Bei einer Appendizitis lässt der OP-Tisch meist nicht lange auf sich warten. Warum ihr dennoch kurz innehalten solltet, lest ihr hier.
Der Wurmfortsatz des Darms wird zwar oft stiefmütterlich behandelt, soll aber ein wichtiges lymphathisches Organ sein: Neben immunregulatorischen Komponenten deuten neue Erkenntnisse auf eine Funktion als Mikrobiom-Reservoir hin. Doch mit den Bakterien kommen auch Probleme: In Deutschland liegt die Inzidenz der Appendizitis bei 151/100.000 Einwohnern. Das Lebenszeitrisiko beträgt rund 8,6 % bei Männern und 6,7 % bei Frauen. Die akute Appendizitis ist daher auch dem Laien bekannt.
Bei einer ausführlichen körperlichen Untersuchung am Patienten fällt dem einen oder anderen sicherlich die große Narbe am rechten Unterbauch auf. Doch mit der Zeit trifft man immer seltener auf diese Patienten, denn die offenen Appendektomien sterben aus. Eine Studie aus Dänemark zeigt es deutlich: Innerhalb von 15 Jahren stieg der prozentuale Anteil der laparoskopischen Appendektomien von 7,4 % auf stolze 93 %.
Das liegt nicht nur daran, dass die laparoskopischen Techniken immer besser werden, sondern auch weil sie mit weniger Komplikationen oder kürzeren Krankenhausaufenthalten verbunden sind. Und letzteres ist neben der korrekten Einhaltung der Hygienevorschriften ein hervorragender Schutz gegen nosokomiale Infektionen.
Eine Appendizitis muss aber nicht zwangsmäßig durch eine Entfernung des kleinen Unruhestifters behandelt werden. Auch konservative Maßnahmen werden bei einer unkomplizierten Appendizitis durchgeführt, um unnötige Operationen zu vermeiden. Für den Patienten bedeutet dies: Bettruhe, Nahrungskarenz und Antibiotika-Einnahme. Doch für viele Ärzte ist nicht klar, bis wann diese Maßnahmen ausreichen: Schlägt die Therapie nicht an, kann sich aus einer einfachen Appendizitis schnell die Maximalvariante mit Perforation entwickeln.
Eine neue Meta-Analyse hat diese Fragestellung genauer unter die Lupe genommen. Sechs randomisierte Kontrollstudien mit insgesamt 2.101 Patienten wurden in die Analyse eingeschlossen. Davon erhielt die eine Hälfte Antibiose, die andere die Appendektomie. Von diesen waren 20,3 % offen und 64,4 % laparoskopisch. Als wichtiger Endpunkt galt der Vergleich der Komplikationsrate nach einem Jahr (klassifiziert nach Clavien-Dindo), als sekundärer Endpunkt wurde analysiert, wie viele Patienten trotz Antibiose doch noch auf den OP-Tisch kamen und welche Rolle das Vorhandensein eines Appendikolithen spielte.
Das Ergebnis der Studie: Die Komplikationsrate der Antibiotika-Gruppe lag bei 5,4 %, die der Appendektomie-Gruppe bei 8,3 % (Odds-Ratio: 0,49, [95 %-KI: 0,2-1,2]. Von den konservativ behandelten Patienten mussten 33,9 % im Laufe eines Jahres doch noch operiert werden. Also konnte bei knapp zwei Drittel der Patienten eine Operation vermieden werden. Doch lag ein Appendikolith vor, sah das ganze anders aus: die Antibiotika-Gruppe zeigte hier eine Komplikationsrate von 15 %, während die Appendektomie-Gruppe nur 6,3 % zu bieten hatte. Die Odds-Ratio betrug hier 2,82 [95 %-KI: 1,11-7,18]. Die Hälfte der Patienten mit Appendikolith und Antibiose mussten sich dann doch noch für eine Appendektomie unters Messer legen.
Wie bereits besprochen wurden in älteren Studien noch viele offene Appendektomien inkludiert, die das Ergebnis der Komplikationsrate verzerren könnten. Außerdem wurde die Appendizitis in den Studien mit unterschiedlichen Antibiotika behandelt. Auch gab es zwischen den einbezogenen Studien keine einheitlichen Definitionen einer unkomplizierten und komplizierten Appendizitis. Diese Punkte schmälern die Aussagekraft der Studie, sodass weitere Studien notwendig sind, um fundierte Vorschläge für eine allgemeingültige Leitlinie zu bringen.
Aber Achtung: Bei Kindern und Jugendlichen wird in einer aktuellen Pressemitteilung des Deutschen Chirurgie Kongresses etwas anderes empfohlen. Eine brandneue Studie verglich auch bei 936 Kindern und Jugendlichen die Antibiotika-Therapie mit der Appendektomie. Ähnlich zu den Erwachsenen mussten innerhalb eines Jahres ca. 34 % der kleinen Patienten nach frustraner Antibiotika-Therapie doch operiert werden.
Das relative Risiko für leichte bis mittelschwere Nebenwirkungen lag in der Antibiotika-Gruppe bei 4,3 [95 %-KI: 2,1-8,7]: „Die Diagnose bei Kindern ist klinisch nicht einfach zu stellen, weil sie ihre Beschwerden oft nicht genau beschreiben können und diese auch unspezifisch sind“, so Prof. Rolle, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.
Zusammengefasst lassen sich folgende Schlüsse aus der Analyse ziehen:
Antibiotika sind eine sichere Alternative zur Appendektomie bei Patienten ohne Appendikolith.
Bei etwa zwei Drittel lassen sich dadurch Appendektomien vermeiden.
Liegt ein Appendikolith vor, ist die Appedektomie der konservativen Therapie überlegen.
Bei Kindern und Jugendlichen hingegen ist die Appendektomie der Antibiotika-Gabe überlegen.
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