Aktuellen Verkaufszahlen zufolge verlieren Patienten das Interesse an Globuli. Die Gründe sind vielschichtig, wobei öffentliche Kontroversen eine große Rolle spielen: die Diskussionen um die Heilpraktiker-Ausbildung und um Homöopathie als freiwillige GKV-Satzungsleistung.
In öffentlichen Apotheken gingen homöopathische Präparate lange Zeit wie warme Semmeln über den HV-Tisch. Entsprechende Präparate haben in den letzten Jahren stärker zugelegt als beispielsweise Phytopharmaka. Zu diesem Ergebnis kommt der Informationsdienstleister QuintilesIMS. Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass Patienten langsam aber sicher das Interesse an alternativmedizinischen Präparaten verlieren. Diese Trendwende überrascht nicht wirklich. Im Wahlkampf waren homöopathische Präparate als freiwillige Kassenleistung ein heiß diskutiertes Thema. Ärzte forderten außerdem, bei der Heilpraktiker-Ausbildung zeitgemäße Standards umzusetzen. Beide Kontroversen fanden in Onlinenmedien, in Print und Fernsehen breite Resonanz. Das könnte mögliche Folgen für den Markt erklären.
Dazu ein paar Details des Zeitraums von 2012 bis zunächst 2016:
© QuintilesIMS Diese Zahlen sprechen auf den ersten Blick dafür, dass Homöopathika sich so gut verkaufen wie nie zuvor. Auf den zweiten Blick muss diese Aussage allerdings relativiert werden, berücksichtigt man folgende Wirtschaftsdaten:
Statistische Details zu homöopathischen Präparaten (Daten aus 2016) © QuintilesIMS Die oben genannten Entwicklungen lassen sich mit zwei großen Themen in Verbindung bringen: Zum einen mit politischen Diskussionen darüber, wie sich Homöopathika mit dem Leistungskatalog der GKV vertragen. Zum anderen mit der umstrittenen Heilpraktiker-Ausbildung, die laut Kritikern einer dringenden Reform bedarf.
Dazu ein kurzer Rückblick. Am Wahlkampf beteiligen sich traditionell nicht nur Politiker, sondern auch Standesvertreter und Funktionäre. Wenig überraschend meldete sich Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, zu Wort. Homöopathie habe im Leistungskatalog der GKV nichts verloren, denn es fehle jeglicher Nutzennachweis, kritisierte Gassen. „Auch nicht als Satzungsleistung, solange der Nutzen nicht nachgewiesen ist.“ Für ihn sei es „absurd, wie viel Geld manche gesetzliche Versicherung für Kügelchen und Tinkturen aus dem Fenster wirft, deren Wirksamkeit – selbst nach eigenem Bekunden der Kassen – nicht belegt ist“. Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, schlug in die gleiche Kerbe: „Es sollte den Kassen untersagt werden, Dinge zu bezahlen, für die es keine Evidenz gibt.“ Sowohl Gassens als auch Heckens Worte stießen in der Presse auf breite Resonanz. Jetzt war die Politik gefragt. Mechthild Heil (CDU) griff das Thema auf. „Für die meisten dieser Präparate liegt kein Nachweis der Wirksamkeit vor, es erfolgt keine Zulassung mit klinischen Studien, lediglich eine Registrierung“, sagte die Verbraucherschutzbeauftragte der Unions-Bundestagsfraktion. „Der ausschließliche Verkauf in Apotheken erweckt dabei den Anschein, es würde sich um wissenschaftlich anerkannte Alternativen zu schulmedizinischen Medikamenten handeln.“
Politiker kamen aber längst nicht zur Ruhe. Nachdem mehrere Patienten beim Heilpraktiker durch alternative Krebstherapien gestorben waren, wuchs der Druck. Ein Drogenexzess durch Selbstversuche während eines Seminars machte die Sache nicht besser. Die Forderung nach stärkeren gesetzlichen Einschränkungen wuchs. Nach wie vor gelten im Wesentlichen Regelungen des Heilpraktikergesetzes aus dem Jahr 1939. Im Rahmen ihres „Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Gesetze“ (PSG III) hat sich die frühere Bundesregierung Ende 2016 mit der Thematik befasst. Danach herrschte wieder Funkstille. Eigentlich sollte das Bundesministerium für Gesundheit Leitlinien zur Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern ausarbeiten. Nach Monaten des Wartens zirkuliert ein erster, reichlich umstrittener Entwurf. Demnach müssten Heilpraktiker in spe beim Examen künftig 45 von 60 Multiple-Choice-Fragen richtig beantworten. Ein mündlicher Teil ist ebenfalls vorgesehen. Innerhalb von 60 Minuten soll eine Prüfungskommission vier Prüflinge befragen. Weitere Reformbemühungen aus Berlin blieben vergleichsweise vage. Die Rede ist vom Arztvorbehalt, sprich manche Tätigkeiten sollen ohne Approbation verboten werden. Das Ministerium will Heilpraktiker zudem verpflichten, nur Verfahren einzusetzen, die sie sicher beherrschen. Diese Vorschläge gehen Medizinern nicht weit genug. In einer Stellungnahme schreibt die Bundesärztekammer, es sei nicht nachvollziehbar, wie eine wirkungsvolle Gefahrenabwehr mit den neuen Regelungen funktionieren solle. „Unseres Erachtens wird grundlegend die Komplexität des medizinischen Kontextes, insbesondere das Ausmaß des notwendigen medizinischen Wissens, verkannt, welches für eine gefahrenminimierte Ausübung der Heilkunde notwendig ist.“ Zielführender sei eine „deutliche Beschränkung des erlaubten Tätigkeitsumfangs“, heißt es weiter. Auf der Verbotsliste sehen Ärzte invasive Maßnahmen sowie die Behandlung von Krebserkrankungen. Damit steht die BÄK keinesfalls allein auf weiter Flur. Vor wenigen Monaten präsentierte ein Expertengremium Eckpunkte zur umfassenden Reform des Heilpraktikerwesens. In ihrem „Münsteraner Memorandum“ stellen sie auch die Frage, inwieweit das Berufsbild heute noch sinnvoll wäre. Die Debatte darüber findet in allen Medien statt. Ob die Diskussion um homöopathische Mittel und den Beruf des Heilpraktikers dazu führt, dass die Verkaufszahlen der Präperate sinken, bleibt bisher nur Spekulation. Fest steht, dass sich das Kaufverhalten der Patienten verändert hat.