In der heißen Phase des Wahlkampfs tönt eine Partei lauter als die andere – doch Versprechungen machen kann jeder. Was die einzelnen Parteien gesundheitspolitisch fordern und für wie realistisch ich diese Forderungen halte.
Die nahe bevorstehenden Bundestagswahlen werfen wichtige Fragen für das Gesundheitswesen auf. Ärzte, Apotheker sowie Pflegekräfte stehen vor politischen Entscheidungen, die ihre tägliche Arbeit und die Zukunft des Gesundheitssystems beeinflussen werden. Viele sind verunsichert, wo sie am besten ihr Kreuz machen sollten. Sicherlich ist der Gesundheitssektor nicht immer der wichtigste Punkt, dennoch zeigt uns ein Blick auf die Wahlprogramme der Parteien, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen uns erwarten könnten. Möglicherweise ist die Richtung, die eingeschlagen werden soll, dann doch das Zünglein an der Waage.
Die CDU setzt auf das duale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung und plant eine stärkere Förderung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen. Bürokratische Hürden sollen abgebaut, die Digitalisierung vorangetrieben und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verbessert werden. Durch eine gezielte Patientensteuerung sollen lange Wartezeiten verringert und die Behandlungsabläufe effizienter gestaltet werden.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Sicherung der Apotheken vor Ort: Die CDU plant eine Apothekenreform, um Präsenzapotheken langfristig zu stärken und die Arzneimittelversorgung rund um die Uhr sicherzustellen. Zudem sollen Lieferengpässe durch stabilisierte Lieferketten und eine verstärkte Forschung an Reserveantibiotika, Impfstoffen und Kinderarzneimitteln verhindert werden. Der Pharmastandort Deutschland soll attraktiver gemacht und durch schnellere Zulassungsverfahren gefördert werden.
Darüber hinaus sollen Krankenhäuser reformiert, die Notfallversorgung verbessert und der Wettbewerb zwischen Krankenkassen gestärkt werden. Besonders in der Pflege setzt die CDU auf eine nachhaltige Finanzierung, bei der gesetzliche Absicherung, betriebliche Mitfinanzierung und private Zusatzversicherungen kombiniert werden. Pflegeberufe sollen durch bessere Arbeitsbedingungen, flexiblere Pflegebudgets und digitale Lösungen entlastet werden. Die CDU setzt insgesamt verstärkt auf Prävention und Eigenverantwortung. Die aktive Sterbehilfe lehnt die CDU ab.
Die SPD will mit einer Bürgerversicherung die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufheben, um eine gerechtere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Prävention steht im Mittelpunkt, mit gezielten Maßnahmen zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Suchtprävention und psychischer Gesundheitsversorgung. Der Breitensport soll als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden, um gesundheitliche Chancengleichheit zu fördern.
Ein besonderes Anliegen ist die Frauengesundheit: Die Versorgung bei Endometriose, Geburtshilfe und Wechseljahren soll verbessert und medizinische Forschungslücken geschlossen werden. Zudem soll der Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert und in die medizinische Grundversorgung integriert werden.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, setzt die SPD auf attraktivere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne, mehr Weiterbildungsmöglichkeiten und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Pflegekräfte sollen durch eine bundeseinheitliche Personalausstattung entlastet werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einführung von Gesundheitskiosken, um insbesondere sozial benachteiligten Gruppen einen niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Die Produktion von Arzneimitteln in Deutschland soll gestärkt werden, um Abhängigkeiten von internationalen Lieferketten zu verringern.
Die Grünen setzen auf eine stärkere Verzahnung der Gesundheitsbereiche mit neuen Versorgungsmodellen wie „Medizin auf Rädern“ und Gemeindegesundheitspflegern. Digitalisierung und Telemedizin sollen für eine effizientere Patientenbetreuung sorgen. Apotheken in ländlichen Gebieten sollen besonders gefördert werden, um eine flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gewährleisten.
Ein Gesundheitssicherstellungsgesetz soll Deutschland besser auf Pandemien und Krisen vorbereiten. Dazu gehören bessere Arzneimittelvorräte, regelmäßige Katastrophenschutzübungen und ein gestärkter öffentlicher Gesundheitsdienst. Maßnahmen zum Hitzeschutz sollen vor dem Hintergrund des Klimawandels verstärkt werden. Die Grünen setzen sich zudem für eine Bürgerversicherung ein, in die auch Privatversicherte integriert werden sollen. Pflegeberufe sollen attraktiver gestaltet und pflegende Angehörige durch flexible Pflegebudgets entlastet werden.
Die FDP setzt auf eine moderne, digitalisierte Gesundheitsversorgung mit mehr Freiheiten für medizinisches Personal. Gesundheits-Apps, Telemedizin und Wearables sollen präventiv genutzt werden und Krankenkassen sollen vorsorgende Versicherte finanziell entlasten können. Zudem fordert die FDP eine effizientere Arzneimittelversorgung: Wichtige Medikamente sollen wieder verstärkt in Deutschland und Europa produziert werden, um Lieferengpässe zu verhindern. Zulassungsverfahren sollen beschleunigt und Preisverhandlungen überprüft werden. Apotheken sollen wirtschaftlich abgesichert und durch Telepharmazie sowie niedrigschwellige Impfangebote gestärkt werden.
In der Pflege setzt die Partei auf weniger Bürokratie, flexiblere Arbeitsbedingungen und eine bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Die Finanzierung soll durch eine kapitalgedeckte Komponente ergänzt werden, um Beitragserhöhungen zu vermeiden. Besondere Schwerpunkte liegen auf Frauengesundheit, der Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen und einer rechtssicheren Regelung der Sterbehilfe.
Die AfD setzt auf eine wohnortnahe, patientenorientierte Gesundheitsversorgung. Sie fordert eine Abschaffung der Fallpauschalen und eine Rückkehr zu individuellen Budgetvereinbarungen für Kliniken, insbesondere im ländlichen Raum. Apotheken sollen gestärkt werden, indem inhabergeführte Apotheken erhalten bleiben und Medikamentenengpässe durch eine höhere Mindestbevorratung verhindert werden. Rabattverträge sollen abgeschafft, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 % auf 7 % gesenkt und die Reimportquote gestrichen werden.
In der Pflege fordert die AfD eine leistungsgerechte Bezahlung, steuerfreie Zuschläge und eine bundeseinheitliche Personaluntergrenze. Pflegebedürftige sollen möglichst lange zu Hause versorgt werden. Die Partei fordert zudem eine Zusammenlegung von Pflege- und Krankenversicherung, um Schnittstellenprobleme zu vermeiden. Die Corona-Politik soll durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Zudem spricht sich die Partei für die Erhaltung des Heilpraktikerberufs, strengere Sprach- und Qualifikationsanforderungen für ausländisches Fachpersonal sowie gegen eine zentrale Speicherung von Patientendaten aus.
„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ – dieses legendäre Zitat von Konrad Adenauer beschreibt treffend, was nach jeder Wahl passiert: Wahlprogramme sind voll von großen Versprechungen, aber ob sie in der Realität Bestand haben, ist eine ganz andere Frage. Gerade in der Gesundheitspolitik, einem Bereich mit hoher wirtschaftlicher und sozialer Tragweite, ist die Diskrepanz zwischen Ankündigung und Umsetzung oft besonders groß.
CDU, SPD, Grüne, FDP und AfD präsentieren in ihren Programmen detaillierte Pläne – von der Apothekenförderung über die Digitalisierung bis zur Pflegereform. Doch wie viel davon wird nach der Wahl tatsächlich umgesetzt? Die Realität sieht oft anders aus: Koalitionsverhandlungen, finanzielle Engpässe und politische Machtspiele sorgen regelmäßig dafür, dass selbst große Wahlversprechen verwässert oder ganz beerdigt werden.
Ein gutes Beispiel ist die Bürgerversicherung, die SPD und Grüne seit Jahren fordern – doch sobald die SPD regiert, bleibt sie entweder auf der Strecke oder wird nicht ernsthaft vorangetrieben. Ähnlich sieht es mit dem Abbau der Bürokratie aus, den CDU und FDP gebetsmühlenartig versprechen, aber in der Praxis nur schleppend angehen. Und wie oft wurde schon von besseren Arbeitsbedingungen in der Pflege gesprochen, ohne dass sich für Pflegekräfte wirklich spürbar etwas verändert hat?
Natürlich werden nicht alle Vorhaben vergessen: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, die fast alle Parteien als Ziel formulieren, könnte tatsächlich vorangetrieben werden, weil sie politisch weniger umstritten ist. Aber wenn es um kostspielige Reformen geht – etwa eine stärkere Förderung von Apotheken, höhere Löhne in der Pflege oder eine umfassende Krankenhausreform – zeigt die Erfahrung: Versprechen sind schnell gemacht, aber schwer umgesetzt.
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