Ein Schmerzpflaster verschwindet spurlos, eine Schwester verliert ihren Finger und Patienten erhalten statt Medikation nur Kochsalzlösung. Wer steckt hinter den mysteriösen Fällen?
Auf LinkedIn schildert eine Nutzerin ein Erlebnis aus dem Krankenhausalltag ihrer Tante: Ein Fentanyl-Pflaster fehlt plötzlich. Als die Angehörige das Pflegepersonal darüber informiert, will ihr zunächst niemand glauben. Erst nach mehrfacher Nachfrage reagiert das Team, dokumentiert den Vorfall und besorgt ein neues Pflaster.
Im Anschluss rieten ihr Pflegekräfte, künftig genau darauf zu achten, wer Zugang zum Zimmer hat. Für die Autorin des Posts wirkt diese Forderung recht weltfremd. Der Verdacht liegt nahe, dass das Pflaster nicht einfach abgefallen ist, sondern gezielt entfernt wurde, von wem auch immer. Tatsächlich haben einige DocCheck-User ähnliche Erfahrungen bei Opioiden und Benzodiazepinen gemacht.
So ist es bei einem Anästhesisten laut User-Kommentar zu schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten gekommen. Er soll Infusionen vorzeitig gestoppt und die verbliebenen Restmengen aus Infusionsbeuteln für den Eigenbedarf aufgezogen haben – mutmaßlich zur Selbstmedikation. Der Vorfall flog auf, als ihn ein Kollege dabei beobachtete. Einen weiteren Anästhesisten fanden Mitarbeiter schlafend in der Personalumkleide – noch mit aufgezogener Propofolspritze in der Vene.
Kein Einzelfall: „Wir hatten eine Anästhesie-Schwester, die leider Opiat-abhängig wurde aufgrund von Schmerzen“, schreibt ein anderer DocCheck-User. Letztlich simulierte sie Schmerzen so überzeugend, dass ein Finger unter Plexusanästhesie amputiert wurde. Auch in diesem Zusammenhang verlangte sie Höchstdosen des Schmerzmittels Piritramid. Nachdem die Kollegin wieder im Dienst war, kam es zu einem gravierenden Vorfall: Bei Narkosen tauschte sie Fentanyl gegen Kochsalzlösung aus. Ihr Vergehen fiel auf, als eine vermeintliche Fentanylspritze zur Analyse ins Labor geschickt wurde. Es handelte sich um reine Kochsalzlösung. Die Kollegin gefährdete Patienten, was zu ihrer Entlassung führte. Ähnlich ist es wohl den beiden Anästhesisten ergangen.
Zwar sind Kündigungen angesichts solcher Vergehen nachvollziehbar – doch sind sie wirklich die beste Lösung? Wie bei Alkoholabhängigkeit könnte ein therapeutischer Ansatz die bessere Alternative sein.
Andere Postings lassen vermuten, dass Medikamente nicht für den Eigenbedarf entwendet wurden, sondern eher auf dem Schwarzmarkt landen sollten: Ein Pflegeschüler bediente sich über längere Zeiträume hinweg bei Benzodiazepinen und gelegentlich auch bei Opiaten. Aufgedeckt wurde die Causa eher zufällig, im Rahmen einer Polizeikontrolle: Beamte fanden eine größere Menge dieser Medikamente im Rucksack des Schülers. Die Herkunft ließ sich zurückverfolgen – und die Polizei informierte schließlich seine Vorgesetzten.
Die Klinik reagierte mit einer Reihe von Maßnahmen: So wurde der Zugang zu bestimmten Arzneimitteln deutlich eingeschränkt – auch bei Präparaten, die nicht unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) fallen. Zusätzlich führt die Krankenhausapotheke jetzt regelmäßig Plausibilitätsprüfungen durch: Mit einer Medikationssoftware vergleichen Apotheker die verordneten und verabreichten Dosen mit den tatsächlich bei der Apotheke bestellten Mengen.
Wachsamkeit hat laut User-Feedback auch einen anderen möglichen BtM-Diebstahl aufgedeckt: Auf Station sollte ein Patient orale Opioide als Bedarfsmedikation erhalten. Bei der Visite fiel auf, dass – wer auch immer – Gaben dokumentiert hatte, obwohl der Patient diese Medikamente nie erhielt. Rücksprachen mit der Stationsleitung, der ärztlichen Leitung und dem Betriebsarzt folgten. Im weiteren Verlauf fiel der Verdacht auf externe Pflegekräfte aus dem Leasingpool.
Parallel dazu stellte die Krankenhaus-Apotheke auf mehreren Stationen Unstimmigkeiten bei Benzodiazepinen wie Lorazepam fest: Es gab deutliche Abweichungen zwischen den bestellten Mengen und den tatsächlich ärztlich verordneten Dosen. Nachdem solche Medikamente unter Verschluss genommen wurden, nahm der Spuk ein Ende.
Doch nicht immer steckt hinter einem verschwundenen Medikament ein Diebstahl oder ein BtM-Abusus. Auf DocCheck berichtet ein Nutzer von eigenen Erfahrungen: „Mir selbst ist es schon passiert, dass ein Fentanyl-Pflaster abgezogen wurde und weg war es.“ Man fühle sich schuldig und könne nur hoffen, dass die Vorgesetzten einem den Rücken stärken. „Nach all der Doku und den Gesprächen wurde das Pflaster schließlich am Handschuh gefunden.“ Manchmal ist die einfachste Erklärung eben doch die richtige.
Bildquelle: Sueda Dilli, Unsplash