Wissenschaftlern gelang es nun, die zirkadiane Uhr von Mäusen so zu kontrollieren, dass die Tiere sich schneller an andere Zeitzonen gewöhnen. Die Forscher zeigten, dass das alternative Spleißen eines bestimmten Gens die Anpassung der Versuchstiere an andere Zeitzonen kontrolliert.
Alle Lebewesen folgen einem inneren Rhythmus, der grundlegende Funktionen steuert. Der Stoffwechsel etwa sowie die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, aber auch die Aktivität des Immunsystems unterliegen zyklischen Schwankungen. Dieser Rhythmus wird durch äußere Einflüsse gesteuert – beim Menschen hauptsächlich durch Licht. Von einer zentralen Uhr, die sich in einem kleinen Bereich des Gehirns, dem suprachiasmatischen Nucleus, befindet, werden verschiedene Körperfunktionen synchronisiert. Die zirkadiane Uhr stellt sich auf plötzliche Veränderungen im Hell-Dunkel-Rhythmus nur langsam ein, was der Grund für den Jetlag nach Reisen durch Zeitzonen ist. Biochemieprofessor Florian Heyd von der Freien Universität Berlin und Mitglieder seiner Arbeitsgruppe konnten nun einen neuen Taktgeber für die innere Uhr beschreiben: Die Anpassung an eine geänderte Zeitzone wird durch alternatives Spleißen des U2AF26-Gens kontrolliert. Dieser Mechanismus macht sich zunutze, dass die proteinkodierenden Abschnitte (‚Exons’) eines Gens in unserer DNA nicht in einem zusammenhängenden Stück vorliegen, sondern erst nach der Transkription in einem Weiterverarbeitungsprozess zusammengefügt („gespleißt“) werden. Zellen können auf Umwelteinflüsse reagieren, indem bestimmte Exons alternativ gespleißt werden. Das bedeutet beispielsweise, dass diese Exons nicht mehr in die mRNA aufgenommen werden. Genau das passiert mit dem U2AF26-Gen in Mäusen unter Jetlag-Bedingungen: Durch das alternative Spleißen von zwei Exons nach der Veränderung der Lichtverhältnisse wird die Taktfolge der mRNA verändert und so ein verändertes Protein gebildet. Dieses Protein reguliert dann direkt die zirkadiane Uhr und die Umstellung auf eine neue Zeitzone.
Sowohl der Mechanismus – die Bildung eines neuen Proteins durch eine geänderte Taktfolge in der mRNA – als auch das Ergebnis – die Kontrolle des zirkadianen Rhythmus‘ durch alternatives Spleißen in einem Säugetier – sind Entdeckungen, die nun als Basis für weitere Arbeiten dienen. Beispielsweise kann eine Störung des zirkadianen Rhythmus zur Ausbildung verschiedener Krankheiten wie Stoffwechselstörungen und Krebs führen. „Wir möchten jetzt untersuchen, ob alternatives Spleißen des U2AF26-Gens beim Menschen in diese Vorgänge involviert ist und so zu einem besseren molekularen Verständnis dieser Krankheiten beitragen“, sagt Heyd. „Außerdem suchen wir nach weiteren Genen, die durch einen ähnlichen Mechanismus reguliert werden und auf diese Weise andere zelluläre Funktionen kontrollieren.“ Originalpublikation: Rhythmic U2af26 Alternative Splicing Controls PERIOD1 Stability and the Circadian Clock in Mice Florian Heyd et al., Molecular Cell, doi: 10.1016/j.molcel.2014.04.015; 2014