Mehr als eine Million Deutsche sind abhängig von Schlaf- und Beruhigungsmitteln, der eigene Ausstieg gelingt selten. Ein neues Modellprojekt zeigt: Patienten schafften mit Hilfe ihres Apothekers und Hausarztes den ambulanten Entzug innerhalb weniger Wochen.
„Vor allem Schlafmittel werden oft jahrelang eingenommen, ohne dass sich die Patienten der Risiken bewusst sind. Hier besteht Handlungsbedarf“, sagt Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. „Apotheker können in Kooperation mit Hausärzten den Patienten den Weg aus der Abhängigkeit ebnen und so die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern.“ Die Ergebnisse des Modellprojekts wurden in Berlin vorgestellt. Es nahmen Apotheker aus 46 wohnortnahen Apotheken und 63 Hausärzte teil. Insgesamt wurden 102 Patienten von Apothekern in Abstimmung mit dem jeweiligen Hausarzt beraten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 71 Jahren, Frauen waren in der Überzahl. Rund die Hälfte der Patienten (46 %) konnte nach Ablauf des Modellprojekts ganz auf Schlafmittel verzichten. Weitere 28 % konnten die Dosis verringern. Kiefer: „Das zeigt: Drei von vier teilnehmenden Patienten profitieren von der berufsgruppen-übergreifenden Intervention unmittelbar.“ Das Ergebnis sei zudem nachhaltig: Die meisten Patienten berichteten, nach drei Monaten keinen Rückfall erlitten zu haben oder es war ihnen gelungen, die Dosis noch weiter zu reduzieren. Verschiedene rezeptpflichtige Schlafmittel werden unter dem Fachbegriff „Benzodiazepine“ zusammengefasst. Diese sind bei bestimmungsgemäßer Anwendung wirksame und sichere Medikamente. Bei längerfristiger Anwendung kommt es zur Gewöhnung. Dadurch steigt das Risiko für unerwünschte Wirkungen, z. B. Stürzen aufgrund der muskelerschlaffenden Wirkung sowie der verminderten Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit. Das Modellprojekt „Ambulanter Entzug Benzodiazepin-abhängiger Patienten in Zusammenarbeit von Apotheker und Hausarzt“ wurde getragen von der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände.