Der Internist klingt angespannt: „Ich rufe wegen der Wunde von Herrn Meier an.“ Der Chirurg schlürft seinen Kaffee: „Aha. Welche ‚Wunde‘?“ – „Na, die offene.“ Warum wir manchmal einen Dolmetscher bräuchten.
Montagmorgen, kurz vor acht. Das Telefon klingelt.
Internist Dr. Weber, seine Stimme klingt angespannt: „Ich rufe wegen der Wunde an, Herr Meier von B4!“
Thoraxchirurg Dr. Schneider, Kaffeetasse noch in der Hand, hebt amüsiert die Augenbrauen. „Aha. Und … welche ‚Wunde‘?“ Weber zögert: „Na, halt offen.“
Schneider seufzt. „Offen wo? Thoraxdrainage-Einstichstelle? Postoperativ? Nässend? Sezerniert die – eitrig, blutig?“
Weber kratzt sich am Kopf: „Irgendwo an der Seite. Da, wo die Drainage war, glaub ich.“
Ich höre das Gespräch und muss schmunzeln. Als jemand, der in beiden Bereichen gearbeitet hat, kenne ich beide Seiten – und fühle mich manchmal wie ein Wanderer zwischen den Welten.
Willkommen in der wunderbaren Welt der Krankenhauskommunikation, wo Internisten und Chirurgen theoretisch (meistens) dieselbe Sprache sprechen – praktisch aber oft mit Übersetzungs-App arbeiten müssten. Während Internisten in Pathophysiologie baden und Laborwerte jonglieren, sind Chirurgen meist anatomisch unterwegs: Wo ist was kaputt, wie kommt man dort ran und wie nähe ich es wieder zu?
Besonders lustig wird’s in der Thoraxchirurgie. Internisten telefonieren etwa mit der Bitte: „Der Patient hat subkutanes Knistern am Hals.“ Für den Chirurgen kann das vieles sein: „Pneumothorax? Subkutanes Emphysem? Bronchopleurale Fistel?“ Die Rückfrage: „Wie weit reicht das Knistern, hat der Patient Dyspnoe, wie sehen die Drainagen aus?“ beantwortet der Internist dann gern mit: „Also … es knistert halt.“
Ein Dauerbrenner zwischen den Fraktionen: Schmerztherapie. Während Internisten bei eingeschränkter Nierenfunktion auf DANI, WHO-Stufenschema und differenzierte Opioidtherapie schwören, freuen sich Thoraxchirurgen über ihr bewährtes Trio Infernale: Ibuprofen, Diclofenac und Voltaren®. Wenn der Internist entsetzt nachfragt: „Bei einem Kreatinin von 2,3 geben Sie ernsthaft 3 x 800 mg Ibuprofen?“, lautet die chirurgische Antwort meist: „Klar, und der Patient kann jetzt endlich schmerzfrei husten. Wir wollen ja keine Rezidiv-Pneumonie.“ Klar, und die Gastroskopie melden wir auch direkt an …
Ich frage mich dann manchmal, ob man in der OP-Vorbereitung Ibuprofen schon prophylaktisch direkt in die Infusion mischt – oder es vielleicht (natürlich nur den Privatpatienten) als Longdrink mit einem kleinen Schirmchen serviert.
Umgekehrt bringt die Sprache der Internisten Chirurgen regelmäßig zur Verzweiflung. „Der Patient hat möglicherweise eine Bronchusstumpfinsuffizienz“ heißt aus internistischer Sicht: „Es blubbert komisch in der Drainage und riecht fies.“ Für den Thoraxchirurgen sind das Alarmsignale „Wo genau? Wie viel Sekret? Farbe? Leckage?“ „Na, aus der linken Drainage, glaub ich“, sagt der Internist.
Oder mein persönlicher Favorit: „Der Patient hat ein Loch im Thorax.“ Ja, danke. Das haben wir absichtlich gemacht, der Tumor läuft leider nicht freiwillig heraus. Das nennt sich minimal-invasive Thorakotomie. Aber ich schätze, das war nicht gemeint.
Internisten lieben es, komplexe Zusammenhänge zu entwirren, Differenzialdiagnosen zu diskutieren und das Kalium bis auf die dritte Nachkommastelle zu interpretieren. Thoraxchirurgen hingegen wollen wissen: Wo ist das Problem, wie groß ist es und wie schnell muss ich ran? Wenn der Internist anruft: „Der Patient hat postoperativ eine Hyperkapnie, wahrscheinlich durch Narkoseüberhang in Kombination mit COPD und schmerzbedingter Hypoventilation“, fragt der Chirurg: „Also … Drainage okay? Atemnot? Müssen wir nochmal ran, oder brauchen wir die Anästhesie?“
Natürlich ist das alles ein bisschen überspitzt – aber genauso macht es das Klinik-Leben oft unterhaltsam. Zum Glück gibt es da die Pflegekräfte, die wahren Dolmetscher: Schwester Anja von der 4B schickt einfach ein Foto der Wunde per Messenger, während Dr. Weber noch etwas ratlos von „naja, offen“ spricht. Problem gelöst.
Auch Anästhesisten haben sich als wertvolle Vermittler etabliert. Wenn in der Übergabe der Internist über „die respiratorische Azidose bei postoperativem Schmerzsyndrom“ spricht, kommt aus der Ecke von der Anästhesie meist trocken: „Meint ihr, der braucht eine Schmerzpumpe?“ Ein Hoch auf den Pragmatismus!
Wie also umgehen mit der babylonischen Sprachverwirrung zwischen Thoraxchirurgie und Innerer Medizin? Zuhören. Rückfragen stellen. Übersetzen. Und nicht zuletzt: seinen (hoffentlich vorhandenen) Humor behalten.
Ich bin überzeugt: Was uns verbindet, ist größer als das, was uns trennt. Vielleicht brauchen wir einfach ein gemeinsames Wörterbuch – oder noch besser: regelmäßige gemeinsame Kaffee-Runden. Mit oder ohne Ibuprofen-Cocktails.
Bildquelle: erstellt mit Midjourney