IgG4-assoziierte Erkrankungen haben viele Gesichter und stellen Ärzte damit oft vor Herausforderungen. Neue Daten zeigen: Inebilizumab kann Schubraten deutlich senken – bis hin zur Remission.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Bei IgG4-assoziierten Erkrankungen (IgG4-RD) richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Es kann viele Organe angreifen – sogar gleichzeitig. Besonders häufig sind die Bauchspeicheldrüse, Gallengänge, Kopfspeicheldrüsen, das Bauchgewebe, die Augen und die Lunge betroffen.
Eine große Herausforderung: Die Krankheit tarnt sich und gilt als Chamäleon. Welche Symptome auftreten, hängt stark davon ab, welche Organe unter Beschuss stehen: Bei Beteiligung der Augen kann es zu Schwellungen und Doppeltsehen kommen. Eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse kann zu Pankreatitis oder Diabetes führen – und bei einem Befall der Gallengänge kann sich eine Gelbsucht entwickeln.
Viele Patienten haben bis zur korrekten Diagnose eine Odyssee hinter sich. Nicht selten vermuten Ärzte zunächst onkologische Erkrankungen. Eine auffällige Fibrose des Gewebes und eine massive Ansammlung IgG4-positiver Plasmazellen liefern jedoch Hinweise auf IgG4-RD.
Im Zentrum der Pathophysiologie steht das Immunglobulin G4 (IgG4), eine der vier Subklassen des Immunglobulins G. IgG4 macht dabei mit etwa 3 bis 6 % den kleinsten Anteil aus. Bei IgG4-RD schießt der IgG4-Spiegel jedoch in die Höhe.
Normalerweise schützt IgG4 gegen überbordende Entzündungen. Wird das Molekül jedoch in großen Mengen produziert, kann es paradoxerweise selbst zur Ursache von krankhaften Immunreaktionen und Gewebeschäden werden. Die genauen Ursachen der Erkrankung sind noch nicht ganz geklärt. Gene und Umweltfaktoren scheinen wie so oft eine Rolle zu spielen.
Bei der Therapie versuchen Ärzte, Entzündungen zu unterdrücken und das Risiko dauerhafter Organschäden zu verringern. In der akuten Phase kommen meist Glukokortikoide wie Prednison zum Einsatz. Diese wirken oft – aber nicht immer – zuverlässig und lindern bei vielen Patienten die Beschwerden.
Weitere Optionen gibt es bei Rückfällen oder zur Langzeitkontrolle. Rituximab, ein monoklonaler Antikörper, kann die Konzentration von IgG4 deutlich senken und wirkt gezielt gegen krankheitsrelevante B-Zellen. Das Biological wird off-label verordnet. Alternativ kommen Immunmodulatoren zum Einsatz.
Dennoch erleiden viele Betroffene Rückfälle – und Dauertherapien führen zu teils erheblichen Nebenwirkungen. Oft fehlen auch methodisch hochwertige Studien, um einen Wirkstoff zu bewerten. Der Bedarf an neuen, evidenzbasierten Therapien ist demnach groß.
Doch neue Studiendaten lassen aufhorchen: Im Rahmen der internationalen, multizentrischen Phase-3-Studie MITIGATE wurde die Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers Inebilizumab bei IgG4-assoziierten Erkrankungen untersucht. Studiensponsor ist der pharmazeutische Hersteller Amgen.
Inebilizumab richtet sich gezielt gegen CD19-positive B-Zellen, die eine zentrale Rolle im Krankheitsgeschehen spielen, und reduziert deren Anzahl. Dieser Ansatz gilt bei IgG4-RD als besonders vielversprechend, da B-Zellen wesentlich an der Entstehung und Aufrechterhaltung der Erkrankung beteiligt sind.
Inebilizumab (Handelsname Uplizna®) ist bereits für eine andere Autoimmunerkrankung zugelassen, nämlich zur Behandlung von Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD). Aufgrund der neuen Daten hat die US-Arzneimittelbehörde (FDA) auch für IgG4-RD grünes Licht gegeben.
Forscher haben in die Studie 135 Patienten mit aktiver IgG4-RD eingeschlossen. Sie erhielten randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder Inebilizumab oder ein Placebo. Die Behandlung umfasste drei Infusionen über ein Jahr hinweg (an Tag 1, Tag 15 und in Woche 26). Beide Gruppen erhielten zudem eine identische Glukokortikoid-Therapie mit Ausschleichen. Weitere immunsuppressive Begleitmedikamente waren nicht erlaubt. Glukokortikoide durften jedoch bei Schüben erneut eingesetzt werden.
Die Ergebnisse waren mehr als deutlich: Nur 10 % der mit Inebilizumab behandelten Personen erlitten im Beobachtungszeitraum von 52 Wochen einen Krankheitsschub, verglichen mit 60 % in der Placebogruppe. Die jährliche Schubrate konnte damit signifikant verringert werden. Auch erreichten deutlich mehr Patienten unter Inebilizumab eine vollständige Remission – und das ohne zusätzliche Behandlung oder Glukokortikoide. Die Wahrscheinlichkeit, schubfrei und ohne Kortison in Remission zu bleiben, war unter Inebilizumab fast fünfmal so hoch wie unter Placebo.
Die Studie liefert auf methodisch hohem Niveau einen Beleg für die Wirksamkeit der B-Zell-Depletion über CD19 bei IgG4-RD. Sie könnte dazu beitragen, Daten für eine Indikationserweiterung von Inebilizumab zu liefern. Auf den ersten Blick mögen 135 Patienten wenig erscheinen. Bei einer seltenen Erkrankung – betroffen sind je nach Land und Datenquelle 1 bis 20 Menschen pro 100.000 Einwohner – sind größere Kohorten aber kaum möglich.
Bezüglich der Sicherheit zeigte sich ein moderat erhöhtes Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen in der Inebilizumab-Gruppe (18 % gegenüber 9 % unter Placebo). Insgesamt schätzen die Forscher die Nebenwirkungen jedoch als vertretbar ein. Um das Sicherheitsprofil besser zu bewerten, sind langfristige Daten erforderlich, etwa über ein Patientenregister.
Die Therapie birgt aber noch weitere Risiken: Durch die gezielte Ausschaltung Antikörper-produzierender B-Zellen kann es zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen kommen. Besonders problematisch ist auch eine schwächere Immunantwort auf Impfungen, was das Risiko für schwere Verläufe von COVID-19, Influenza oder anderen Infektionskrankheiten erhöht. Die Studienautoren empfehlen deshalb, Patienten vor Therapiebeginn zu impfen und die Behandlung engmaschig anhand von Entzündungsmarkern im Blut zu steuern.
Das Wichtigste auf einen Blick
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