprodukten, die logistische Belastung intravenöser Therapien sowie Sicherheits- und Verträglichkeitsprobleme unterstreichen den Bedarf an neuen Therapieansätzen. Umso bedeutender ist die jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Lancet Neurology publizierte ADHERE-Studie, die die Wirksamkeit von subkutanem Efgartigimod untersucht.
Mit Efgartigimod liegt nun erstmals ein gezielter Therapieansatz vor, der auf eine pathophysiologisch plausible Zielstruktur abzielt: den neonatalen Fc-Rezeptor (FcRn). Durch Blockade dieses Rezeptors wird die Rezirkulation von IgG verhindert und der Abbau endogener IgG-Antikörper, potenziell auch pathogener Subtypen, beschleunigt. Anders als klassische Immunsuppressiva beeinflusst Efgartigimod nicht die IgG-Produktion. Dieses Wirkprinzip wird bereits bei der Myasthenie erfolgreich eingesetzt.
Die internationale Phase-II-Studie ADHERE untersuchte die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit von subkutanem Efgartigimod in einem zweiarmigen Studiendesign. In der offenen Phase A erhielten 322 Teilnehmende mit diagnostisch gesicherter CIDP wöchentlich 1000 mg Efgartigimod. Bei 66 Prozent konnte eine klinisch relevante Besserung der Symptomatik nachgewiesen werden. Diese Responder wurden in der doppelblinden Phase B randomisiert entweder weiterhin mit Efgartigimod oder mit Placebo behandelt. Der primäre Endpunkt in Phase B war die Zeit bis zur ersten klinischen Verschlechterung, gemessen anhand des aINCAT-Scores.
Unter Efgartigimod trat bei nur 28 Prozent eine klinische Verschlechterung auf, im Vergleich zu 54 Prozent unter Placebo. Die Hazard Ratio betrug 0,39 (95 % CI 0,25 bis 0,61; p < 0,0001). Auch bei sekundären Endpunkten wie Kraft, Funktion und Lebensqualität schnitt Efgartigimod durchweg besser ab. Die Wirkung trat dabei rasch ein. Bei 25 Prozent der Teilnehmenden zeigte sich eine klinisch relevante Verbesserung bereits nach zwei Wochen, bei 50 Prozent nach vier Wochen.
Die Verträglichkeit war insgesamt gut; unerwünschte Ereignisse traten mit vergleichbarer Häufigkeit in beiden Studienarmen auf. Infektionen und Reaktionen an der Injektionsstelle waren meist mild bis moderat. Schwere therapieassoziierte Nebenwirkungen waren selten. Die subkutane Applikationsform des Medikaments erlaubt eine einfache Durchführung in der Praxis oder sogar im häuslichen Umfeld. Dies könnte die Therapielast, die oftmals mit regelmäßigen Krankenhausaufenthalten verbunden ist, deutlich senken.
Der Wirkmechanismus von Efgartigimod liefert zudem einen indirekten Beleg für die pathogenetische Relevanz von IgG-Antikörpern bei CIDP – auch wenn bislang keine spezifischen Autoantikörper identifiziert werden konnten. Dass das Prinzip der FcRn-Inhibitoren bei CIDP zu überzeugen vermag, wird durch parallel laufende Studien mit ähnlichen Präparaten unterstrichen. Die ARISE-Studie untersucht etwa die Wirksamkeit des FcRn-Antikörpers Nipocalimab bei CIDP-Patienten.
Efgartigimod ist eine vielversprechende Ergänzung des therapeutischen Arsenals bei CIDP. Die Ergebnisse der ADHERE-Studie zeigen erstmals, dass eine gezielte IgG-Reduktion durch FcRn-Blockade wirksam, gut verträglich und praktikabel in der Anwendung ist. Jedoch profitierten nicht alle CIDP-Patienten von der Therapie – weitere Studien zur Langzeitanwendung und zum Vergleich mit Standardtherapien sind erforderlich. Insbesondere wird sich zeigen, welche Gruppen von CIDP-Patienten von dem Medikament profitieren können.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash