Interkontinentalflüge, Kreuzfahrten und allgemeine Reiselust: Eine Parasitose ist auch in Deutschland keine Seltenheit mehr, wie diese zwei Fälle zeigen. Hättet ihr die richtigen Schlüsse gezogen?
Ein älterer Mann mit chronischer Lungenerkrankung und Langzeit-Kortikosteroidtherapie landet mit Fieber, schwerem Durchfall und Atemnot im Krankenhaus. Die Ärzte stellen schnell fest, dass er eine polymikrobielle Sepsis entwickelt hat und veranlassen eine Stuhluntersuchung.
Ein Mann mittleren Alters aus Mittelamerika stellt sich mit einer seit 2 Monaten persistierenden Übelkeit in Verbindung mit Gewichtsverlust, Oberbauchschmerzen, sowie einem Wechsel zwischen Durchfall und Obstipation vor. Bei der Anamnese erfragen die Ärzte eine bestehende HIV-Infektion im fortgeschrittenen Stadium sowie ein diffuses B-Zelllymphom im Stadium IV. Die klinische Untersuchung ergibt eine Kachexie mit eingefallenem Gesicht und eine epigastrische Druckempfindlichkeit ohne Rebound. Zur weiteren differentialdiagnostischen Abklärung werden Laboruntersuchungen und eine Ösophagogastroduodenoskopie veranlasst.
Was haben diese beiden Fälle gemeinsam? Zunächst sicher eine gastrointestinale Symptomatik, die auch in deutschen Notaufnahmen und in hausärztlichen Wartezimmern keine Seltenheit darstellt. Einige Besonderheiten lassen den belesenen Kollegen aber schnell an eine Infektion mit Parasiten denken: höheres Alter, chronische Erkrankungen, Immunsuppression und Herkunft aus Mittelamerika.
Und in der Tat: Beide Patienten leiden an einer Parasitose, einer Strongyloidiasis-Hyperinfektion durch den Erreger Strongyloides stercoralis. Obgleich diese – teils lebensgefährliche – Komplikation relativ selten ist, sind von einer Strongyloidiasis schätzungsweise 30 bis zu 100 Millionen Menschen betroffen. Bislang bekannte Hauptrisikogebiete sind die Tropen, Subtropen sowie ländliche Gebiete im Süden der USA.
Auf symptomatischer Ebene werden neben Bauchschmerzen, Durchfall und Hautausschlägen auch pulmonale Symptome wie Husten und Keuchen berichtet. In schweren Fällen kann es – wie im ersten Fallbeispiel – zu einer polymikrobiellen Bakteriämie und Meningitis kommen.
Die wichtigsten Risikofaktoren für besonders schwere Verläufe umfassen Immunsuppression, Organtransplantation, Infektionen mit dem humanen T-lymphotropen Virus 1 (HTLV-1), Kontakt mit kontaminiertem Boden durch Barfußlaufen und chronische Infektionen durch Autoinfektionen, da sich Strongyloides stercoralis im menschlichen Körper selbst vermehren kann.
Der Nachweis des Erregers erfolgt in der Regel durch einen Nachweis der Larven im Stuhl, dem Dünndarminhalt oder gelegentlich auch im Sputum. Darüber hinaus können Antikörpertests im Blut oder endoskopische Untersuchungen mit Biopsie zur richtigen Diagnose beitragen. Einmal diagnostiziert, ist die Behandlung denkbar einfach. Neben einer Therapie auf symptomatischer Ebene erfolgt diese mit den Wirkstoffen Ivermectin oder Albendazol zur Parasiteneliminierung.
So konnte beispielsweise im obigen zweiten Fall eine sofortige Therapie mit Ivermectin in der Dosierung von 200 μg/kg über 2 Wochen sowohl zu einer deutlichen Verbesserung der klinischen Symptomatik als auch zur Elimination der Parasiten in Bezug auf die Stuhlprobe führen. Und auch der ältere Lungenpatient erhielt eine hochdosierte Ivermectin-Therapie, woraufhin sich sein Zustand langsam besserte.
Obgleich die Hyperinfektion bei frühzeitiger Diagnose erfolgreich behandelt werden kann, sind folgende Spätschäden keine Seltenheit: chronische Infektionen, Organversagen, Sepsis, neurologische Komplikationen, ein Malabsorptionssyndrom und Tod. Die Prognose hängt also stark von einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung ab.
Auch wenn Fälle dieser Parasitose nicht so häufig sind wie ein Diabetes oder eine Corona-Infektion, sollte man diese – je nach Fall und Risikofaktoren – im Hinterkopf behalten. Daneben bleiben auch bis heute noch viele Forschungsfragen offen. So könnten sich zukünftige Studien zum Beispiel auf eine Verbesserung der diagnostischen Testverfahren, auf exaktere Daten zur Inzidenz und Prävalenz sowie auf Maßnahmen gegen Resistenzentwicklung konzentrieren.
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