Neue Erkenntnisse zum Vorhofohrverschluss wecken Hoffnungen – Schlaganfälle werden verhindert, das Blutungsrisiko ist geringer als bei Gerinnungshemmern. Wird daraus eine echte Alternative zur lebenslangen Blutverdünnung?
Vorhofflimmern ist eine Volkskrankheit, die vor allem ältere Menschen betrifft. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu: Etwa 15 % der über 80-Jährigen sind betroffen. Häufig verursacht Vorhofflimmern Symptome wie Herzrasen oder Schwindel. Dies führt dazu, dass Betroffene einen Arzt aufsuchen und behandelt werden. Ebenso häufig wird das Vorhofflimmern von den Betroffenen jedoch gar nicht bemerkt.
Das Gefährliche daran ist, dass auch dann ein deutlich erhöhtes Embolie- und damit Schlaganfallrisiko besteht. Durch das Vorhofflimmern laufen die Herzkontraktionen der Vorhöfe unkoordiniert ab – der Blutfluss wird gestört. Die veränderten Fließeigenschaften des Blutes können zur Bildung von Blutgerinnseln führen. Diese Blutgerinnsel wiederum können in die Hirnarterien geschwemmt werden und dort einen Schlaganfall auslösen.
Der Lösungsansatz für dieses erhöhte Schlaganfallrisiko ist in der Regel eine Antikoagulation. Früher wurden meist Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon eingesetzt, heute kommen direkte orale Antikoagulantien wie Apixaban oder Rivaroxaban zum Einsatz. Diese Medikamente hemmen die Blutgerinnung, wodurch die Gefahr der Gerinnselbildung im Vorhof des Herzens sinkt und das Schlaganfallrisiko verringert wird. Problematisch ist, dass die Blutgerinnung im ganzen Körper gehemmt wird – mit dem Risiko lebensbedrohlicher Blutungen. Dieses Blutungsrisiko ist bei direkten oralen Antikoagulanzien zwar geringer als bei Vitamin-K-Antagonisten, dennoch können schwere Blutungen, wie z. B. gastrointestinale oder Hirnblutungen, auftreten. Besonders riskant ist die Antikoagulation bei Personen mit stark erhöhtem Blutungsrisiko, z. B. bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes wie Ösophagusvarizen oder einer Ulkuskrankheit.
Eine 78-jährige Patientin kommt mit Schwindel in die Notaufnahme – die Diagnose: Vorhofflimmern. Ihr Problem: Sie hatte vor kurzem eine Magenblutung. Blutverdünner sind riskant – aber ohne sie steigt ihr Schlaganfallrisiko. In solchen Situationen hat man die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera: Mit Gerinnungshemmern steigt das Risiko einer lebensbedrohlichen Blutung. Ohne Gerinnungshemmung bleibt das Schlaganfallrisiko hoch – ebenfalls mit potenziell tödlichen Folgen.
Da der Ort der Blutgerinnselbildung bei Vorhofflimmern bekannt ist, kann eine gezielte lokale Behandlung die Lösung sein. 90 Prozent der durch Vorhofflimmern verursachten Blutgerinnsel entstehen im linken Vorhofohr. Hier staut sich das Blut bei unregelmäßiger Kontraktion besonders leicht: Die Blutgerinnung wird aktiviert und Gerinnsel können entstehen.
Durch einen Kathetereingriff kann das Vorhofohr verschlossen werden. Dabei wird ein Katheter über die Leistenvene bis zum Herzen vorgeschoben. Über diesen Katheter wird ein kleines Implantat – ein Schirmchen – in das Vorhofohr eingebracht. Da das Vorhofohr dann nicht mehr durchblutet wird, können sich dort auch keine Blutgerinnsel mehr bilden und das Schlaganfallrisiko wird entsprechend gesenkt. Das Verfahren gibt es schon länger, die entsprechenden Geräte sind in Europa seit Mitte der 2000er Jahre zugelassen. Inzwischen hat sich das Vorgehen etabliert – allerdings nur für eine eher kleine Untergruppe von Patienten mit Vorhofflimmern, bei denen Antikoagulanzien wegen eines erhöhten Blutungsrisikos kontraindiziert sind.
Die europäische Leitlinie zum Vorhofflimmern von 2024 und die deutsche S3-Leitlinie zum Vorhofflimmern von 2025 geben bezüglich des interventionellen Vorhofohrverschluss übereinstimmend folgende Empfehlung:
Als Begründung für diese eher schwach formulierte Empfehlung geben die Leitlinien an, dass nur wenige randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt wurden. Zudem wurde in diesen Studien der Vorhofohrverschluss mit Warfarin, einem Vitamin-K-Antagonisten, verglichen. Im Ergebnis zeigte sich zwar ein geringeres Blutungsrisiko als bei Warfarin, dafür eine etwas schlechtere Prävention thromboembolischer Ereignisse. Inzwischen haben sich aber direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) etabliert, die ein geringeres Blutungsrisiko als Phenprocoumon und Warfarin aufweisen. Derzeit laufen daher mehrere Studien zum Vergleich von Vorhofohrverschluss und DOAKs. Bislang ist die Datenlage aber noch nicht ausreichend, um den Vorhofohrverschluss für eine größere Patientengruppe zu empfehlen.
Eine Studie, die kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hat nun die Antokoagulation mittels DOAK mit einem Vorhofohrverschluss in einer besonderen Situation verglichen, nämlich in Kombination mit einer Katheterablation zur Behandlung von Vorhofflimmern. Bei der Katheterablation wird der elektrische Ursprung des Vorhofflimmerns ausgeschaltet. Dieser liegt meist in den Pulmonalvenen, die in den linken Vorhof münden. Durch einen Kathetereingriff werden in diesem Bereich kleine Verletzungen verursacht, die zu einer Narbenbildung führen. Diese Narben isolieren das betroffene Gewebe elektrisch (sogenannte Pulmonalvenenisolation). Die elektrischen Impulse, die für das Vorhofflimmern verantwortlich sind, können den Vorhof nicht mehr erreichen, die Entstehung von Vorhofflimmern wird verhindert.
Patienten, bei denen eine Katheterablation des Vorhofflimmerns durchgeführt wird, eignen sich für einen gleichzeitigen Vorhofohrverschluss, da dieser über den gleichen Zugang erfolgt. Ist der Katheter bereits über die Leistenvene in das Herz vorgeschoben, kann der Vorhofohrverschluss als zweiter Schritt neben der Katheterablation durchgeführt werden. Bisher wurde in den meisten Fällen auch nach einer Katheterablation eine dauerhafte Blutverdünnung empfohlen, da trotz der Behandlung ein Risiko für das Wiederauftreten von Vorhofflimmern besteht.
In der Studie wurde der Vorhofohrverschluss mit einer dauerhaften Antikoagulation verglichen. Eingeschlossen wurden 1.600 Patienten mit Vorhofflimmern, bei denen eine Katheterablation durchgeführt wurde. Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt nach der Katheterablation zusätzlich den Vorhofohrverschluss, die andere Gruppe wurde mit einer dauerhaften Antikoagulation behandelt.
Die Studienteilnehmer wurden 36 Monate lang beobachtet. Verglichen wurden zum einen die Rate an Blutungsereignissen und zum anderen die Rate an Todesfällen, Schlaganfällen und anderen Embolien. Bei der Blutungsrate war der Vorhofohrverschluss deutlich überlegen: Nach Vorhofohrverschluss traten bei 8,1 % Blutungen auf, in der Antikoagulations-Gruppe bei 18,1 %. Bei der Verhinderung von Schlaganfall, Embolie und Tod waren beide Gruppen gleichauf. Diese Ereignisse traten bei 5,3 % in der Vorhofohrverschluss-Gruppe und bei 5,8 % in der Antikoagulations-Gruppe auf, der Unterschied war nicht signifikant. Insgesamt war der Vorhofohrverschluss hinsichtlich der Reduktion des Embolierisikos der Antikoagulation nicht unterlegen, bei einem signifikant geringeren Blutungsrisiko.
Die Ergebnisse der Studie könnten den Patientenkreis erweitern, der für einen interventionellen Vorhofohrverschluss infrage kommt. In der S3-Leitlinie Vorhofflimmern werden sechs weitere laufende Studien genannt, die den Vorhofohrverschluss mit der Antikoagulation in verschiedenen Situationen vergleichen. Die aktuellen Ergebnisse geben dieser Behandlungsmethode neuen Auftrieb. Vielleicht entsteht hier eine ernsthafte Konkurrenz zu den DOAKs.
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie. S3-Leitlinie Vorhofflimmern. Abgerufen am 20.04.25
Van Gelder et al.: ESC Scientific Document Group. 2024 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J.,2024. doi: 10.1093/eurheartj/ehae176
Wazni OM et al.: OPTION Trial Investigators. Left Atrial Appendage Closure after Ablation for Atrial Fibrillation. N Engl J Med, 2025. doi: 10.1056/NEJMoa2408308
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