Versagen die Nieren, ist eine Nierenersatztherapie oft der einzige Ausweg. Gerade bei Intensivpatienten ist das häufiger der Fall – das Vorgehen war bisher aber nicht klar geregelt. Was die neue Leitlinie vorgibt, lest ihr hier.
Bei chronisch kranken Nierenpatienten stehen neben der Hämodialyse unter anderem auch die Peritonealdialyse oder eine Transplantation zur Verfügung. Dagegen kommen bei einer akuten Nierenschädigung nur die Dialyse oder Filtration des Blutes mittels Geräten infrage. Für die Nutzung einer Nierenersatztherapie auf der Intensivstation gab es jedoch bislang – anders als etwa für die Beatmung – kein dezidiertes Regelwerk.
Dieser missliche Zustand ist jetzt passé. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin und die beiden Gesellschaften für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin sowie für Anästhesie und Intensivmedizin haben als federführende Fachgesellschaften jetzt die S3-Leitlinie „Nierenersatztherapie in der Intensivmedizin“ veröffentlicht. Es geht darin explizit nicht um Patienten, die sowieso schon eine Dialyse bekommen, und auch nicht um die Peritonealdialyse, die auf der Intensivstation nur für Kindern eine nennenswerte Rolle spielt.
Die Leitlinie behandelt sehr übersichtlich sieben Fragenkomplexe: Wann soll die Nierenersatztherapie starten? Wann sind Dialyse-, wann Filtrationsverfahren geeignet? Wie soll das zeitliche Schema aussehen? Was hemmt optimal die Blutgerinnung, die durch die vielen Außenkontakte des Blutes getriggert wird? Welche Filterleistung ist erstrebenswert? Was ist bei der Gabe von Medikamenten, vor allem Antiinfektiva, zu beachten? Und wann kann und soll man die Therapie beenden?
Der Oberbegriff Akute Nierenschädigung oder Acute Kidney Injury (AKI) umfasst:
In der ersten Woche spricht man von akuter Nierenschädigung, bis zum sechsten Monat von akuter Nierenkrankheit oder Acute Kidney Disease (AKD) und danach von chronischer Nierenkrankheit (CKD). Den Begriff Niereninsuffizienz soll man für die CKD nach Ansicht der Autoren nicht mehr verwenden.
Als Nierenersatzverfahren kommen die nach dem Diffusionsprinzip arbeitende Hämodialyse, die nach dem Konvektionsprinzip arbeitende Hämofiltration oder die Hämodiafiltration als Kombination aus Dialyse und Filtration infrage. Die Verfahren können nach verschiedenen Schemata eingesetzt werden: bis zu 6 Stunden (intermittierend), bis zu 24 Stunden (prolongiert intermittierend), täglich oder kontinuierlich.
Wann mit einer Nierenersatztherapie begonnen werden soll, ist einfach zu beantworten, sofern der Flüssigkeitshaushalt, Säure-Basen- oder Elektrolythaushalt aus den Fugen geraten ist: nämlich sofort. Denn bei den absoluten Indikationen Überwässerung, Hyperkaliämie, Azidose und Urämie herrscht Alarmstufe rot. Abwägen muss man dagegen bei relativen Indikationen. Hier ist die entscheidende Frage, ob später ohnehin mit einer Nierenersatztherapie zu rechnen ist. Dann, so empfehlen die Autoren, „sollte ohne weiteres Zuwarten ein Nierenersatzverfahren begonnen werden“.
Wenn man allerdings nicht unbedingt eine Eskalation der Nierenschädigung erwartet oder den Nieren nur Zeit zur Erholung geben möchte, sollten man erst zu konservativen Maßnahmen greifen. So vermeidet man die Nebenwirkungen der Therapie wie niedrigen Phosphatspiegel, niedrigen Blutdruck, Herzrhythmusstörungen und Infektionen. Leider ist die Frage, woran man denn im Vorfeld erkennt, ob eine Eskalation droht, noch offen. Insgesamt sehen die Autoren der Leitlinie jedoch einen Paradigmenwechsel weg von einzelnen Indikatoren wie Harnstoff- und Kreatininkonzentration hin zur Bewertung der klinischen Gesamtkonstellation.
Zeit für ein Ende der Therapie ist es, wenn keine absoluten Indikationen mehr gegeben sind – oder wenn die spontane Diuresemenge von 300 bis 600 Milliliter pro Tag ein problemloses Ausschleichen wahrscheinlich macht. Merke: „Patienten mit einer erfolgreichen Beendigung haben eine niedrigere Sterblichkeit als Patienten mit einer nicht-erfolgreichen Beendigung.“
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