Bewegung ist gut fürs Gehirn – dabei zählt nicht nur das Training mit der Hantel, sondern auch mit dem Füller. Wie Smartphones und PCs in Deutschland zu immer schlechterer Handschrift führen und wie das die kognitive Leistung beeinträchtigt.
Den Slogan „Bewegung ist Leben“ kennt man. Aber welchen Einfluss hat Bewegung auf die Kognition? Diese Frage stellten sich britische Forscher bei Erwachsenen ab 50 Jahren mit hohem Bildungsstand. Sie untersuchten an 76 gesunden Probanden zwischen 50 und 83 Jahren die Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität, sitzender Tätigkeit und Schlaf mit ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit am Folgetag.
Sie erhofften sich Aussagen darüber, ob und wie der altersbedingte Rückgang kognitiver Funktionen durch Bewegung und Schlaf beeinflusst werden kann. Die Probanden erhielten einen am Handgelenk getragenen, dreiachsigen Beschleunigungsmesser, der ohne Unterbrechung acht Tage Messdaten erhob. Zusätzlich führten sie täglich kognitive Tests durch. Mit dem Beschleunigungsmesser konnten körperliche Aktivitäten von Sitzzeiten sowie Schlafdauer und Schlafphasen unterschieden werden.
Die Ergebnisse sind ermutigend: Höhere körperliche Aktivität verbesserte am Folgetag die Leistungsfähigkeit des episodischen Gedächtnisses und des Arbeitsgedächtnisses, während sich längere Sitzzeiten besonders auf das Arbeitsgedächtnis nachteilig auswirkten. Signifikante Unterschiede ergaben sich für jede zusätzliche 30-minütige Aktivität bzw. Sitzen. Außerdem war eine Schlafdauer von über sechs Stunden vorteilhafter als eine kürzere, und mehr REM-Schlaf verbesserte die Aufmerksamkeit. Einen interessanten Effekt gab es bezüglich der positiven Stimmung der Probanden: Nach körperlicher Aktivität hielt sie bis zu 24 Stunden an.
Was sollten Ärzte ihren älteren Patienten dementsprechend empfehlen – mehr körperliche Aktivitäten wie Spaziergänge, Walken, Fahrradfahren oder Schwimmen? Oder auch weniger Sitzen und Schlaf von über sechs Stunden? Denn immerhin: Wenn man jeden Tag eine andere Aktivität durchführt, hat das positive Auswirkungen auf die Laune, was sich günstig auf die Partnerschaft und das soziale Umfeld auswirkt. Für ältere Menschen ist die Aufrechterhaltung der kognitiven Funktion notwendig, um die aktive soziale Teilhabe und Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Für diese Personengruppe heißt es: Bewegung ist Therapie.
Untersuchungen am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) bestätigen, dass körperliche Aktivität in fast allen Hirnregionen Volumen oder Dicke des Kortex erhöhen – besonders bei Senioren ab 70 Jahren. Am stärksten profitieren Hirnregionen mit hoher Anzahl an Mitochondrien, da ihre Leistung u. a. vom Blutfluss abhängt, der bei Bewegung erhöht ist. Gemutmaßt wird, ob dadurch Nervenzellen vor Schäden geschützt und neurodegenerative Erkrankungen vermindert werden können. Wenn dem so ist, wäre Bewegung Prävention.
Seit Anfang der 2000er Jahren belegen mehrere Studien mit Schulkindern den Einfluss der Bewegung auf kognitive Funktionen. Körperliche Aktivität verbessert sowohl die Konzentrationsfähigkeit als auch die Lernleistung. Trotzdem mangelt es an Pädagogen, die mit ihren Schülern nach jeweils 90 Schulminuten ein fünfminütiges Aktivitätsprogramm durchführen. Dabei wäre diese Zeit gut investiert und würde einerseits den Schülern das Lernen erleichtern und andererseits ihren unterdrückten Bewegungsdrang fördern.
Studien belegen die Notwendigkeit von Bewegung sowohl für die motorische als auch für die Hirnentwicklung. Synapsen entwickeln sich bis zum fünften Lebensjahr zu 50 %, bis zum siebten Lebensjahr zu 70 % und bis zum zwölften Lebensjahr zu 95 %. Im Vergleich zu Neugeborenen haben Erwachsene nur noch halb so viele Neurone. Die Entwicklung der Feinmotorik hat eine besondere Bedeutung (speziell: die Grafomotorik). Für die Fähigkeit, mit der Hand zu schreiben, werden bewegliche Gelenke, Auge-Hand-Koordination, Raumorientierung, taktile Wahrnehmung sowie eine präzise Kraft-Dosierung benötigt.
Es ist belegt, dass damit motorische Gedächtnisspuren im Gehirn hinterlassen werden. Alle diese Effekte fehlen oder sind nur deutlich eingeschränkt beim Tippen auf Tastaturen oder am Handy. Ungeschult entstehen Handschriften, die schwer zu entziffern sind. Länder in Europa, die bereits in der Grundschule Computer eingesetzt haben, verschieben inzwischen deren Einsatz um einige Jahre, damit Jungen und Mädchen zunächst eine gute Handschrift erlernen und von den positiven Wirkungen der Grafomotorik profitieren.
Man muss an Eltern und Pädagogen appellieren, zugunsten der Hirnentwicklung ihrer Kinder den zu frühen Einsatz moderner Medien zu überdenken. Das, was in jungen Jahren versäumt wird, ist in späteren Jahren nicht mehr aufzuholen. Bewegung ist für die Hirnentwicklung notwendig, sowohl motorische Bewegungserfahrungen des gesamten Körpers als auch die Auge-Hand-Koordination.
Bildquelle: Molly the cat, Unsplash