Es ist ein halber Sieg für uns Apos: Der EuGH verbietet Gutscheine für Online-Medikamente. Sofortrabatte bleiben aber weiter erlaubt – wie soll das zusammenpassen?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erneut ein Urteil gesprochen, das für die deutsche Apothekenlandschaft von zentraler Bedeutung ist. Dieses Mal im Fokus: die Werbung für Rx-Boni und die Frage, ob Gutscheine für nachfolgende Käufe zulässig sind. Die Entscheidung stärkt die Position der deutschen Apothekerkammern und unterstreicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes. Doch was bedeutet dieses Urteil für DocMorris, die Apothekenlandschaft und die Zukunft der Preisgestaltung für Arzneimittel?
Man könnte meinen, DocMorris hätte es sich zur Aufgabe gemacht, die deutschen Apothekenregularien in Brüssel und Luxemburg auf ihre Belastbarkeit zu prüfen. Immer wieder testet der niederländische Versender die Grenzen der Gesetzgebung, ob beim Fremdbesitzverbot, dem Rx-Boni-Verbot oder der Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. Und immer wieder müssen deutsche Gerichte und der EuGH nachjustieren.
2016 sorgte das Urteil zur Rx-Preisbindung für einen Paukenschlag: Der EuGH entschied, dass ausländische Versandapotheken nicht an die deutschen Festpreise gebunden sind. Ein herber Rückschlag für die Apothekerkammern, die um den Erhalt der flächendeckenden Versorgung kämpften. Doch genau aus diesem Urteil erwuchs der jüngste Rechtsstreit, denn DocMorris fühlte sich rückblickend durch die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) unrechtmäßig behindert – und verlangte satte 18,5 Millionen Euro Schadenersatz.
Nun hat der EuGH erneut Klarheit geschaffen: Gutscheine für nachfolgende Käufe sind in Deutschland nicht zulässig, wenn sie den Absatz von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln fördern. Damit bestätigt das Gericht, dass Werbemaßnahmen, die den Verbrauch von Arzneimitteln beeinflussen, strengen Regeln unterliegen – sowohl national als auch europäisch. Ein richtiger und wichtiger Schritt für den Verbraucherschutz. Interessanterweise geht das Gericht damit nicht in vollem Umfang mit dem Generalanwalt Maciej Szpunar konform, der argumentiert hatte, dass Ärzte ohnehin die Verschreibungshoheit innehaben und daher keine Gefahr eines Arzneimittel-Mehrgebrauchs bestehe. Ein fragwürdiges Argument, denn es ignoriert die Realität: Rabattaktionen können Patienten in ihrer Apothekenwahl beeinflussen, und Boni für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel könnten den Konsum ankurbeln.
Während der EuGH die Gutscheine für Folgekäufe als unzulässig erklärt hat, sieht er keine grundsätzliche Problematik in Werbeaktionen, die direkt auf die gesetzliche Zuzahlung gewährt werden. Nach dem Motto: „Gutschein für den nächsten Einkauf? Verboten! Sofortrabatt? Na gut …“
Das ist eine fragwürdige Differenzierung, denn letztlich bleibt das Ziel gleich: Kunden werden mit Preisvorteilen gelockt, was langfristig zu einer Marktverschiebung führen kann. Die deutschen Vor-Ort-Apotheken, die sich an strenge Regularien halten müssen, bleiben die Leidtragenden.
Das Urteil hat auch direkte Auswirkungen auf den milliardenschweren Prozess von DocMorris gegen die Apothekerkammer Nordrhein. Die Niederländer forderten einen Schadenersatz von über 18 Millionen Euro, da die AKNR ihnen durch ihre juristischen Maßnahmen angeblich unrechtmäßig den Marktzugang erschwert hatte. Doch dieses Urteil dürfte das Vorhaben von DocMorris zunichtemachen. Die Apothekerkammer hat keineswegs europarechtswidrig gehandelt, sondern sich auf geltendes Recht berufen. Dass sich die Rechtslage durch den EuGH-Entscheid von 2016 geändert hat, macht ihr Vorgehen nicht nachträglich unzulässig.
Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände begrüßt das Urteil des EuGH in wesentlichen Teilen. ABDA-Präsident Thomas Preis betont:
„Es ist richtig und wichtig, dass der EuGH den besonderen Charakter von Arzneimitteln anerkennt – ihre therapeutischen Wirkungen unterscheiden Arzneimittel substantiell von anderen Waren. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass der Gerichtshof die strengen Vorgaben des EU-Gesetzgebers zur Arzneimittelwerbung bestätigt. Denn: Diese Vorschriften dienen dem Verbraucherschutz. Gutscheinaktionen dürfen in keinem Fall dazu führen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zu einer übermäßigen Einnahme von Arzneimitteln motiviert werden. Egal ob rezeptpflichtig oder nicht – Arzneimittel haben Neben- und Wechselwirkungen. Die Einnahme sollte daher immer mit Ärztinnen und Ärzten und Apothekerinnen und Apothekern abgesprochen sein.“
Kritisch sieht Preis jedoch die Entscheidung des EuGH, wonach Preisnachlässe beim Einlösen von Rezepten nicht generell verboten werden können. „Die Apothekenzahl ist seit Jahren stark rückläufig, wir müssen weitere Apothekenschließungen unbedingt vermeiden. Dazu gehört nicht nur eine ausreichende wirtschaftliche Stabilisierung der Apothekenbetriebe – sondern auch Schutz vor einem ruinösen Preiswettbewerb.“
Dieses Urteil ist ein deutliches Signal: Arzneimittel sind keine gewöhnlichen Konsumgüter. Werbliche Anreize, die den Verbrauch beeinflussen könnten, werden strenger reguliert als bei anderen Produkten. Der Verbraucherschutz und die Sicherheit der Arzneimittelversorgung stehen über den Interessen einzelner Unternehmen, die mit fragwürdigen Methoden Marktanteile erobern wollen. Dennoch bleibt die Frage offen, ob DocMorris mit neuen Geschäftsmodellen nicht erneut versuchen wird, sich über bestehende Regularien hinwegzusetzen. Der Versandhändler hat bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass er mit juristischen Manövern nicht so schnell aufgibt.
Der EuGH hat mit diesem Urteil klargestellt, dass auch Boni-Werbung strengen Regeln unterliegt und nicht zum Freibrief für Marktmachtmissbrauch wird. Für die Apothekerkammern ist es ein wichtiger Sieg, der zeigt: Beharrlichkeit zahlt sich aus. Doch das bedeutet nicht, dass die Gefahr gebannt ist. Die nächsten Herausforderungen zeichnen sich bereits am Horizont ab – sei es durch neue Rabattmodelle oder durch die Digitalisierung des Apothekenmarktes. Eines steht fest: Die Apotheken vor Ort müssen ständig wachsam bleiben und weiterhin für ihre Interessen kämpfen.
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