Für Herrn Müller bleibt nur noch die Palliativmedizin. „Es gibt nichts mehr, was wir tun können“, sagst du – und seine Angehörigen brechen zusammen. Was ist hier schiefgegangen?
Kommunikation ist eine tragende Säule jeder vertrauensvollen Beziehung zwischen Ärzten und Patienten – besonders bei Menschen mit schweren Erkrankungen. Unbedacht formulierte Wörter oder Sätze richten mehr Schaden als Nutzen an. Darauf weisen US-Kardiologen, Intensivmediziner, Onkologen und Versorgungsforscher in den Mayo Clinic Proceedings hin.Grafik KI-generiert. Quelle: DocCheck
Um Kollegen zu unterstützen, haben sie sich mit guter und schlechter Kommunikation befasst. Ergebnis ihrer Arbeit ist eine Liste sogenannter „Never-Words“, sprich Formulierungen, die Ärzte besser vermeiden sollten.
Ihr Ansatz: Viele Phrasen, die Ärzte im Klinikalltag nutzen, schleichen sich mit der Zeit ein – aus Routine, Zeitdruck oder unbewussten Denkmustern. Gerade deshalb lohnt es sich, das eigene Sprachverhalten regelmäßig zu hinterfragen: Wie spreche ich über Krankheit, Hoffnung oder Prognosen? Welche Worte wähle ich – und wie könnten sie bei Patienten oder Angehörigen ankommen?
Ein einziges unbedachtes Wort kann tiefe emotionale Wunden reißen – oder den Eindruck erwecken, dass Patienten keine Wahl mehr haben. Formulierungen wie „Es gibt nichts mehr, was wir tun können“ oder „Wir könnten Sie nur noch palliativ behandeln“ klingen nach einem endgültigen Urteil: Behandelnde Ärzte können nichts mehr tun. Dabei ist gar nicht das Ende aller medizinischen Optionen gemeint, sondern ein Wechsel des Behandlungsziels. Der Aspekt, dass palliative Therapien oft mehr Lebensqualität ermöglichen als belastende, erfolglose Interventionen, kommt bei Laien nicht an.
Deutlich hilfreicher wirkt ein Satz wie: „Diese Behandlung hat leider nicht den gewünschten Erfolg gebracht – aber wir können den Fokus nun auf Ihre Lebensqualität legen.“ Das signalisiert Patienten, dass sie weiter begleitet und unterstützt werden.
Ähnlich problematisch ist die Aussage „Er braucht eine Transplantation.“ Das Statement setzt Patienten und Angehörige unter Druck, auch wenn die medizinischen Fakten für eine Dringlichkeit sprechen. Besser wäre eine Formulierung wie: „Sein Herz verschlechtert sich. Sollen wir gemeinsam besprechen, was das bedeutet und welche Möglichkeiten wir haben?“
Auch die oft gestellte Frage „Wollen Sie, dass wir alles Mögliche für Ihren Angehörigen tun?“ ist wenig hilfreich. Sie suggeriert eine einfache Ja-oder-Nein-Entscheidung in einer komplexen, emotional belasteten Situation – ohne, dass klar ist, was „alles“ überhaupt bedeutet.
Besser wäre es, Optionen in Ruhe zu erklären und gemeinsam abzuwägen, was medizinisch sinnvoll und im Einklang mit den Wünschen des Patienten ist: „Lassen Sie uns besprechen, welche Möglichkeiten wir haben, wenn sich der Zustand verschlechtert.“ So kommt es im Idealfall zu einem echten Dialog.
Auch mit Vorwürfen wie „Warum sind Sie nicht früher gekommen?“ ist letztlich keinem Menschen geholfen – auch wenn Ärzte in der Sache vielleicht zu 100 Prozent Recht haben. Die Autoren empfehlen stattdessen: „Gut, dass Sie jetzt da sind.“
Ähnlich sieht es beim Dialog mit Angehörigen aus. Viele Menschen wünschen sich ehrliche Gespräche. Doch „Er wird nicht mehr gesund“ mag stimmen, ist aber zu hart gesagt. Die Autoren raten zu empathischeren Formulierungen wie „Ich mache mir Sorgen, dass sie sich nicht mehr erholt.“
Gute Kommunikation erfordert immer Fingerspitzengefühl für den jeweiligen Moment. Die genannten „Never-Words“ sind den Autoren zufolge eine Ergänzung bewährter Gesprächsmodelle.
In schwierigen Situationen können Ärzte beispielsweise das „Ask-Tell-Ask“-Prinzip nutzen: einen kommunikativen Ansatz, der besonders im medizinischen Kontext eingesetzt wird, um Gespräche mit Patienten oder Angehörigen einfühlsam, strukturiert und auf Augenhöhe zu führen. Es basiert auf drei aufeinanderfolgenden Schritten:
Bleibt als Fazit: Jeder Satz kann in der Patientenkommunikation eine Brücke bauen oder eine Mauer errichten. Wer aufmerksam kommuniziert, stärkt die Selbstbestimmung seiner Patienten – und legt die Basis für eine bessere gemeinsame Entscheidungsfindung. „Primum non nocere“ gilt eben auch für Sprache.
Bildquelle: Kristina Flour, Unsplash