Nach wie vor gibt es keine evidenzbasierte Therapie beim Post-COVID-Syndrom – Patienten klammern sich an jeden Strohhalm. Ob sich das im Fall des Plasmaaustauschs lohnt, lest ihr hier.
Für Eilige gibt's am Ende des Artikels eine Zusammenfassung.
Corona ist überstanden – und trotzdem führen manche der virologisch Genesenen kein normales Leben. Was viele als „ein bisschen länger müde“ abtun, ist für Betroffene ein harter Kampf gegen eine Flut an Symptomen, die Körper und Geist lahmlegen. Willkommen in der Welt des Post-COVID-Syndroms.
Als möglicher Therapieansatz gilt der therapeutische Plasmaaustausch (TPE, Therapeutic Plasma Exchange). Durch das Entfernen von inflammatorischen Botenstoffen, Autoantikörpern und Immunkomplexen könnten – so die Hoffnung – Symptome gelindert werden. Das Verfahren gilt als sicher und wird bei immunologischen, hämatologischen und infektiösen Erkrankungen eingesetzt, durchaus mit Erfolg.
Jetzt haben Forscher den Einsatz der Methode in einer doppelblinden, placebokontrollierten, randomisierten Phase-II-Studie beim Post-COVID-Syndrom überprüft.
50 Teilnehmer mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion und funktionellen Einschränkungen wurden 1:1 entweder sechs TPE-Sitzungen (Intervention) oder Scheinbehandlungen (Placebo-Arm) zugewiesen. Neben der Sicherheit wurden Auswirkungen auf den funktionellen Status, auf Symptome, Fatigue, Lebensqualität, neurokognitive Leistung und psychische Gesundheit analysiert. Die Interventions- und die Kontrollgruppen waren hinsichtlich medizinischer und soziodemografischer Parameter ausbalanciert.
Zu Beginn der Studie war die Hälfte aller Teilnehmer arbeitsunfähig. Mehr als 80 % litten bereits vor der SARS-CoV-2-Infektion an Erkrankungen. Am häufigsten waren Allergien und an Dyslipidämien. Die meisten Teilnehmer wurden mit frühen SARS-CoV-2-Varianten infiziert, bevor sie eine COVID-19-Impfung erhielten. Zum Zeitpunkt der Studie hatten über 75 % mindestens zwei Impfdosen bekommen.
In der Studie erwies sich die TPE als sicher – das war’s aber auch schon. Trotz der etablierten Technologie gab es zwischen beiden Studienarmen keine klinisch relevanten Unterschiede. „Mögliche Gründe für die fehlende Wirksamkeit könnten der zeitliche Abstand zur akuten SARS-CoV-2-Infektion, die verwendete Plasmapherese-Technik oder die Heterogenität der Long-COVID-Subtypen sein“, spekulieren die Autoren.
Wir erinnern uns: An der Studie hatten nur 50 Probanden teilgenommen. Die Forscher können eine „minimale Wirkung“, wie sie schreiben, deshalb nicht ausschließen. „Allerdings legen unsere Ergebnisse nahe, dass, falls TPE überhaupt einen Effekt auf Post-COVID hat, dieser nur gering ausfallen würde“, heißt es weiter. Alles in allem ändert sich somit nichts am Status quo: Das Post-COVID-Syndrom bleibe „eine enorme medizinische Herausforderung, derzeit ohne spezifische Therapie“.
Die Studie kommt nicht von ungefähr. In vielen Nationen – auch in Deutschland – bieten Klinken TPE beim Post-COVID-Syndrom als Selbstzahler-Leistung an, für ca. 2.300 bis 2.600 Euro pro Sitzung. Mindestens zwei bis drei Interventionen werden empfohlen. Bereits Mitte 2023 hieß es auf „IGeL-Monitor“, die Evidenz der Methode sei unklar. Daran wird die neue Studie nichts ändern.
Dr. Charles Shepherd, Experte der ME Association, kommentiert: „Die negativen Ergebnisse wecken weitere Zweifel daran, ob die Apherese, die in privaten Kliniken als Behandlung für Long-COVID angepriesen wird, überhaupt von Nutzen ist.“ Die ME Association ist eine britische Wohltätigkeitsorganisation, die Menschen mit Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) und Long-COVID unterstützt.
Bildquelle: Adrian Sulyok, Unsplash