Eine 44-jährige Frau kann seit fast einem Jahr nicht mehr richtig essen – ihr Mund ist übersät von Erosionen und Pusteln. Wie es dazu kommen konnte und wie die Ärzte ihr schließlich halfen.
In einen saftigen Apfel beißen, Schokolade auf der Zunge schmelzen lassen oder ein gutes Stück Pizza verschlingen – die meisten Menschen finden Genuss im Essen. Doch der Patientin in diesem Case Report ist diese Freude wahrlich abhandengekommen. Denn für die letzten Monate war jeder Bissen mit starken Schmerzen verbunden.
Als die 44-jährige Frau sich in der oralmedizinischen Klinik vorstellt, berichtet sie, in den letzten Monaten ungewollt einiges an Gewicht verloren zu haben. Der Grund wird den Ärzten auf den ersten Blick klar: Ihre Lippen sind geschwollen und mit blutenden Erosionen und gelben Pusteln bedeckt. Zudem hat sie Erosionen am harten Gaumen, Zunge und der Wangenschleimhaut. Die Patientin berichtet, dass die Geschwüre und Blasen an den Lippen vor etwa elf Monaten das erste Mal auftraten. Seit sechs Monaten hat sie zudem schlaffe Bläschen an Armen und Beinen. Bei der körperlichen Untersuchung fallen zudem eine Gingivitis und Mundgeruch auf.
Untersuchung der Patienin: A) Erosionen und Pusteln an Lippen. B) Erosionen am harten Gaumen. C) Erosionen an Mund, Zunge und Wangenschleimhaut. D) Immunfluoreszenz der Gaumen-Biopsie. Credit: Katz et al.
Die Ärzte machen eine Biopsie der Gingiva. Unter dem Mikroskop zeigt sich eine intraepitheliale Separation und Retention von Basalzellen entlang der Basalmembran. Die Immunfluoreszenz zeigt zudem IgG-Ablagerungen entlang der Epithelzellmembran. Daraufhin stellen die Ärzte die Diagnose Pemphigus vulgaris. Die Patientin wird an einen Dermatologen überwiesen und mit Prednison, steroidsparenden Immunsuppressiva und Rituximab behandelt. Nach sechs Monaten klingen die oralen Läsionen ab.
Beim Pemphigus vulgaris handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die unbehandelt tödlich endet. Bei einer richtigen Behandlung ist die Prognose aber gut. Schätzungsweise treten zwischen 0,1 und 0,5 Neuerkrankungen pro 100.000 Personen jährlich auf. Die Ätiologie ist nicht geklärt, ein Zusammenhang mit anderen Autoimmunerkrankungen, Karzinomen und Lymphomen wird aber vermutet. Interessanterweise hatte die Patientin im Fallbericht keine Vorerkrankungen – wieso sie einen Pemphigus vulgaris entwickelte, ist also völlig unklar.
Typischerweise verläuft die Erkrankung in zwei Phasen:
Es handelt sich hierbei um eine allergische Reaktion vom Typ II (zytotoxische Reaktion). Charakteristisch sind IgG-Antikörper gegen desmosomale Proteine der Epidermis. Deshalb wird für die Diagnostik eine Biopsie der (Schleim-)Haut empfohlen – auch im beschriebenen Fall gab sie den entscheidenden Hinweis.
Die entsprechende S2k-Leitlinie ist abgelaufen und wird derzeit überarbeitet. Empfohlen werden darin sowohl eine systemische immunsuppressive bzw. immunmodulierende Therapie, also auch topische Antiseptika und gegebenenfalls topische Kortikosteroide. Die größte Gefahr für Komplikationen liegt – wie so oft bei derartigen Hautkrankheiten – in Superinfektionen der Erosionen und daraus folgender Bakteriämie, Sepsis oder Schock. Deshalb ist es wichtig, die Wunden so sauber und steril wie möglich zu halten – was gerade im Mundbereich nicht immer einfach ist.
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