Epidurale Steroidinjektionen sind bei Ärzten und Patienten gleichermaßen beliebt – aber geht ihre Wirkung über den Placebo-Effekt hinaus? Dem geht jetzt ein Review auf den Grund.
„Herr Doktor, meine Rückenschmerzen sind so schlimm geworden, können Sie mir eine Spritze in den Rücken geben?“ Viele Patienten, die sich mit diesem oder einem ähnlichen Anliegen an ihren Arzt wenden, erhalten als Behandlung eine epidurale Injektion. Dabei wird in der Regel eine Kombination aus einem Lokalanästhetikum und einem Glukokortikoid in den Epiduralraum gespritzt.
Das klassische Anwendungsgebiet ist ein Bandscheibenvorfall mit radikulären Schmerzen. Aber auch bei einer Spinalkanalstenose wird die epidurale Steroidinjektion eingesetzt: Durch die Kombination der Medikamente sollen zwei Wirkungen erzielt werden. Das Lokalanästhetikum soll die Schmerzen akut lindern, das Glukokortikoid soll langfristig die Entzündungsreaktion und die Schwellung hemmen und so zu einer schnelleren Genesung führen.
Die Theorie hinter dieser Therapiemethode erscheint plausibel. Auch der Placeboeffekt dieser Behandlung ist zweifellos groß: Eine Spritze in den Rücken hat schließlich etwas, die Behandlung erfüllt alle Eigenschaften, die den Placeboeffekt bestmöglich verstärken. Invasive Verfahren wie Injektionen haben einen größeren Placeboeffekt als Tabletten. Außerdem ist der Effekt größer, wenn das Medikament von einem Arzt verabreicht wird, als wenn man es selbst einnimmt. Eine direkt spürbare (Neben-)Wirkung (z. B. der kurze Schmerz bei der Injektion) verstärkt den Placeboeffekt zusätzlich.
Die Wirksamkeit der epiduralen Steroidinjektion ist also in jedem Fall zu erwarten. Umstritten ist jedoch, ob die Wirkung über den Placeboeffekt hinausgeht. Eine sorgfältig durchgeführte Studie, die 2014 im New England Journal of Medicine publiziert wurde, zeigte bei Patienten mit lumbaler Spinalkanalstenose nach drei Wochen einen kleinen Vorteil der Kombination von Lokalanästhetikum und Glukokortikoid gegenüber dem Lokalanästhetikum allein.
Nach sechs Wochen war dieser Vorteil jedoch nicht mehr nachweisbar und die Gruppen unterschieden sich weder in der Schmerzintensität noch in den Alltagseinschränkungen. Gerade der Langzeiteffekt, der durch die zusätzliche Gabe eines Glukokortikoids erreicht werden soll, konnte in dieser Studie nicht nachgewiesen werden.
In der Zwischenzeit wurden zahlreiche weitere Studien mit unterschiedlicher Qualität und unterschiedlichen Ergebnissen durchgeführt. Um der Wahrheit ein wenig näher zu kommen, wurde jetzt ein systematisches Review in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlicht. Dabei wurden 90 randomisierte kontrollierte Studien identifiziert, die die Wirksamkeit von epiduralen Steroidinjektionen bei Radikulopathien (Reizung einer Nervenwurzel, häufig durch einen Bandscheibenvorfall) und Spinalkanalstenosen untersuchten.
Da in den einzelnen Studien der Therapieerfolg mit unterschiedlichen Parametern gemessen wurde, ist auch eine Zusammenfassung der Ergebnisse schwierig. Die Autoren des Reviews behalfen sich, indem sie alle Ergebnisparameter gleich behandelten und zu einer „Erfolgsrate“ zusammenfassten.
Der Unterschied in der Erfolgsrate zwischen der epiduralen Steroidinjektion und der Vergleichstherapie wurde getrennt für die kurz- und langfristige Schmerzreduktion und die Verbesserung der Alltagseinschränkungen analysiert. Bei den Radikulopathien war ein kurzfristiger Nutzen sowohl für die Schmerzreduktion als auch für die Verbesserung der Alltagseinschränkungen klar belegt, auch für eine langfristige Reduktion der Alltagseinschränkungen gab es Hinweise.
Für eine langfristige Reduktion der Schmerzintensität gab es hingegen keine Belege. Bei der lumbalen Spinalkanalstenose zeigten sich geringe Effekte für eine kurz- und auch langfristige Reduktion von Alltagseinschränkungen. Für einen Effekt auf die Schmerzintensität reichte die Datenlage nicht aus. Insgesamt gibt es also deutliche Hinweise auf eine Wirksamkeit der Therapie, die aber in ihrer Wirkung begrenzt und meist nur kurzfristig ist.
Während der therapeutische Effekt also überschaubar ist, sind die Nebenwirkungen selten, aber relevant. Die Komplikationsrate liegt bei etwa 2–3 %. Die häufigsten Komplikationen sind eine Zunahme bereits bestehender Schmerzen, anhaltende Schmerzen an der Einstichstelle oder anhaltende Taubheitsgefühle. Schwere Komplikationen sind äußerst selten. Es gibt Fallberichte über Nervenwurzelverletzungen oder epidurale Abszesse nach der Injektion. Insgesamt handelt es sich um ein sicheres Verfahren, die Nebenwirkungen müssen jedoch bei der Therapieentscheidung insbesondere im Hinblick auf die begrenzte Wirksamkeit berücksichtigt werden.
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