Ob jung oder alt – Osteoporose ist für viele Frauen früher oder später Thema. Wann es brisant wird und welche Rolle Vitamin D dabei spielt, zeigen diese drei Fälle aus der Praxis.
Besonders in den Übergangsphasen verschiedener Lebensabschnitte spielen Hormonschwankungen für die Knochengesundheit eine herausragende Rolle. Frauen können zu Patientinnen werden, wenn die Hormonkonzentrationen krankheitsbedingt oder aufgrund veränderter Lebensumstände von der Norm abweichen. Davon betroffen sind junge Frauen, besonders aber Patientinnen in den Wechseljahren oder mit Karzinomerkrankungen.
Wachstum und Knochenaufbau spielen in der Adoleszenz eine große Rolle. Die Knochengesundheit wird u. a. durch die vermehrte Hormonproduktion während der Pubertät geregelt, die mit der ersten Regelblutung (Menarche) einen individuellen Einschnitt erreicht. Kritisch wird es dann, wenn dieser normale Regelkreis krankheitsbedingt gestört ist.
Eine 20-jährige Patientin stellt sich konsiliarisch in der gynäkologischen Sprechstunde vor. Sie befindet sich momentan in einer psychosomatischen stationären Therapie. Die Menarche fand mit 12 Jahren statt, nach einem zunächst unregelmäßigen Zyklusgeschehen von 1,5 Jahren stellte sich ein weitgehend regelmäßiger Zyklus bis zum 16. Lebensjahr ein. Seit vier Jahren leidet die junge Frau unter Anorexia nervosa, was zunächst erneut zu unregelmäßigen Zyklen führte. Seit zwei Jahren besteht eine sekundäre Amenorrhoe. Der BMI ist unter der stationären Therapie ansteigend und liegt momentan bei 16. Es zeigen sich normale sekundäre Geschlechtsmerkmale, der gynäkologische Ultraschall lässt eine weitgehende Funktionsruhe ohne sonstige Pathologien erkennen. Im Hormonlabor sind Gonadotropine, Prolaktin, Androgene und Schilddrüsenwerte normwertig. Estradiol liegt mit 10 pg/ml auf dem niedrigen Niveau einer Ovarfunktionsruhe.
Mit der Patientin wird insbesondere im Hinblick auf die Knochengesundheit, deren Voraussetzung eine altersgemäße Hormonproduktion ist, über eine hormonelle Substitutionstherapie gesprochen. Sie bevorzugt ein Präparat mit antikonzeptioneller Wirkung, wogegen keine Kontraindikationen bestehen. Es wird ein kombiniertes Kontrazeptivum mit natürlichem Östrogen empfohlen. Bis zum vollendeten 22. Lebensjahr lässt sich dies über ein GKV-Rezept verordnen. Ohne Antikonzeptionswunsch wäre auch eine transdermale Östradioltherapie in Kombination mit einem natürlichen Progesteron denkbar. Der Östradiolspiegel sollte hierbei kontrolliert werden und mindestens 50 pg/ml betragen.
Die Sorge um eine ausgewogene Ernährung ist Bestandteil der psychotherapeutischen Behandlung, ebenso ein Bewegungsprogramm. Calcium- und Vitamin-D-Spiegel werden regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf mit entsprechenden Präparaten ergänzt. Eine Osteodensitometrie kann zur Einschätzung der Situation hilfreich sein.
Durchschnittlich erleben Frauen ihre letzte Regelblutung (Menopause) zwischen dem 51. und 52. Lebensjahr. Zuvor wird der Zyklus meist unregelmäßig und es kann zu den typischen klimakterischen, insbesondere vasomotorischen Beschwerden kommen. Erfolgt die Menopause vor dem 40. Lebensjahr, spricht man von einer prämaturen Ovarialinsuffizienz.
Eine 39-jährige Patientin stellt sich wegen sekundärer Amenorrhoe erstmalig in der Praxis vor. Vor 1,5 Jahren wurde der Zyklus zunehmend unregelmäßig und vor etwa 10 Monaten trat letztmalig eine Periodenblutung auf. Eine Schwangerschaft ist ausgeschlossen. Die Patientin ist dahingegen beunruhigt, da es bei ihrer Mutter ähnlich gewesen sei und diese nun an einer ausgeprägten Osteoporose leide. Im gynäkologischen Ultraschall stellen sich ein flaches Endometrium und beidseitige Ovarien in Funktionsruhe dar. Das im Abstand von acht Wochen zweimalig abgenommene Hormonlabor zeigt eine postmenopausale Funktionsruhe mit FSH > 40 U/l und Estradiol < 15 pg/ml. Außerdem klagt die Patientin über vasomotorische Beschwerden, begleitet von Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen. Der Patientin wird aufgrund einer prämaturen Ovarialinsuffizienz eine Hormonersatztherapie empfohlen. Außer einem leicht erhöhten BMI bestehen keine Kontraindikationen, die Familienplanung ist nach Vasektomie abgeschlossen. Weitere Untersuchungen durch den Hausarzt ergeben keine Komorbiditäten zur prämaturen Ovarialinsuffizienz.
Die Patientin entscheidet sich für eine transdermale bioidentische Therapie mit Estradiol und Progesteron. Eine vom Orthopäden durchgeführte Osteodensitometrie ergibt eine leichte Verminderung der Knochendichte. Der Patientin werden als Basistherapie eine Vitamin-D- und Calcium-Supplementierung, eine Ernährungsberatung und regelmäßiger Sport empfohlen. Eine Kontrolluntersuchung wird vereinbart, um bei Bedarf eine spezifische Oesteoporosetherapie einzuleiten.
Karzinomerkrankungen und ihre Therapien können die Knochengesundheit beeinflussen, was ein rechtzeitiges Gegensteuern erfordert.
Eine 38-jährige Patientin sucht ihre Gynäkologin auf, da sie seit einer Woche in der rechten Brust etwas tasten kann. Der Tastbefund lässt sich im oberen äußeren Quadranten als schwer verschiebliche, etwa walnussgroße Resistenz wahrnehmen, die in der Mammasonographie als ein unregelmäßig begrenzter, echoarmer Tumor von 2 x 2,5 cm dargestellt wird. Die durchgeführte Mammographie erhärtet den Karzinomverdacht, eine Stanzbiopsie bestätigt ein invasives Karzinom. Die Patientin wird brusterhaltend operiert, es finden sich keine Metastasen.
Neben Bestrahlung und Chemotherapie erhält die Patientin im Anschluss alle vier Wochen ein GnRH-Analogon und täglich eine orale Antihormontherapie. Bei der Knochendichtemessung zeigt sich ein leicht verminderter Wert, so dass zunächst eine Calcium- und Vitamin-D- Supplementierung, Ernährungsberatung und Rehasport als Basistherapie empfohlen werden. Sollte sich bei der Kontrolluntersuchung ein Anstieg des Frakturrisikos ergeben, wäre eine spezifische Osteoporosetherapie mit beispielsweise einem Bisphosphonat zu diskutieren.
Vitamin D gilt gemeinsam mit Calcium als ein unverzichtbarer Bestandteil der Osteoporose-Basistherapie. Ein 25-Hydroxy-Vitamin-D-Serumspiegel von < 50 nmol/l ist mit einem erhöhten Risiko für proximale Femurfrakturen und nicht-vertebrale Knochenbrüche verbunden. Bei Frauen liegt das osteoporotische Frakturrisiko bei gleichem Lebensalter generell etwa 2-fach höher als bei Männern. Was den Einfluss eines Vitamin-D-Mangels auf die Entstehung einer Osteoporose betrifft, ist zu bedenken, dass der Knochenstoffwechsel relativ langsam verläuft. Außerdem kann ein im jüngeren Lebensalter bestehender Vitamin-D-Mangel die Knochendichte langfristig negativ beeinflussen.
Die entsprechende Leitlinie gibt eine generelle Tagesdosis von 800 Internationale Einheiten (IE) Cholecalciferol vor, um eine Vitamin-D-Unterversorgung auszugleichen. Ein adäquater Vitamin-D-Status wird nicht nur für die dargestellten Kasuistiken, sondern auch für Schwangerschaft- und Stillzeit, in der Reproduktionsmedizin und beim Prämenstruellen Syndrom (PMS) empfohlen.
Frauen- und Knochengesundheit liegen nahe beieinander. Unterschiedliche Lebensabschnitte, aber auch bestimmte Erkrankungen stellen Osteoporoserisiken dar. Im Sinne einer ganzheitlichen Patientenfürsorge ist es wichtig, über den eigenen Arbeitshorizont hinauszublicken und andere Fachbereiche wie die Allgemeinmedizin, Orthopädie oder Ernährungsmedizin miteinzubeziehen. Sollte eine Basistherapie nicht ausreichen, sind Experten für eine spezifische Osteoporosetherapie gefragt.
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