Der Verlust der Nierenfunktion nach herzchirurgischen Eingriffen tritt relativ häufig auf und ist mit einer hohen Mortalitätsrate behaftet. Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass ein neuer Test deutlich früher als bisher eine beginnende Nierenschädigung aufspürt.
Nach Herzoperationen können die Nieren versagen. Besonders groß ist die Gefahr bei Patienten, die an weiteren Krankheiten wie COPD, insulinpflichtigem Diabetes oder einer chronischen Niereninsuffizienz leiden. Die akute Nierenschädigung ist bei den schwerkranken Patienten mit einem hohen Sterberisiko verbunden und ihre Behandlung verursacht hohe Kosten. Deshalb versuchen Ärzte mit einer Vielzahl von Maßnahmen, die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Bislang allerdings ohne durchschlagenden Erfolg, da die Diagnose der akuten Nierenschädigung nicht einfach ist. Die momentan in der Klinikroutine eingesetzten Verfahren wie der Nachweis von Serumkreatinin oder das Messen des Urinvolumens sind nicht sensitiv genug und weisen zu spät auf die beginnende Nierenschädigung hin, so dass eine adäquate Therapie meist nicht mehr möglich ist. Jetzt hat ein Forscherteam von der Universität Münster in einer Studie gezeigt, dass ein neues Verfahren bei Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen eine Nierenschädigung schon nach wenigen Stunden detektieren kann. Wie die Wissenschaftler um Professor Alexander Zarbock im Fachmagazin PLOS One mitteilten, nutzt der seit vergangenem Jahr in Deutschland erhältliche Nephrocheck-Test eine einfach handhabbare Technologie zum Nachweis der Biomarker TIMP-2 und IGFBP-7 im Urin der Patienten. Beide Biomarker sind Proteine, die am Zellzyklus-Arrest beteiligt sind. Dieser verhindert, dass sich Zellen mit beschädigter DNA teilen, solange die DNA nicht wieder repariert wurde.
Wenn nun Epithelzellen der Nierentubuli erhöhte Mengen an TIMP-2 und IGFBP-7 in den Urin freisetzen, ist das ein Alarmsignal, dass die Zellen unter Stress stehen und die Gefahr eines akuten Nierenversagens gegeben ist. „Durch die Verwendung von Herz-Lungen-Maschinen bei Herz-OPs und der dadurch bedingten extrakorporalen Blutzirkulation kommt es zu einer systemischen Entzündungsreaktion und zur Hypoperfusion, die zu einer Abnahme des Blutflusses in den Organen führt“, erklärt Zarbock, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Münster. „Beide Komponenten spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Entstehung der akuten Nierenschädigung nach Herzoperationen.“ Um die Aussagekraft der beiden Biomarker zu überprüfen, schlossen Zarbock und seine Mitarbeiter insgesamt 50 Patienten in ihre Studie ein. Alle Probanden wiesen ein erhöhtes Risiko für eine akute Nierenschädigung auf und mussten sich einer Herzoperation unterziehen, während der sie an einer Herz-Lungen-Maschine angeschlossen waren. Über einen Blasenkatheter nahmen die Forscher allen Studienteilnehmern mehrere Urinproben ab. Dies geschah vor der Operation sowie vier, 12 und 24 Stunden nach Abschalten der Herz-Lungen-Maschine.
26 Patienten entwickelten nach der Operation eine akute Nierenschädigung und wiesen alle einen deutlichen Anstieg der Konzentration von TIMP-2 und IGFBP-7 bereits zum ersten postoperativen Messpunkt auf – im Gegensatz zu den anderen 24 Patienten ohne Nierenschädigung, deren Biomarker-Werte über den gesamten Zeitraum niedrig blieben. „Mit der Kombination aus TIMP-2 und IGFBP-7 kann man eine akute Nierenschädigung deutlich besser vorhersagen als mit den bisher bekannten Biomarkern“, sagt Zarbock. „Kreatinin steigt erst an, wenn die Nierenleistung schon um 50 Prozent gesunken ist.“ Der Nephrocheck-Test, so der Mediziner, sei ein bis zwei Tage schneller und ermögliche den frühzeitigen Therapiebeginn – zu einem Zeitpunkt, wo die Nierenschädigung noch reversibel sei. Andere Experten wie Martin Kimmel, Leitender Oberarzt in der Abteilung für Innere Medizin und Nephrologie am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, sehen das ähnlich: „Bislang kamen wir mit den Therapiemaßnahmen fast immer zu spät, die Folge waren dramatische Mortalitätsraten bei Krankenhauspatienten mit akuter Nierenschädigung.“ Der neue Test, so Kimmel, verschiebe das therapeutische Fenster nach vorne und eröffne die Chance, die Mortalitätsrate dieser Patienten deutlich zu senken.
Das Ergebnis der jetzt veröffentlichten Studie zeigt, dass eine Schädigung der Niere bereits vier Stunden nach einer Herz-OP zuverlässig nachgewiesen werden kann. Die Forscher um Zarbock weisen in ihrer Veröffentlichung jedoch daraufhin, dass die Daten mit Hilfe eines relativ kleinen Patientenkollektivs an nur einem klinischen Zentrum gewonnen wurden. Außerdem erhoben Zarbock und seine Kollegen keine Langzeitdaten, so dass nicht klar ist, ob die frühzeitige Diagnose der Nierenschäden nach Herz-OPs tatsächlich zu einer Senkung der Mortalitätsrate führt. Deswegen soll in weiteren multizentrischen Studien mit einer größeren Patientenzahl untersucht werden, ob die Verwendung des Nephrocheck-Tests in Verbindung mit der Umsetzung nierenschützender Maßnahmen zu weniger Komplikationen und damit zu einem schnelleren Heilungsverlauf führen kann.