Patienten mit Schizophrenie-Spektrum-Störungen haben nicht selten auch manische Symptome. Wie ihr diese sicher diagnostiziert und behandelt, lest ihr hier.
Forscher kommen in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass Patienten mit Schizophrenie-Spektrum-Störungen in stabilem Zustand häufig manische Symptome aufweisen. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift „Brain Medicine“ erschienen.
Die Diagnose Schizophrenie-Spektrum-Störung ist ein Sammelbegriff für verschiedene psychiatrische Störungsbilder. Dazu gehören Schizophrenie, wahnhafte Störung, schizotypische Störung, schizoaffektive Störung und kurze psychotische Episode.
Die Wissenschaftler um Erstautorin Prof. Eva-Maria Tsapakis und Letztautor Prof. Konstantinos Fountoulakis von der Aristotle University in Thessaloniki untersuchten 75 Patienten mit Schizophrenie-Spektrum-Störungen in stabilem Zustand, die von der Ambulanz der Psychiatrischen Klinik betreut wurden. „Stabil bedeutet, dass die Patienten keine akute psychotische Episode haben und ihre Erkrankung auf dem Rückzug ist“ erläutert Tsapakis. „Ihr psychisches Funktionsniveau ist höher als in einer akuten Krankheitsphase. Es können jedoch Restsymptome vorliegen.“ 44 Studienteilnehmer waren männlich mit einem Durchschnittsalter von 43,5 Jahren, 31 waren weiblich mit einem Durchschnittsalter von 47,8 Jahren.
Die Teilnehmer hatten folgende Diagnosen:
Um positive und negative Symptome der Schizophrenie zu erfassen, verwendeten die Forscher die „Positive and Negative Syndrome Scale“ (PANSS), zur Erfassung der Symptome einer Manie die „Young Mania Ratings Scale“ (YMRS). Beides sind Fremdbeurteilungs-Fragebögen, mit denen ein erfahrener Interviewer die Ausprägung der Symptome beurteilt.
Zu den positiven Symptomen in der PANSS gehören Halluzinationen, Wahnvorstellungen, formale Denkstörungen, Erregung, Größenwahn, Misstrauen oder Verfolgungswahn und Feindseligkeit. Zu den negativen Symptomen gehören Affektverarmung, emotionaler Rückzug, mangelnde Beziehungsfähigkeit, passiv-apathisches Verhalten mit sozialem Rückzug, Schwierigkeiten beim abstrakten Denken und ein Mangel an spontanem Verhalten.
Typische manische Symptome, die mit der YMRS erfasst werden, sind:
Die Auswertung ergab, dass 26,7 % der Patienten eindeutige manische Symptome aufwiesen. Dabei war die Wahrscheinlichkeit, manische Symptome zu erleben, bei höheren Werten in der PANSS größer. Zudem bestand ein besonders deutlicher Zusammenhang zwischen positiven Symptomen in der PANSS und manischen Symptomen. „Die Ausprägung der positiven Symptome konnte dabei das Vorliegen von manischen Symptomen vorhersagen“, erläutert Tsapakis. „Das legt nahe, dass zwischen diesen beiden Aspekten der Psychopathologie ein tieferer Zusammenhang besteht.“ Darüber hinaus stellte das Forscherteam fest, dass manische Symptome mit Sprach- und Denkstörungen korrelierten.
Dagegen ließ sich keine signifkante Korrelation zwischen manischen Symptomen und der Diagnose schizoaffektive Störung feststellen. „Daher ist es unwahrscheinlich, dass die manischen Symptome mit der affektiven Komponente schizoaffektiver Störungen zusammenhängen“, erläutert die Forscherin.
„Die Ergebnisse legen nahe, dass die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Schizophrenie-Spektrum-Störungen neu bewertet werden sollten“, betont Letztautor Foutoulakis. „Sie unterstützen eine nuancierte, dimensionale Sichtweise mentaler Erkrankungen statt einer starren Einteilung in Diagnose-Kategorien.“ Es könne sinnvoll sein, manische Symptome bei SSD-Patienten frühzeitig und regelmäßig mithilfe eines systematischen Screenings zu erfassen.
„Dadurch könnte die Diagnose verfeinert und die Therapie personalisiert und so angepasst werden, dass bessere Behandlungsergebnisse erzielt werden“, sagt der Experte. „Das betrifft insbesondere Patienten, die nicht optimal auf die aktuelle Behandlung ansprechen.“ Auf diese Weise könnten auch Kosten im Gesundheitssystem eingespart werden.
SSD-Patienten, die manische Symptome aufweisen, könnten von Stimmungsstabilisierern (Mood Stabilizern) profitieren. „Wir geben Patienten mit SSD und manischen Symptomen entweder Antipsychotika der zweiten Generation oder wir kombinieren diese mit Stimmungsstabilisierern“, berichtet Tsapakis. „Dabei ist der zweite Ansatz in der Regel effektiver – sowohl bei der Behandlung der psychotischen als auch der manischen Symtpome.“ Auf diese Weise könnte die Belastung des Patienten reduziert, die Zeit der stationären Behandlung verkürzt und das Risiko für Selbst- und Fremdgefährdung reduziert werden.
Wenn man weiß, dass ein Patient mit SSD auch manische Symptome aufweist, könnten zudem gezielte Ansätze der Psychoedukation und Psychotherapie eingesetzt werden. „Zum Beispiel könnten Frühwarnsignale wie verminderter Schlaf, erhöhte Aggressivität oder Hypersexualität erfasst werden, um frühzeitig eingreifen und eine Zunahme der Symptome verhindern zu können“, erläutert Tsapakis.
Zukünftige Studien sollten aus Sicht der Autoren größere Patientengruppen umfassen und den Zusammenhang zwischen manischen Symptomen bei SSD mit Suizidalität oder Risikoverhalten untersuchen. „Wichtig wären auch genetische Studien, um Unterschiede im Genotyp zwischen SSD-Patienten mit und ohne manische Symptome zu erkennen“, sagt Tsapakis. „Weiterhin könnten Studien mit struktureller und funktioneller Bildgebung des Gehirns das Bild über Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne manische Symptome vervollständigen.“
Bildquelle: Robert Ruggiero, Unsplash