Pollen, Pilze, Prozessionsspinner: Studien zeigen drei Trends bei allergischen Erkrankungen – die Belastung durch Pollen steigt, sie werden aggressiver und neue Allergene prägen das Geschehen.
Allergien und Asthma breiten sich in Europa rasant aus – inzwischen sind über 150 Millionen Menschen betroffen. Etwa ein Drittel der Bevölkerung leidet an chronischen allergischen Erkrankungen, darunter rund 70 Millionen Menschen an Asthma. Besonders alarmierend: Schon jedes vierte Kind unter zehn Jahren ist betroffen.
Die Ursachen für diesen Anstieg sind vielfältig. Doch eines steht fest: Der Klimawandel trägt seinen Teil dazu bei. Höhere Temperaturen und steigende Kohlendioxid-Konzentrationen in der Luft begünstigen die Ausbreitung von allergieauslösenden Stoffen und steigern ihr allergenes Potenzial – mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit hat untersucht, welchen Einfluss der Klimawandel auf die allergische Rhinitis hat. Dafür wurden 30 Studien aus den Jahren 2000 bis 2023 ausgewertet. In mehr als der Hälfte dieser Studien fanden die Forscher einen direkten Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und einer verlängerten Pollensaison oder höheren Pollenmengen. Das bedeutet: Wer an Heuschnupfen leidet, muss sich künftig auf längere Beschwerden und intensivere Pollenbelastungen einstellen.
Besonders drastisch fällt die Prognose für Nordamerika aus. Dort könnte der Pollenflug um 16 bis 40 Prozent zunehmen und die Saison sich um bis zu 19 Tage verlängern. Ärzte merken diesen Trend bereits – vier Studien berichten von einer deutlichen Zunahme der Zahl an Konsultationen wegen allergischer Rhinitis in den letzten Jahren.
Übersicht über die mittlere in Deutschland an verschiedenen Messstationen pro Jahr gemessene Zahl an Birkenpollen mit Trendlinie. © Journal of Health Monitoring 2023 8(S4)
In Nord- und Mitteleuropa zählen Birke, Erle, Hasel, Eiche, Hainbuche, Kastanie und Buche zu den wichtigsten Auslösern von einer allergischen Rhinitis und Asthma. Sowohl die Konzentration der Pollen in der Luft als auch die Dauer der Pollensaison haben sich durch den Klimawandel erhöht.
Nicht nur heimische Pflanzen machen Allergikern zu schaffen, auch invasive Arten sorgen zunehmend für Probleme. Besonders bekannt ist Ambrosia artemisiifolia, das Beifußblättrige Traubenkraut. Ursprünglich kommt die Pflanze aus Nordamerika. Sie breitet sich hierzulande vor allem entlang von Straßen, auf Brachflächen und in der Landwirtschaft aus. Ihre Pollen enthalten das Allergen Amb a 1, das stark sensibilisierend wirkt – und mit zunehmender Aggressivität die Allergiesymptome vieler Menschen verstärkt.
Eine Studie hat genauer untersucht, wie sich steigende CO₂-Konzentrationen auf die Allergenität von Pollen auswirken. Mithilfe eines ELISA-Tests analysierten Forscher den Gehalt des Hauptallergens Amb a 1 in Pollen, die unter drei verschiedenen CO₂-Werten gewachsen waren: dem vorindustriellen Niveau (280 ppm), dem heutigen Stand (370 ppm) und einem für die Mitte des 21. Jahrhunderts prognostizierten Wert (600 ppm).
Zwar blieb die Gesamtmenge an Pollenprotein konstant – doch der Gehalt des relevanten Allergens Amb a 1 nahm deutlich zu. Der Allergengehalt bei den prognostizierten zukünftigen CO₂-Werten war im Vergleich zum vorindustriellen CO₂-Niveau 1,8-fach und im Vergleich zu heute 1,6-fach erhöht. Die Studie legt nahe, dass höhere CO₂-Konzentrationen nicht nur die Pollenmenge, sondern auch deren allergenes Potenzial erheblich steigern könnten.
Ambrosia ist zwar das bekannteste Beispiel für eine invasive, allergieauslösende Pflanze – doch sie ist längst nicht die einzige. Auch der ursprünglich aus China stammende Götterbaum (Ailanthus altissima) macht zunehmend gesundheitliche Probleme. Ein Forschungsteam hat deshalb untersucht, wie stark seine Pollen in der Luft vertreten sind und ob sie bei Patienten mit saisonaler Verschlechterung atopischer Erkrankungen eine Rolle spielen.
Die Studie stützt sich auf Daten aus den Jahren 2019 und 2020. Mit einer Pollenfalle auf dem Dach des Universitätsklinikums Leipzig erfassten Forscher die Luftbelastung mit Götterbaum-Pollen. Gleichzeitig untersuchten sie 138 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit allergischer Rhinitis, Asthma oder atopischer Dermatitis, deren Symptome sich zwischen Mai und Juli verschlechterten.
Das Ergebnis fiel deutlich aus: Zwischen Anfang Juni und Mitte Juli ließen sich regelmäßig Pollen des Götterbaums nachweisen – mit Spitzenwerten von bis zu 31 Pollen pro Kubikmeter Luft. 42 Prozent der untersuchten Personen zeigten eine spezifische Sensibilisierung gegen A. altissima, unabhängig vom Alter. In fast 60 Prozent dieser Fälle lag keine Kreuzreaktion mit bekannten Allergenen wie Gräserpollen oder Schimmelpilzen vor. Die Forscher schließen daraus, dass der Götterbaum ein eigenständiges allergenes Potenzial besitzt.
Eschen-Ahorn – ein Baum mit belastendem Potenzial
Acer negundo © USDA/Wikimedia Commons, CC0
Neben Ambrosia und dem Götterbaum gilt auch der Eschen-Ahorn (Acer negundo) als problematisch. Der schnell wachsende Baum stammt ursprünglich aus Nordamerika, wo er unter dem Namen „Boxelder Maple“ bekannt ist. Er breitet sich zunehmend auch in Europa aus. Seine Pollen haben ein starkes allergenes Potenzial und können bei empfindlichen Personen Symptome wie allergische Rhinitis, Asthma oder Rhinokonjunktivitis auslösen. In einer US-amerikanischen Untersuchung zeigte sich, dass 27 Prozent von 687 asthmatischen Kindern auf Boxelder-Pollen sensibilisiert waren – ein bemerkenswerter Anteil.
Zusätzlich untersuchte ein Forschungsteam ein potenziell allergenes Protein aus Pollen von Acer negundo: Calreticulin. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass dieses Protein über IgE-vermittelte Mechanismen allergische Reaktionen auslösen kann. Die Autoren sehen darin Hinweise auf das eigenständige allergene Potenzial des Eschen-Ahorns.
Darüber hinaus wächst die Gefahr durch Schimmelpilzsporen. Durch steigende Temperaturen und häufigere feuchtwarme Wetterlagen finden Schimmelpilze immer bessere Wachstumsbedingungen vor, sowohl in Innenräumen und im Außenbereich.
Die beiden Schimmelpilzarten Alternaria und Cladosporium sind in Europa die häufigsten Verursacher luftgetragener Sporenbelastungen. In nahezu allen Regionen erreichen ihre Konzentrationen regelmäßig Schwellenwerte, die aus medizinischer Sicht als problematisch gelten.
Raupen von Thaumetopoea processionea © Kleuske/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
Nicht nur Pollen und Pilzsporen sorgen zunehmend für allergische Beschwerden – auch Insekten spielen eine wachsende Rolle. Bekanntestes Beispiel ist die Raupe des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea): Ihre winzigen Brennhaare enthalten ein starkes Allergen, das bei Kontakt heftige Reaktionen auslösen kann – von Hautausschlägen über Bindehautentzündungen bis hin zu Atemwegsproblemen.
Begünstigt wird diese Entwicklung durch den Klimawandel: Milde Winter und früh einsetzende Wärme im Frühjahr verlängern die Aktivitätsphase der Raupen. In der Folge breitet sich der Eichenprozessionsspinner in Mitteleuropa immer weiter aus – und mit ihm die Gefahr allergischer Reaktionen.
Die Verbindung zwischen Klimawandel und allergischen Erkrankungen ist wissenschaftlich gut belegt. Jetzt sind Politik, Gesundheitswesen und Gesellschaft gefragt, wirksame Maßnahmen zu ergreifen – zum Schutz der Gesundheit und der Lebensqualität zukünftiger Generationen. Ob das gelingen wird, ist aber mehr als fraglich.
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Bildquelle: Pawel Czerwinski, Unsplash