Zu intransparent, zu langsam, zu pharmagetrieben – schon lange übt der aktuelle US-Präsident scharfe Kritik an der WHO. Ist da was dran und braucht die WHO wirklich einen Neustart?
Am 20. Januar 2025 hat US-Präsident Donald Trump mit einem Dekret den Austritt der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besiegelt. Das war nicht überraschend: Bereits während seiner ersten Amtszeit verfolgte er dieses Ziel, doch Joe Bidens nachfolgende Regierung stoppte alle Schritte. Jetzt machte Trump Ernst. Während diese Politik kurzfristig als Zeichen nationaler Souveränität erscheinen mag, destabilisiert sie die Welt – auch zum Nachteil der USA.
Zum Hintergrund: Die Vereinigten Staaten waren traditionell einer der größten Geldgeber der WHO. Zwischen 2022 und 2023 stellten sie rund 18 % des Gesamtbudgets der Organisation bereit.
Der plötzliche Wegfall dieser Mittel hat erhebliche Konsequenzen:
Trumps Plan könnte sich auch für die USA zum Bumerang entwickeln, nicht nur durch ihren schwindenden Einfluss. Ohne enge Zusammenarbeit mit der WHO könnten die USA später als andere Länder auf neue Krankheitserreger reagieren. Außerdem koordiniert die WHO globale Impfprogramme. US-Forscher werden es schwieriger haben, an internationalen Projekten teilzunehmen.
Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach spricht von einer „Katastrophe“. Auf X schreibt er: „Es fehlen nicht nur [knapp] 20 % der Mittel, sondern auch sehr wichtige US-Fachleute.“
Ohne Zweifel kann die Weltgesundheitsorganisation auf eine lange Liste an Erfolgen zurückblicken. Dazu zählen u. a. die weltweite Ausrottung der Pocken im Jahr 1980. Auch ist zwischen 2000 und 2015 die Zahl der Malaria-Todesfälle um 60 % und die Zahl der Tuberkulose-Todesfälle um 37 % gesunken. Die Kinderlähmung steht kurz vor der Ausrottung, ebenso die lymphatische Filariose, eine parasitäre Krankheit der Tropen und Subtropen. In vielen Ländern ist es zudem gelungen, die HIV-Übertragung von Müttern auf Kinder einzudämmen.
Doch Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, gibt es nicht. Bei allem Unmut über Trumps wahnhafte Sparpläne bleibt eine Frage: Wäre der Zeitpunkt nicht ideal, um dringende Reformen einzuleiten?
Beispielsweise gilt die Reaktion der WHO auf globale Gesundheitskrisen als verbesserungswürdig, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt. Während der COVID-19-Pandemie warfen Forscher der Organisation vor, zu spät auf den Ausbruch reagiert und sich zu stark auf die Informationen aus China verlassen zu haben. Obwohl bereits im Februar 2020 Experten vom Risiko einer Pandemie gesprochen hatten, erklärte die WHO die Situation erst am 11. März 2020 offiziell zur Pandemie.
Genau das Gegenteil ist im Jahr 2009 passiert. Während der Schweinegrippe-Pandemie (H1N1) hatte die WHO frühzeitig eine weltweite Pandemie ausgerufen, was zahlreiche Regierungen dazu veranlasst hat, große Mengen an Impfstoffen zu kaufen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass WHO-Virologen die Gefährlichkeit des Virus überschätzt hatten; große Mengen an Vakzinen landeten im Müll. Der damalige Vorsitzende des Unterausschusses für Gesundheit in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Wolfgang Wodarg, beantragte eine Untersuchung zur Rolle der WHO bei der Ausrufung der Pandemie. Er äußerte Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte und hinsichtlich der Transparenz der Entscheidungsprozesse.
Ähnlich problematisch war die Reaktion auf die Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika. Obwohl erste Fälle bereits im März 2014 auftraten, erklärte die WHO erst am 8. August 2014 den Ausbruch zu einem internationalen Gesundheitsnotfall. Diese Verzögerung haben Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) scharf kritisiert. Eine frühe Intervention hätte die Ausbreitung des Virus womöglich gestoppt.
Auch die Finanzierung der WHO ist nicht frei von Tadel. Der größte Teil des Budgets stammt aus freiwilligen Beiträgen von Ländern, Stiftungen und Unternehmen – darunter auch große Pharmaunternehmen oder privaten Organisationen wie der Bill & Melinda Gates Foundation.
Große Teile des Budgets sind Fördermittel, die oft an Projekte gebunden sind. Genau hier wird es kritisch, denn die WHO gibt auch Empfehlungen zu Medikamenten und Impfstoffen ab. Ihre enge Zusammenarbeit mit Pharmakonzernen lässt vermuten, dass wirtschaftliche Interessen von Herstellern bei Spenden eine große Rolle spielen.
Auch mit der Neutralität ist es so eine Sache. Ein Beispiel: Auf Druck der Volksrepublik China hat die WHO Taiwan von Veranstaltungen ausgeschlossen, obwohl das Land eine nachweislich erfolgreiche Strategie im Umgang mit COVID-19 vorzuweisen hat. Und Reportern aus Taiwan wurde der Zugang zur Weltgesundheitsversammlung verwehrt: Ein klarer Fall von politischer Einflussnahme, die nichts mit den gesundheitlichen Aufgaben der WHO zu tun hat.
Mein Fazit: Die WHO ist unverzichtbar für die globale Gesundheit – doch politische Einflussnahme, finanzielle Abhängigkeit, langsame Entscheidungsprozesse und intransparente Kommunikation bremsen sie aus. Um in Krisen schneller und unabhängiger handeln zu können, braucht es dringend Reformen.
Ein zentraler Hebel ist die finanzielle Unabhängigkeit. Statt von freiwilligen Spenden großer Geldgeber abhängig zu sein, müssen feste Beiträge der Mitgliedsstaaten steigen. Und ein globaler Fonds könnte sicherstellen, dass die WHO in Pandemien sofort reagieren kann, ohne erst auf politische Zusagen für Gelder zu warten. Auch sind internationale Abgaben auf Tabak, Alkohol oder Zucker zu Gunsten der WHO denkbar.
Die WHO muss auch ihre Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie offener gestalten, Entscheidungsprozesse klarer kommunizieren und sich konsequent an wissenschaftliche Fakten halten, frei von politischen Interessen. Jetzt ist die Zeit für einen Neustart. Eine reformierte WHO könnte weltweit mehr Leben retten – ansonsten wird die Luft langsam dünn.
Bildquelle: erstellt mit Midjouney