Diabetes in der Schwangerschaft schädigt Mutter und Kind gleichermaßen. Mögliche Folgen sind Präeklampsien oder fetale Makrosomien. Da entsprechende Stoffwechselstörungen oft unbemerkt bleiben, plädieren Diabetologen jetzt für bessere Tests.
Werdende Mütter sind in Gefahr: Bei etwa vier Prozent aller Schwangeren tritt Diabetes neu auf. Darüber hinaus leidet rund ein Prozent an präexistenten, aber unentdeckten Diabetesformen. Wie bei anderen Ausprägungen dieser Stoffwechselerkrankung schnellen Patientenzahlen rasant nach oben – vor allem übergewichtige Frauen sind betroffen. Auch werden Patientinnen immer jünger.
Zum medizinischen Hintergrund: Diabetes in der Schwangerschaft gilt als möglicher Risikofaktor einer Präeklampsie. Patientinnen müssen auch befürchten, im Laufe ihres Lebens einen manifesten Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Das berichten Soo Heon Kwak und Hak C. Jang, Seoul. Ihr Team untersuchte im Rahmen einer Langzeitstudie 843 Frauen mit Gestationsdiabetes. Jede zweite Probandin erkrankte acht Jahre nach ihrer Niederkunft an Typ-2-Diabetes. Zeitliche Unterschiede lassen sich vor allem mit dem Genotyp erklären. Varianten in der HHEX/IDE-Genregion führten sehr rasch zu erhöhten Blutzuckerwerten – bereits zwei Monate nach der Entbindung fanden Ärzte bei Kontrolluntersuchungen Anomalien. Sie bestätigten ältere Arbeiten, die Hinweise auf entsprechende Zusammenhänge geliefert hatten. Varianten bei CDKAL1 waren eher mit einer späteren Manifestation der Stoffwechselerkrankung verbunden. Ähnliche Aspekte untersuchen Wissenschaftler momentan im Rahmen der Deutschen Gestationsdiabetes-Studie (PREG).
Grund genug für Verantwortliche, schwangeren Frauen eine Untersuchung anzubieten. An der Methode scheiden sich jedoch wissenschaftliche Geister. Der Gemeinsame Bundesausschuss definiert in den „Mutterschafts-Richtlinien“ eine Untersuchung: „Jeder Schwangeren, die nicht bereits einen manifesten Diabetes hat, soll ein Screening auf Schwangerschaftsdiabetes mit nachfolgend beschriebenem Ablauf angeboten werden.“ Frauen trinken in nicht nüchternem Zustand Wasser mit 50 Gramm gelöster Glukose. Eine Stunde später bestimmen Ärzte den Blutzucker. „Es ist fraglich, ob dieser Suchtest zuverlässig ist und Frauen mit isoliert erhöhtem Nüchternblutzucker erfasst“, kritisiert Professor Dr. med. Ute Schäfer-Graf, Gynäkologin und Diabetologin aus Berlin. „Dadurch könnte möglicherweise ein zweistelliger Prozentsatz an erkrankten Frauen übersehen werden, wie die Daten der HAPO-Studie nahelegen.“ HAPO steht für Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome: eine Untersuchung, an der 25.505 Schwangere aus neun Ländern teilnahmen. Sowohl die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bevorzugen orale Glukosetoleranztests (oGTT) zwischen der 24. und der 28. Schwangerschaftswoche. „Damit empfiehlt die WHO ein zuverlässigeres Vorgehen, als derzeit das gesetzlich vorgeschriebene Screening auf Gestationsdiabetes in Deutschland vorsieht“, heißt es in einem Kommentar der DDG.
Um Screenings auf Gestationsdiabetes künftig zu vereinfachen, schlägt die Stunde moderner Technik. Michael Hummel, München, setzt auf elektronische Spürnasen. Im Rahmen einer Pilotstudie führte er bei 52 Schwangeren orale Glukosetoleranztests durch. Nach einer und nach zwei Stunden nahm er Proben ihrer Atemluft und untersuchte darin 142 flüchtige organische Komponenten (volatile organic compounds, VOCs). Verschiedene VOCs korrelierten tatsächlich mit der Diagnose Gestationsdiabetes. Gleichzeitig gelang es, Störungen der Glukosetoleranz im Grenzbereich beziehungsweise im deutlich pathologischen Bereich zu identifizieren. Noch ist Hummels Messverfahren nicht für Routineuntersuchungen geeignet. Der praktische Mehrwert steht jedoch außer Frage.
Mütter mit Schwangerschaftsdiabetes haben aber noch ganz andere Sorgen. Ihr Nachwuchs läuft Gefahr, in den ersten Lebenstagen eine neonatale Hypoglykämie zu erleiden. Zwar kann frühes Stillen oft Abhilfe schaffen, treten aber Krampfanfälle, Tremor, Lethargien oder muskuläre Hypotonien auf, spricht vieles für eine schlechte Stoffwechsellage. Ärzte messen mehrfach den Blutglukosespiegel, als Grenzwerte gelten 36 mg/dl (2,0 mmol/l) in den ersten Stunden des Lebens und 45 mg/dl (2,5 mmol/l) ab der 25. Lebensstunde. Deborah L. Harris und Jane E. Harding, Auckland, definieren als Grenzwert unabhängig vom Alter 2,6 mmol/l. Sie nahmen 514 Babys in ihre Studie auf und fanden bei 242 kleinen Patienten zu niedrige Glukosespiegel. Von ihnen wurden 237 randomisiert zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt. Ärzte massierten 118 Neugeborenen als Ergänzung zum Stillen ein 40-prozentiges Dextrosegel, sprich Glukose, in die Wangenschleimhaut ein. Weitere 119 Probanden erhielten wirkstofffreie Präparate. Mit dieser vergleichsweise einfachen und kostengünstigen Intervention lag der Erfolg um 43 Prozent höher als unter Placebo. Grund genug für die DDG, zusätzliche Gaben des Präparats zu empfehlen, sollte eine Fütterung kurz nach der Geburt allein nicht ausreichen.