Zwischen schlechtem Schlaf und Alzheimer-Demenz könnte es eine Verbindung geben – doch bekanntermaßen ist Korrelation nicht gleich Kausalität. Analyse einer Henne-Ei-Problematik.
Bei einer Alzheimer-Erkrankung kommt es zu typischen Veränderungen im Gehirn, zu denen auch eine Atrophie in bestimmten Hirnregionen gehört. Das betrifft insbesondere den Hippocampus, den inferioren Parietallappen, die parahippocampale und die entorhinale Rinde, die Precuneus-Region im Parietallappen und die Cuneus-Region. Studien haben gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen einer Atrophie in diesen Hirnregionen und dem Beginn einer Alzheimer-Erkrankung sowie mit Alzheimer verwandten Demenzformen besteht.
Weiterhin gibt es einen Zusammenhang (hier und hier) zwischen gestörtem Schlaf und kognitiven Beeinträchtigungen sowie dem Beginn einer Alzheimer-Erkrankung. Von einer Schlafstörung spricht man, wenn die Schlafqualität beeinträchtigt, die Schlafdauer zu gering ist oder ein ungeeignetes Muster von Schlaf-Wach-Zeiten besteht.
Bisher ist wenig darüber bekannt, wie ein beeinträchtiger Schlaf mit einer Atrophie in Alzheimer-typischen Hirnregionen zusammenhängt. Eine neue Studie hat nun den Zusammenhang zwischen der Schlafqualität und einer Atrophie in den oben genannten Hirnregionen 13 bis 17 Jahre später untersucht. Die Wissenschaftler um Gawon Cho von der Yale School of Medicine der Yale University in New Haven und der Pennsylvania State University fanden heraus: Ein geringerer Anteil bestimmter Schlafstadien ging 13 bis 17 Jahre später mit einem geringeren Volumen in Hirnregionen einher, die typischerweise bei einer Alzheimer-Erkrankung verändert sind. Das mache deutlich, dass zwischen Schlafqualität und langfristiger Gesundheit des Gehirns ein wichtiger Zusammenhang bestehe, schreiben die Autoren.
Die Forscher bezogen in die Studie die Daten von 270 Erwachsenen ein, die an der Atherosclerosis Risk in the Communities-Studie (ARIC), einer längerfristigen Gesundheitsstudie teilgenommen hatten. Von der Auswertung ausgeschlossen wurden Personen, die einen Schlaganfall, eine Demenz oder eine andere Erkrankung des Gehirns hatten. Die Teilnehmer waren im Median 61 Jahre alt und weiß, 53 Prozent waren weiblich.
Zur Messung der Schlafqualität wurde eine Polysomnographie durchgeführt, bei der mithilfe von Elektroden die elektrische Aktivität des Gehirns erfasst wird. Daraus lassen sich verschiedene Schlafstadien bestimmen, die von leichtem Schlaf bis zu Tiefschlaf (slow wave sleep) und REM-Schlaf (rapid eye movement sleep) reichen – man spricht auch von Schlafarchitektur. Bei der Auswertung wurden der Anteil von Tiefschlaf und REM-Schlaf am Gesamtschlaf und der Arousalindex – also die Zahl der kurzen Weckreaktionen pro Stunde Schlafzeit – herangezogen. Sie wurden mit dem Volumen in Hirnregionen, die typischerweise bei Alzheimer verändert sind, in Zusammenhang gebracht. Das Hirnvolumen wurde mithilfe moderner bildgebender Verfahren 13 bis 17 Jahre nach der Schlafuntersuchung gemessen. Mögliche Störfaktoren, die die Ergebnisse beeinflusst haben könnten, wie demographische Merkmale, Rauchen, Alkoholkonsum und Erkrankungen wie Bluthochdruck oder koronare Herzerkrankung wurden bei der Auswertung statistisch berücksichtigt.
Die Analysen zeigten, dass Teilnehmer, die weniger Tiefschlaf (slow wave sleep) hatten, 13 bis 17 Jahre später ein geringeres Volumen im inferioren Parietallappen und im Cuneus aufwiesen. Probanden, die weniger Zeit im REM-Schlaf verbracht hatten, hatten ein geringeres Volumen im inferioren Parietallappen und im Precuneus. Nach statistischer Korrektur für mehrfache Vergleiche war noch der Zusammenhang zwischen einem geringeren Anteil an Tiefschlaf und REM-Schlaf und einem geringen Volumen im inferioren Parietallappen signifikant. Zwischen dem Arousalindex und dem Volumen in den untersuchten Hirnregionen wurde kein Zusammehang gefunden.
Darüber hinaus ist bisher wenig darüber bekannt, wie ein gestörter Schlaf mit späteren zerebralen Mikroblutungen zusammenhängt. Solche Mikroblutungen gehen häufig kognitiven Beeinträchtigungen sowie dem Beginn einer Alzheimer-Erkrankung und anderer Demenzformen voraus. Studien haben gezeigt, dass Tiefschlaf dazu beiträgt, neurotoxischen Abfall im Gehirn zu beseitigen. Dies kann wiederum dazu beitragen, einer Mikroangiopathie vorzubeugen, die das Risiko für zerebrale Mikroblutungen erhöht.
In der Studie wurde daher auch der Zusammenhang zwischen Schlafqualität und zerebralen Mikroblutungen sowie lobären Mikroblutungen – die einen bestimmten Lappen des Gehirns betreffen und die spezifischer mit einer Alzheimer-Demenz assoziiert sind – untersucht. Es wurden jedoch keine signifikanten Korrelationen beobachtet. „Das hätte man auch nicht unbedingt erwartet, weil zerebrale Mikroblutungen eher bei Menschen mit Gefäßerkrankungen des Gehirns auftreten“, erläutert Prof. Frank Erbguth. Er ist Präsident der Deutschen Hirnstiftung e. V. und war bis 2022 Direktor der Universitätsklinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg. „Dagegen besteht kein direkter Zusammenhang mit einer Alzheimer-Demenz.“
Schließlich analysierten die Forscher um Cho, wie das Vorhandensein des ApoE4-Gens, das mit der Entstehung der Alzheimer-Krankheit in Verbindung steht, den Zusammenhang zwischen Schlafqualität und einer Atrophie in alzheimer-typischen Hirnregionen sowie zerebralen Mikroblutungen beeinflusst. So wurde in Studien beobachtet, dass Mäuse, die das ApoE4-Gen besitzen, bei gestörtem Schlaf höhere Werte an Beta-Amyloid und Tau-Proteinen im Gehirn aufweisen als Tiere, die das Gen nicht besitzen.
Das könnte bedeuten, dass Schlafmangel sich bei Menschen mit ApoE4-Gen stärker auf alzheimer-typische neurologische Veränderungen auswirkt als bei Menschen, die dieses Gen nicht besitzen. Allerdings wurden hierzu in der Studie ebenfalls keine signifikanten Zusammenhänge beobachtet. „Das deutet darauf hin, dass das Vorhandensein des ApoE4-Gens, einem Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit, den Zusammenhang zwischen gestörtem Schlaf und einer späteren Atrophie in alzheimer-typischen Hirnregionen nicht relevant beeinflusst hat“, sagt Erbguth.
„Zusammengefasst liefert unsere Studie vorläufige Evidenz dafür, dass eine geringere Schlafqualität zur Atrophie in bestimmten Gehirnregionen beitragen und so das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung erhöhen könnte“, sagt Gawon Cho, die als Postdoktorandin an der Yale School of Medicine in New Haven arbeitet. So könnten geringere Anteile an Tiefschlaf und REM-Schlaf Auslöser für eine Atrophie im inferioren Parietallappen sein, die mit einem erhöhten Risiko für eine Alzheimer-Demenz assoziiert ist. „Die Ergebnisse könnten dazu beitragen, zu erklären, wie eine verminderte Schlafqualität – die bei mittelalten und älteren Erwachsenen häufig vorkommt – mit der Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung und kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen könnte.“
Aus den Ergebnissen könnten sich möglicherweise Maßnahmen zur Vorbeugung, Herauszögerung oder zur Heilung einer Alzheimer-Erkrankung ableiten lassen, schreiben die Forscher. „Die Schlafqualität könnte ein veränderbarer Risikofaktor für eine Alzheimer-Demenz und für andere Demenzformen sein“, sagt Cho. So könnten Maßnahmen, die die Schlafqualität verbessern und zu mehr Tiefschlaf und REM-Schlaf beitragen, das Risiko für Alzheimer reduzieren oder den Beginn der Erkrankung hinauszögern.
Allerdings seien weitere, groß angelegte Langzeitstudien notwendig, um zu prüfen, ob eine Atrophie in mit Alzheimer assoziierten Hirnregionen und ein Rückgang kognitiver Fähigkeiten kausal mit Beeinträchtigungen der Schlafarchitektur zusammenhängen, schreiben die Autoren. Wichtig sei auch, in zukünftige Studie Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft sowie einen ausgewogenen Anteil von Probanden mit und ohne ApoE4-Gen einzubeziehen.
„Dass es Zusammenhänge zwischen Störungen der Schlafqualität und kognitiven Beeinträchtigungen sowie dem Beginn einer Alzheimer-Erkrankung gibt, ist bereits aus früheren Studien bekannt“, sagt Frank Erbguth. „Die neue Studie liefert eine Ergänzung mit bildgebenden Verfahren des Gehirns und zeigt, dass bei einer gestörten Schlafarchitektur Jahre später in Gehirnregionen, die mit Alzheimer assoziiert sind, eine Atrophie auftritt.“
Wie die Autoren selbst einräumten, sei jedoch die Richtung der Zusammenhänge nicht klar. „Die Annahme, dass ein gestörter Schlaf zu einer Atrophie von Hirnregionen beiträgt, liegt zwar nahe“, sagt der Neurologe. „Es könnte aber auch sein, dass eine genetische Veranlagung für eine Alzheimer-Demenz oder andere Demenzformen zu einem gestörten Schlaf und mehrere Jahre später zu einer Atrophie bestimmter Gehirnregionen führt.“ So sei etwa bei der Parkinson-Krankheit häufig schon 15 bis 20 Jahre vor Ausbruch der Erkrankung eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung zu beobachten. Sie sei Teil der Erkrankung und entstehe vermutlich durch eine genetische Veranlagung, die später auch zu den Parkinson-Symptomen führe.
Die Richtung der Zusammenhänge sei auch wichtig für Schlussfolgerungen über mögliche Interventionen, betont Erbguth. „Wenn eine beeinträchtigte Schlafqualität die Ursache für eine spätere Atrophie in bestimmten Hirnregionen ist, wäre es wichtig, die Schlafqualität durch gezielte Maßnahmen zu verbessern, um einer Demenz vorzubeugen“, so der Experte. „Wenn jedoch hinter beidem eine genetische Veranlagung steckt, würde dies nicht helfen, einer Demenz vorzubeugen.“ Allerdings sei es generell nicht verkehrt, auf eine gute Schlafqualität zu achten, da diese dazu beitragen könne, einer Reihe von Erkrankungen vorzubeugen.
Die Ergebnisse könnten jedoch zu weiteren Studien anregen, die Zusammenhänge zwischen Schlafqualität, einer Atrophie in bestimmten Hirnregionen und der Entstehung einer Alzheimer-Demenz erforschen. So könnte es sinnvoll sein, Langzeitstudien durchzuführen, in denen eine Gruppe eine Interventionen für besseren Schlaf erhält, während die andere Gruppe keine Intervention erhält. „Auf diese Weise könnte man über einen längeren Zeitraum untersuchen, ob es in der Gruppe mit besserer Schlafqualität zu einer geringeren Atrophie von Hirnregionen kommt und ob bei ihnen seltener eine Alzheimer-Demenz auftritt“, sagt Erbguth. „Allerdings sind solche Studien sehr aufwändig.“
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