Sensation aus Ziegenmist?
Einem Team der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg gelang die weltweit erste Totalsynthese von Disorazol Z1. In der Natur produzieren Myxobakterien den Stoff, die unter anderem in Ziegenmist vorkommen. Da Disorazol Z1 hoch zytotoxisch ist, haben die Chemiker besondere Sicherheitsvorkehrungen während der Synthese getroffen und nur eine sehr geringe Menge hergestellt. Das Team um Seniorprofessor Dr. Dieter Schinzer hofft, die synthetische Verbindung eines Tages so modifizieren zu können, dass sie gezielt in der onkologischen Medizin eingesetzt werden kann. Im nächsten Schritt wollen die Chemiker ihre Entdeckung aber zunächst patentieren – und dann auch die Forschungsergebnisse zugänglich machen. Genau das macht eine tiefergehende Bewertung der Arbeit momentan schwierig: Abgesehen von der Pressemitteilung der Universität ist nichts veröffentlicht. Schinzer sieht darin nichts Ungewöhnliches, für ihn sei die Patentierung seiner Daten vor Veröffentlichung normal. Dass Onkologen das anders sehen könnten, bringt Jutta Hübner, Professorin für Integrative Onkologie vom Universitätsklinikum Jena, auf den Punkt: „Es ist ehrlich gesagt immer wieder ernüchternd, welche Hoffnungen mit solchen Meldungen geweckt werden.“ Es gebe enorm viele natürliche Substanzen, die zytotoxisch wirken. Ob sie sich tatsächlich für die Onkologie eignen, sei damit aber längst nicht klar. Auch müsse ein potenzieller Wirkstoff erst Jahre an Studien und Testreihen hinter sich bringen, bis er tatsächlich eingesetzt werden könne. Medial wird das Ganze indes längst als onkologischer Durchbruch gefeiert. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung gibt sich Schinzer hierüber empört: „Wir haben von einem Durchbruch in der Chemie, nicht in der Medizin gesprochen. Ich bin schließlich Naturstoffchemiker.“ Dass die Pressemitteilung seiner Universität ihn allerdings selbst recht ähnlich zitiert, scheint ihn weniger zu stören. Dort bezeichnet Schinzer die chemische Synthese von Disorazol Z1 als „große[n] Fortschritt für die Krebsforschung“. Immerhin ist hier nicht von einem praktischen Einsatz die Rede, den einige Laienmedien schon in greifbare Nähe rücken (einige Beispiele: „Gute Nachricht für die Onkologie“, RP Online; „Ist das wirklich der Durchbruch gegen Krebs?“, Chiemgau24; „Deutschen Forschern gelingt ‚Durchbruch‘ im Kampf gegen Krebs“, Focus Online). |