Kurze Zündschnur, Hitzewallungen und Scheidentrockenheit: Viele Symptome der Menopause sind für Frauen unangenehm. Ab wann eine Hormonersatztherapie nötig ist – und wie sie gelingt.
Durchschnittlich erleben Frauen ihre letzte Periodenblutung (Menopause) zwischen dem 51. und 52. Lebensjahr. Zuvor wird der Zyklus meist unregelmäßig und es stellen sich typische Symptome ein.
Klimakterische Beschwerden beeinträchtigen je nach Ausprägung das subjektive Lebensgefühl und die individuelle Leistungsfähigkeit. Man kann die Beschwerdeintensität ungefähr dritteln: Ein Drittel hat kaum Beschwerden und benötigt keine Therapie. Ein weiters Drittel hat starke vasomotorische Symptome (VMS) wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche, begleitet von Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen, Libidoverlust, Gelenkbeschwerden sowie vaginaler und ophthalmologischer Trockenheit. Oftmals ist ein normales Arbeits- und Privatleben ohne Therapie nicht möglich. Dazwischen liegt etwa ein Drittel an Patientinnen, deren Beschwerden zwar deutlich, aber weniger beeinträchtigend sind. Hier ist die Therapieempfehlung mitunter schwierig.
Die Indikation für eine Hormonersatztherapie (HET) ist dann gegeben, wenn klimakterische Beschwerden eine klinisch relevante Beeinträchtigung der Lebensqualität verursachen. Alternativ sollten zuvor Isoflavone und Cimicifuga-Präparate eingesetzt, bei Beschwerden aus dem psychosomatischen Bereich entsprechende Therapieformen und generell Lebensstilveränderungen besprochen werden.
Generell geht man davon aus, dass bei gesunden Frauen eine HET eine geeignete und sichere Option zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden ist – vorausgesetzt, man beginnt vor dem 60. Lebensjahr oder innerhalb von 10 Jahren nach Einsetzen der Menopause. Experten raten von generellen Laborbestimmungen ab. Sie werden nur bei klinisch oder therapeutisch nicht eindeutigen Situationen empfohlen. Sonderfälle sind die prämature Ovarialinsuffizienz (Menopause vor dem 40. Lebensjahr) und eine frühe natürliche oder iatrogen herbeigeführte Menopause (Menopause zwischen dem 40.–45. Lebensjahr). Hier stellt eine zu erwartende Hormonmangelsituation die Indikation für eine HET. Daneben bietet eine HET noch eine nachweisliche osteoprotektive Wirkung und wird deshalb in der Osteoporoseprophylaxe und -therapie eingesetzt.
In der beginnenden Perimenopause werden die menstruellen Zyklen unregelmäßiger und die ersten vasomotorischen und atrophischen Beschwerden treten auf. Ein- und Durchschlafstörungen sowie Gereiztheit bis hin zu depressiven Verstimmungen erschweren das tägliche Leben. Oftmals helfen zunächst Phytopräparate und eine vaginale Östrogenisierung lindert die Trockenheit. Halten die Beschwerden an, sind Gestagene in der zweiten Zyklushälfte eine gute Stabilisierungshilfe. Bevorzugt wird die zyklische Gabe eines bioidentischen Gestagens, etwa Progesteron. Eine weitere Option im perimenopausalen Übergang ist eine kontinuierliche Gestagenmonotherapie mit etwa 4 mg Drospirenon, die bei zunehmend vasomotorischen Beschwerden durch eine transdermale Estradioltherapie im Off-Label-Use ergänzt werden kann
Eine 47-jährige Patientin berichtet bei der jährlichen Krebsvorsorge über seit etwa sechs Monaten bestehende Zyklusunregelmäßigkeiten. Sie fühle sich zunehmend unausgeglichen und habe bei Meinungsdifferenzen „eine immer kürzere Zündschnur“. Besonders machen ihr die Schlafstörungen zu schaffen. Hin und wieder überkommen sie Schweißausbrüche und Hitzewallungen, die würden sich aber noch im Rahmen halten. Da sie bereits pflanzliche Cimicifuga-Präparate erfolglos eingesetzt hat, möchte die Patientin eine medikamentöse Therapie ausprobieren. Es wird mit ihr die Möglichkeit einer Gestagenmonotherapie mit 4 mg Drospirenon besprochen, die die typischen starken Hormonschwankungen abmildert und als Nebeneffekt eine sichere Antikonzeption gewährt. Nach drei Monaten berichtet die Patientin über eine deutliche Reduktion der Symptome. Nach zwei Jahren nehmen die vasomotorischen Beschwerden allerdings stark zu, sodass eine transdermale Estradioltherapie ergänzend zur Gestagenmonotherapie empfohlen wird.
Anschließend wäre eine der beiden klassischen HET-Formen möglich:
In der Postmenopause bietet sich eine kontinuierliche Kombinationstherapie aus Östrogenen und Gestagenen an. Bei hysterektomierten Frauen ist eine kontinuierliche Östrogen-Monotherapie ausreichend. Prinzipiell sind transdermale Estradiolgaben (Gel oder Spray) kombiniert mit oraler oder vaginaler Gestagenapplikation möglich. Eine HET kann auch rein oral oder in Form von Pflastern erfolgen.
Als Kontraindikationen für eine HET gelten:
Situationen, die eine sorgfältige Überwachung erfordern, sind:
Im ersten Behandlungsjahr ist das thromboembolische Risiko am höchsten. Im Vergleich zur oralen Therapie wird bei der transdermalen Estradioltherapie das thromboembolische Risiko als gering bis kaum eingeschätzt. Durch den positiven Einfluss auf Gefäßwand und Fettstoffwechsel wirkt das Estradiol bei frühzeitigem Therapiebeginn der Entwicklung einer Atherosklerose entgegen. Bei vorbestehenden kardio- und zerebrovaskulären Erkrankungen kann eine neu begonnene HET einen ungünstigen Einfluss haben. Zur sekundären Prävention von koronaren Herzerkrankungen ist eine HET nach derzeitigem Wissenstand daher nicht geeignet. Bei der transdermalen Applikation ist nach aktueller Datenlage das Apoplexrisiko nicht erhöht. Beobachtungsstudien zufolge scheint die Anwendung von mikronisiertem Progesteron im Vergleich zu synthetischen Gestagenen vorteilhafter bezüglich des Brustkrebsrisikos.
Die Kombination einer bioidentischen HET aus transdermalem Estradiol mit mikronisiertem Progesteron wird von einigen Experten aktuell als optimale Therapieform für Frauen mit intaktem Uterus angesehen.
Sexualsteroide können das Wachstum von hormonabhängigen Tumoren beeinflussen. Bei Frauen unter mehrjähriger Therapie mit Estrogen-Gestagen-Kombinationen wird ein geringer Anstieg der Mammakarzinominzidenz beobachtet. Möglicherweise reduziert eine Östrogenmonotherapie zunächst das Mammakarzinomrisiko, erhöht es aber nach einer über 15-jährigen Therapie.
Frauen mit Uterus müssen zum Schutz des Endometriums immer ein Gestagen in Kombination mit einem Östrogen einnehmen. Eine langfristige kombinierte Einnahmedauer über 10 Jahre kann mit einer Risikoerhöhung für ein Endometriumkarzinom vergesellschaftet sein. In Beobachtungsstudien wurde eine Absenkung des Risikos für ein Kolon- und Rektumkarzinom unter HET verzeichnet. Die Datenlage für das Ovarialkarzinom ist uneinheitlich.
Ein perimenopausaler Beginn ist von Vorteil, spätestens aber innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause bzw. vor dem 60. Lebensjahr. Patientinnen mit vorzeitiger oder früher Menopause profitieren von einer HET. Generell ist eine HET sorgfältig zu überwachen. Dabei werden anamnestische Risikokonstellationen evaluiert, der Blutdruck bestimmt, Mammographiebefunde regelmäßig erhoben und die weiterhin bestehende Notwendigkeit einer Therapie geprüft. Es existiert keine Maximalangabe an Jahren, nach der eine HET beendet werden sollte. Prinzipiell müssen für die Indikation einer langfristigen Hormonsubstitution die Vorteile gegenüber möglichen Risiken abgewogen werden.
Die Wechseljahre gehören natürlicherweise zum Leben einer Frau. Sie können mitunter die Lebensqualität stark einschränken und eine Hormontherapie nötig machen. Bei sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung hat sie mehr Vor- als Nachteile und sollte im Bedarfsfall nicht vorenthalten werden.
Vorsicht ist geboten in thromboembolischen, kardio- und zerebrovaskulären Risikokonstellationen. Bei schweren Leberfunktionsstörungen und bei Malignomen der Brust, der Gebärmutter und der Zervix (Adenokarzinom), sollte keine HET erfolgen. Eine leichte Erhöhung des Mammakarzinomrisikos wird beschrieben. Eine bioidentische HET aus transdermalem Estradiol und – bei intaktem Uterus – mikronisiertem Progesteron, scheint insgesamt von Vorteil zu sein.
Und es gibt auch Mutmachendes über diese ganz besondere Lebensphase einer Frau: „Was, wenn die Menopause nicht das Ende meines Frauseins, sondern den Aufbruch in die vielleicht beste und produktivste Zeit meines Lebens markiert?“, meint zumindest die 47-jährige Schriftstellerin Stefanie de Velasco in Die Zeit.
Weihser, R.: Zweiter Frühling für neun Millionen. Die Zeit, 2025.
Bildquelle: erstellt mit DALL-E