Regelmäßige Untersuchungen sollen Ärzten helfen, Rezidive bei Krebspatienten früh zu erkennen. Doch der Nutzen ist fraglich: Führt die ständige medizinische Überwachung vielleicht nur zu unnötigen Therapien und mehr Angst?
Nach abgeschlossener Krebstherapie setzen Onkologen, je nach Krankheitsbild, auf engmaschige Kontrolluntersuchungen – oft alle sechs Monate über fünf Jahre hinweg. Ziel ist es, mögliche Rezidive früh zu erkennen, in der Hoffnung auf bessere Behandlungschancen. Auf den ersten Blick klingt das logisch: Je früher ein erneuter Tumor entdeckt wird, desto besser müssten die Heilungschancen sein. Doch hier gebe es einen Trugschluss, wie H. Gilbert Welch (Brigham and Women’s Hospital, Boston) und Lesly A. Dossett (University of Michigan) im NEJM schreiben.
Der sogenannte Lead-Time-Bias verfälsche die Ergebnisse: Wenn ein Rezidiv durch ein Screening früher erkannt wird, scheint es so, als würde die betroffene Person länger überleben – einfach, weil die Diagnose früher gestellt wurde und nicht, weil sich der Krankheitsverlauf tatsächlich verbessert hat. Um den echten Nutzen der Überwachung zu bewerten, braucht es daher randomisierte Studien. Und die liefern ernüchternde Ergebnisse.
Welch und Dossett stellen Ergebnisse einer Analyse von zwölf randomisierten Studien vor. Sie fanden heraus: Keine einzige Untersuchung konnte belegen, dass routinemäßige bildgebende Verfahren wie CT, PET oder Ultraschall das Überleben von Krebspatienten signifikant verbessern. In der Hälfte der Studien starben sogar mehr Patienten in der Überwachungsgruppe als in der Kontrollgruppe – ein reiner Münzwurf.
Sterblichkeitsrisiko bei unterschiedlichen Krebserkrankungen mit und ohne Kontrolluntersuchungen: Ergebnisse aus randomisierten Studien zur bildgebungsbasierten Nachsorge. Quelle: H. Gilbert Welch und Lesly A. Dossett via LinkedInAuch Laboruntersuchungen – etwa Bluttests auf Tumormarker – schneiden schlecht ab. Selbst hochspezifische neue Verfahren wie die Analyse zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) liefern bislang keinen Nachweis, dass Patienten durch frühere Rückfall-Diagnosen länger oder besser leben.
Solche Untersuchungen verursachen nicht nur hohe Kosten für das Gesundheitssystem; sie belasten Patienten auch psychisch über alle Maßen. Mitunter entwickelt sich eine „Scanxiety“ – sprich eine Angst vor dem nächsten Untersuchungstermin. Außerdem führen auffällige, letztendlich aber harmlose Befunde häufig zu weiteren Tests und Eingriffen, mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Auch werden Patienten manchmal unnötig früh einer belastenden Therapie unterzogen, also zu einem Zeitpunkt, an dem sie noch symptomfrei und in guter Lebensqualität lebten. Besonders kritisch ist dies bei Tumorarten wie Prostata- oder Schilddrüsenkarzinome, die ohnehin sehr hohe Überlebensraten aufweisen.
Selbst wenn Metastasen entdeckt werden, macht eine Behandlung nicht immer Sinn, etwa bei älteren oder multimorbiden Patienten, bei denen eine Therapie mehr schaden als nützen könnte. In solchen Fällen verursacht die Überwachung hauptsächlich Leid – und bringt keinerlei Nutzen.
Angesichts dieser Daten fordern Welch und Dossett ein Umdenken in der Onkologie. Ihre Empfehlungen:
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