Immer mehr Diabetiker verlassen sich auf Geräte zur kontinuierlichen Blutzuckermessung. Dumm nur, wenn die Werte ungenau sind – die Therapie aber nach ihnen ausgerichtet wird.
Die engmaschige Blutzucker-Kontrolle ist bei Personen mit Typ-1-Diabetes obligat. Bis vor einigen Jahren waren regelmäßige Stiche in den Finger dafür unvermeidlich. Mittlerweile verwenden jedoch mehr als 80 % der Typ-1-Diabetiker kontinuierliche Glukose-Messysteme (CGM, s. Infokasten). Jeder Dritte nutzt zusätzlich eine Insulinpumpe. Auch beim Typ-2-Diabetes kommen CGM-Systeme mittlerweile bei jedem vierten zum Einsatz. Dabei werden verschiedene Systeme unterschiedlicher Hersteller eingesetzt.
Essenziell ist auf der einen Seite, dass sich die Patienten auf die Messungen verlassen können. Ebenso relevant ist jedoch eine Vergleichbarkeit der gemessenen Werte zwischen den verschiedenen Geräten, um z. B. robuste Forschungsergebnisse zu erhalten und eine optimale Therapie für jeden Patienten zu gewährleisten. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass die Messergebnisse von verschiedenen CGM-Systemen schwanken (z. B. hier, hier und hier). Die regelmäßige Überprüfung der Werte mittels kapillärer Blutzuckermessung – auch zur Gerätekalibrierung – ist daher weiterhin wichtig. Ein Team der Universität Ulm untersuchte jetzt in einer Interventionsstudie, ob auch die neuste Generation von CGM-Systemen von diesen Schwankungen bzw. Ungenauigkeiten betroffen ist.
An der prospektiven Interventionsstudie nahmen insgesamt 23 Probanden (17 männlich, 6 weiblich, mittleres Alter 52,7 Jahre) mit Typ-1-Diabetes teil. Alle Probanden trugen über einen Zeitraum von insgesamt 14 Tagen gleichzeitig 3 verschiedene CGM-Systeme. Dabei handelte es sich um die Modelle
Die Teilnehmer gingen den größten Teil des Studienzeitraums über ihren üblichen Aktivitäten nach. An drei Tagen erfolgten jeweils 7-stündige Untersuchungen in der durchführenden Klinik. Dabei wurde der Blutzucker gezielt in hyper- und hypoglykämische Bereiche gebracht. Zudem wurde zum Vergleich mit den CGM-Systemen der Blutzucker alle 15 Minuten konventionell kapillär gemessen.
Aus den Rohdaten wurden verschiedene Kennzahlen berechnet, die Auskunft darüber geben, wie lange sich der Blutzucker in welchem der folgenden 5 Bereiche befand:
Darüber hinaus wurden u. a. die mittlere Glukosekonzentration, der Glucose Management Indicator (GMI, vergleichbar mit dem HbA1c), die glykämische Variabilität und die Anzahl der hypoglykämischen Episoden erfasst.
Während die Messungen von den Modellen 1 und 2 ähnlich waren (durchschnittlich 2,7 % Differenz), wichen die Werte von Modell 3 signifikant ab. Dabei war der GMI laut Modell 3 durchschnittlich niedriger – entsprechend einem niedrigeren HbA1c. Darüber hinaus war der ermittelte Blutzucker bei MSP im Mittel
Die Messungen, die durch Modell 1 ermittelt wurden, lagen im Schnitt ganze 14,2 % über denen von Modell 3, die von Modell 2 immerhin 11,2 %. Bestätigt wurde diese Beobachtung beim Vergleich mit den kapillär gemessenen Blutzuckerwerten. Hier lagen die Messwerte von Model 3 ganze 14,5 % niedriger – die von Modell 1 und 2 nur 1,1 % bzw. 2,5 %. Wichtig zu beachten ist, dass es sich dabei um den Mittelwert aller verwertbaren Messungen handelte. Bei einzelnen Probanden traten auch zwischen Modell 1 und 2 Diskrepanzen von bis zu etwa 13 % auf, z. B. bei der Zeit im Zielbereich und der Zeit unter dem Zielbereich.
Auch bei den experimentell herbeigeführten Hyper- und Hypoglykämien waren die von Modell 3 ermittelten Werte im Mittel niedriger, als die der anderen beiden Systeme. Hypoglykämien wurden entsprechend schneller detektiert, Hyperglykämien erst später.
Eine Differenz der Zeitraumlänge im Zielbereich von > 5 % wird als klinisch signifikant gewertet. Solch ein klinisch signifikanter Unterschied wurde am häufigsten beim Vergleich zwischen Modell 1 und 3 gefunden – nämlich bei 17 der 23 Probanden (74 %). Beim GMI gelten Unterschiede von > 0,3 % als klinisch relevant – dies traf beim Vergleich von Modell 1 mit Modell 3 sogar auf 18 der 23 Probanden (78 %) zu und beim Vergleich von Modell 2 mit Modell 3 immerhin auf 14 von 23 (61 %). Je nachdem, welches Messgerät betrachtet wird, waren nur 16 (Modell 1), 11 (Modell 2) oder 6 (Modell 3) Patienten weniger als 4 % der Zeit unterhalb des Zielbereichs – ein beachtlicher Unterschied, trotz der relativ kleinen Kohortengröße.
Die Autoren weisen in ihrer Diskussion der Ergebnisse vor allem auf den Punkt hin, dass die Diskrepanz der Messergebnisse zu unterschiedlichen Therapie-Entscheidungen und Interventionen führen würde, je nachdem, welches Gerät eine Person trägt.
Nach internationalem Konsens ist das erste Ziel bei der Therapieanpassung nach CGM-Systemen, die Zeit unterhalb des Zielbereichs auf < 4 % zu bringen – also Hypoglykämien zu vermeiden. Nachfolgende Therapieziele sind die Reduktion der Zeit oberhalb des Zielbereichs auf < 25 % – also Hyperglykämien. Damit einher geht die Maximierung der Zeitspanne im Zielbereich auf möglichst > 70 % – Normoglykämie. Die Studienergebnisse zeigen: bei etwa der Hälfte der Probanden waren sich die Systeme nicht einig, ob ein Patient den Zielbereich unterschritten hatte, oder nicht. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass abhängig vom verwendeten Gerät entweder Therapieanpassungen verpasst, oder unnötige Therapieintensivierungen durchgeführt werden könnten. Wenn Patienten sich selbstständig Insulin verabreichen, können Sie – sofern sie von den Ungenauigkeiten wissen – ihre Therapie ggf. daran anpassen. Das funktioniert jedoch nicht, wenn eine Insulinpumpe auf der Basis der CGM-Messungen automatisiert Insulin verabreicht.
Die Messunterschiede waren auch bei den experimentell herbeigeführten Hypo- und Hyperglykämien vorhanden und haben so möglicherweise zudem einen Einfluss auf das individuelle Verhalten des Patienten, in Bezug auf Timing und Dosierung der akuten Therapiemaßnahmen.
Limitierende Faktoren sind die geringe Kohortengröße und der relativ kurze Studienzeitraum von 14 Tagen. Die Probanden in der Studie hatten alle einen verhältnismäßig gut eingestellten Diabetes und unterscheiden sich damit vom deutlich heterogeneren Patientenklientel außerhalb des Studien-Settings. Das alles sind zwar Faktoren, die Vorsicht bei der Übertragung der Ergebnisse auf die Gesamtpopulation gebieten – aber es lassen sich trotzdem wichtige Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen: Sowohl Patienten als auch Behandler sollten sich bewusst sein, dass die Wahl des CGM-Systems potenziell Einfluss auf Therapieentscheidungen nehmen kann. Dies scheint besonders bei einem Wechsel zwischen den Systemen wichtig.
Auch bei der neuesten Generation von CGM-Systemen bleibt die ergänzende kapilläre Blutzuckermessung zur Überprüfung der Ergebnisse also vermutlich ein wichtiger Bestandteil des Blutzuckermanagements der Patienten. Es stellt sich aber insgesamt die Frage, warum diese Ungenauigkeiten auch bei der neusten Generation an Messgeräten auftreten, obwohl das Problem bereits aus vergangenen Generationen bekannt ist – hoffentlich auch bei den Herstellern.
Bildquelle: Ben Iwara, Unsplash